Der Lehrer ersetzt den Schüler: Huub Stevens löst seinen früheren Assistenten Markus Gisdol als Trainer beim taumelnden Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim ab und soll die Kraichgauer als Feuerwehrmann vor dem Abstieg bewahren.
Der Kredit des einstigen Retters Gisdol, der am Montag um 14.21 Uhr mit einem Geschenk der Belegschaft und dem Satz "Ich möchte dazu nichts mehr sagen" das Trainingsgelände in Zuzenhausen verließ, bei TSG-Boss Dietmar Hopp war aufgebraucht.
"Bei der Mannschaft scheint es derzeit eine Blockade zu geben. Ich werde nun versuchen, eine bestimmte Lockerheit in die Truppe zu bekommen. Die Saison ist noch lang, daher mache ich mir keine Sorgen um den Klassenerhalt", sagte Stevens, der einen Vertrag bis Saisonende unterschrieben hat, dem Express: "Ich freue mich auf die Aufgabe, nur meine Frau ist nicht ganz so begeistert."
Mehrheitseigner Hopp reagierte mit dem Trainerwechsel auf die Talfahrt der vergangenen Wochen. Der Tabellenvorletzte, der erst einen Saisonsieg gefeiert hat, steht mit lediglich sechs Punkten so schlecht wie noch nie nach zehn Spieltagen einer Saison da.
Debüt beim Ex-Verein
Hopp dankte Gisdol lediglich in einem Brief an die Mitarbeiter und bedauerte darin "die zuletzt eingetretene Entwicklung, die den nun getroffenen Entschluss unumgänglich" gemacht habe.
Stevens, bei Schalke 04 Chef von Co-Trainer Gisdol, wird am Samstag im Punktspiel bei seinem Ex-Verein 1. FC Köln zum ersten Mal auf der TSG-Bank sitzen. "Dass ich meinen Einstand ausgerechnet bei meinem Ex-Klub in Köln feiere, ist natürlich besonders speziell", äußerte der 61-Jährige, der am Dienstag (14.00 Uhr) vorgestellt wird und seinen Assistenten Alfred Schreuder (42) mitbringt.
Nach der Entlassung Gisdols ist auch klar, dass 85 Bundesligaspiele an der Seitenlinie wohl das TSG-Maximum sind: Diese Marke hatte auch Ralf Rangnick erreicht, bevor er den Klub verließ. Der Niederländer Stevens hat sein Engagement beim Hoffenheimer Lokalrivalen VfB Stuttgart nach der vergangenen Saison beendet.
Zweiter Trainerwechsel der Saison
Gisdol hatte sein Amt im April 2013 übernommen und den Klub nur wenige Wochen später vor dem Abstieg in die 2. Liga bewahrt. Der Vertrag des 46-Jährigen lief ursprünglich bis Juni 2018. Das Ende der Gisdol-Ära bedeutet den zweiten Trainerwechsel in der laufenden Saison nach dem Rücktritt von Lucien Favre bei Borussia Mönchengladbach.
Gisdol hatte bereits im Anschluss an die Pleite gegen den Hamburger SV (0:1) am Freitag Resignation erkennen lassen. Auch die Aussagen der Spieler hörten sich nach Abschied an.
Kapitän Pirmin Schwegler, Nationalspieler Kevin Volland und Eugen Polanski waren schon vor dem HSV-Spiel von Hopp hinter dem Rücken Gisdols zu einem Treffen gebeten worden. Die Profis stärkten dem Trainer zwar den Rücken, das Tischtuch zwischen Gisdol und Hopp war aber endgültig zerschnitten.
Verdichtete Anzeichen
Die sportliche Krise ist ohnehin nicht der einzige Grund für das Ende der Gisdol-Ära. Der Coach manövrierte sich bereits zu Jahresbeginn ins Abseits. Damals verärgerte Gisdol seinen Boss bei den Vertragsverhandlungen mit hohen Gehaltsforderungen. Am Ende wurde der Vertrag zwar verlängert, das Verhältnis zwischen dem gebürtigen Geislinger und Hopp galt seit dieser Zeit dennoch als angespannt.
Nach dem Rauswurf Gisdols muss Hopp allerdings aufpassen, nicht in alte Gewohnheiten zu verfallen. Schließlich hatte der Milliardär den Verein vor der Gisdol-Ära durch das ständige Feuern von Trainern, Managern und Spielern zwischenzeitlich zu einem Chaosklub gemacht.
Schon am Sonntag war es wieder in diese Richtung gegangen: Geschäftsführer Peter Rettig musste gehen. Hopp wollte den Rheinländer degradieren, Rettig akzeptierte das nicht.
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