Seit der Sperre von Johannes Geis hat der FC Schalke 04 kein Bundesliga-Spiel mehr gewonnen. Gegen Hannover 96 (20.30 Uhr im LIVETICKER) kehrt der Mittelfeldregisseur wieder zurück und soll die Talfahrt abwenden. SPOX vergleicht mit Hilfe von Opta die S04-Daten mit und ohne Geis.
Ausgangslage
Es ist die Szene des 10. Spieltags: In der 80. Minute geht Schalkes Johannes Geis mit gestrecktem Bein in den Zweikampf gegen Gladbachs Andre Hahn und zieht voll durch. Geis kommt zu spät und verletzt Hahn schwer - der Gladbacher erleidet eine Fraktur des Schienbeinkopfes sowie einen Riss des Außenmeniskus im linken Knie. Begriffe wie Horror-Foul, Brutalo-Treter oder Knochenbrecher kursieren in den Medien.
Auch rund sechs Wochen später steht das Comeback Hahns noch in den Sternen. Geis wird hingegen am Freitag gegen Hannover wieder am Spielbetrieb teilnehmen dürfen, der Mittelfeldspieler hat seine wettbewerbsübergreifende Sperre von fünf Spielen abgesessen.
Nachdem der Ex-Mainzer erstmals in seiner Karriere gesperrt auf der Tribüne schmoren musste, brennt Geis darauf, den Ruf des Übeltäters mit sportlichen Leistungen abzuschütteln. "Das ist ein Image, das in keinster Weise zu mir passt. Ich habe zwei Jahre lang kein Bundesliga-Spiel verpasst. Bei so einer Sperre lernt man es erst zu schätzen, jedes Wochenende Bundesliga zu spielen. Ich will wieder zeigen, was ich im Köcher habe", erklärte der Mittelfeldspieler unter der Woche der Sport Bild.
Schalker Krise
Noch größer dürfte die Freude über die Rückkehr bei seinen Teamkollegen ausfallen, denn ohne den 22-Jährigen lief für Königsblau gar nichts mehr zusammen. Während S04 in den ersten zehn Partien 19 Zähler einheimste, waren es in den letzten vier Spielen magere zwei. In diesem Zeitraum belegt das Team von Andre Breitenreiter Rang 17 - das Pokal-Aus gegen die Fohlen komplettiert die königsblaue Misere.
Auch die großen Brocken Borussia Dortmund, Bayern München und Bayer Leverkusen, gegen die Schalke ran musste, verharmlosen die Krise nicht. Immerhin fiel das Team von Andre Breitenreiter als Tabellenachter zuletzt sogar aus den internationalen Rängen heraus.
Mit nur 21 Zählern nach 14 Partien hat S04 die schwächste Zwischenbilanz seit der Spielzeit 2010/11 unter Felix Magath. Nun soll Geis dabei helfen, diesen Abwärtstrend so schnell wie möglich zu stoppen.
Ballbesitz
Naturgemäß haben die Gegner der Bayern verhältnismäßig selten die Kontrolle über den Ball, da machte Schalke am 13. Spieltag keine Ausnahme - ganz im Gegenteil. Königsblau kam gerade einmal auf 28 Prozent Ballbesitz - zu wenig für die Ansprüche im Umfeld des Vereins.
Dabei reicht auch das Argument der übermächtigen Bayern als Erklärung für das Ausmaß des Ungleichgewichts nicht aus. Schließlich hatten die Schalker in dieser Statistik zuletzt auch gegen Konkurrenten anderer Gewichtsklassen das Nachsehen.
So überließ Königsblau beispielsweise Leverkusen die Feldhoheit und hatte deutlich weniger Ballbesitz als die Werkself, nämlich 44 Prozent. Das ist auch der Wert, bei dem sich Schalke in der Zeit ohne Geis eingependelt hat - mit ihm waren es noch durchschnittlich 53 Prozent. Geis ist demnach ein deutlicher Indikator für das Schalker Übergewicht im Mittelfeld - oder eben der Unterlegenheit.
Passsicherheit
Daran knüpft auch die nächste Statistik an: Je kontrollierter ein Team den Ball durch die eigenen Reihen zirkulieren lässt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit auf einen hohen Anteil Ballbesitz.
Die Passquote von S04 ist seit der Geis-Sperre nur leicht zurückgegangen (von 80 auf 77 Prozent). Die Anzahl der Pässe schlägt da schon mehr ins Gewicht.
Pro Partie spielte Schalke mit Geis 455 Pässe, ohne Geis nur 395. Der Mittelfeldregisseur lenkt das Geschehen seiner Mannschaft und kommt pro Match durchschnittlich auf rund 56 Pässe - absoluter Spitzenwert im Team.
Gerade wegen seiner Qualität als Ballverteiler wollte Breitenreiter Geis unbedingt davon überzeugen, seine Zelte in Gelsenkirchen aufzuschlagen. "Er hat gesagt, dass Schalke einen Spieler wie mich braucht, einen Quarterback", so Geis.
Gegentore
Während Schalke in den zehn Bundesliga-Partien mit Geis beachtliche vier Mal die weiße Weste behielt, gelang das ohne dem Sechser gar nicht mehr. Vielmehr stieg die Anzahl der Gegentore von durchschnittlich 1,2 auf 2 pro Spiel.
Auch wenn die Zweikampfwerte keinen Unterschied aufweisen (50 Prozent), fehlte Schalke in den letzten Spielen ein dominanter Mann im defensiven Mittelfeld, der vor allem für Ordnung sorgt. Geis dirigiert seine Nebenleute - und an Ordnung mangelt es derzeit auffällig.
Zwar arbeitet Leon Goretzka in der Zentrale viel, allerdings sind Geis' Tacklings deutlich erfolgreicher (78 Prozent) als die seines Partners auf der Doppelsechs (61 Prozent).
Gefährlichkeit bei Standards
Ruhende Bälle sind die große Stärke von Johannes Geis. Kaum ein anderer Bundesliga-Profi kann das Leder so präzise auf die Reise schicken wie der gebürtige Schweinfurter. Besonders gefährlich sei bei seinen Freistößen, "dass sich die Bälle vor dem Tor extrem schnell wieder Richtung Boden senken. Für einen Torhüter ist es dann schwieriger, den Ball zu halten, als wenn er noch halb hoch in der Luft ist", erklärte Geis zu Saisonbeginn.
Auch wenn Geis für seinen neuen Verein in der Liga noch keinen Freistoßtreffer bejubeln durfte (im Pokal gegen Duisburg verwandelte er bereits einen direkt), ist er bei Standards für die Königsblauen der erste Ansprechpartner.
Mit drei Torvorlagen - allesamt nach einer Ecke - zahlte er dieses Vertrauen zurück. Überhaupt gehen 21 der 25 Torschussvorlagen durch ruhende Bälle auf das Konto des ehemaligen Mainzers.
Gerade diese Qualität hätte Königsblau in den Tospielen der letzten Wochen gut zu Gesicht gestanden. Ohne den Scharfschützen strahlte die Breitenreiter-Elf bei Standards keinerlei Gefahr aus: Nach ruhenden Bällen erzielte Schalke ohne Geis kein Tor, zudem sank die Anzahl der Torschussvorlagen durch Standards von durchschnittlich 2,5 auf 1,75 pro Spiel.
Wenngleich Geis' Abstinenz nicht der einzige Grund für die Schalker Talfahrt ist, steigt mit seiner Rückkehr der Glaube an bessere Ergebnisse. Dieser Optimismus war Breitenreiter auch bei der Pressekonferenz am Donnerstag anzumerken: "Ob die letzten Spiele mit Geis anders gelaufen wären, ist schwer zu bewerten. Fakt ist: Er ist ein wichtiger Spieler. Wir sind froh, dass er wieder da ist."
Johannes Geis im Steckbrief