Bei der Verleihung des Ehrenrings der Stadt Mönchengladbach an Jupp Heynckes hält Uli Hoeneß eine ehrliche, bewegende Laudatio und macht auch um unangenehme Themen keinen Bogen. Heynckes bedankt sich auf seine typische Weise, zeigt aber noch bei der Veranstaltung, warum er die Auszeichnung wirklich verdient.
Es war ein würdiger Rahmen für die Ehrung eines besonderen Mannes für die Stadt Mönchengladbach. Hoch gelegen auf dem Abteiberg im Haus Erholung lud Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners zur Verleihung des Ehrenrings an den 70-jährigen Josef Heynckes, der die Stadt Mönchengladbach mit seinen außerordentlichen Leistungen im Profi-Fußball in die Welt getragen hat.
Nebst Laudator Uli Hoeneß (64), langjährigen Begleitern aus Heynckes' Karriere als Trainer und Spieler, Freunden und Familie drängten sich unzählige Journalisten, Kamerateams und Fotografen in den Kaisersaal.
Auch wenn man sich bei der Stadt Mönchengladbach durchaus bewusst war, dass ein Großteil des medialen Interesses dem Laudator zu verdanken war, zeigte man sich sichtlich stolz über den bis zum letzten Platz gefüllten Saal.
"Nie die Herkunft vergessen"
Für die musikalische Begleitung sorgte das Trio Grande, drei junge Gitarren-Musiker aus Mönchengladbach. Sportstudio-Legende Dieter Kürten (80) moderierte die Veranstaltung auf Wunsch von Heynckes und erzählte von der ersten Begegnung der beiden 1967, bei der das lockere 'Wie geht es Dir?' des Journalisten für einen hochroten Kopf und eine dahingestotterte Entgegnung beim blutjungen Fußball-Profi gesorgt hatte.
Kürtens charmant-lockerer Einleitung folgte die Rede des Oberbürgermeisters, die sich nur kurz auf die sportlichen Erfolge Heynckes' bezog, vielmehr aber dessen persönlichen Werte und Eigenschaften hervorhob.
"Josef Heynckes' Name steht ebenfalls für Bescheidenheit und Anstand, für Bodenständigkeit, Fleiß, Ausdauer sowie Willensstärke und Kompetenz. Auf der großen Bühne des Weltfußballs hat Josef Heynckes seine Herkunft nie vergessen", sagte Reiners.
Hoeneß dankt Borussia Mönchengladbach
Nach einer kurzen musikalischen Pause kam der Moment, den die meisten im Saal mit Spannung erwarteten, die Laudatio von Uli Hoeneß. Und Hoeneß beantwortete die Frage, in wie weit er sich auch zu seiner persönlichen Situation äußern würde, gleich nachdem er sich die Mikrofone am Pult zurechtgerückt hatte.
Er wolle die Gelegenheit ergreifen, sich bei allen Anwesenden für die Unterstützung in den für ihn so schwierigen zwei Jahren zu bedanken.
Hoeneß sprach das Präsidium von Borussia Mönchengladbach direkt an, bedankte sich bei Rolf Königs, bei Rainer Bonhof, der ihm handgeschriebene Briefe in die Haftanstalt geschickt hatte, bei Günther Netzer und Berti Vogts, die ihm ebenfalls beigestanden hatten und erzählte, wie er im Gefängnis auf seinem Bett gesessen habe und mit Tränen in den Augen an diese Unterstützung und diesen Rückhalt gedacht habe.
"Und das alles, obwohl ich gar kein Mitglied bin. Vielleicht sollte man das ändern", ergänze Hoeneß und wandte sich dann Heynckes zu.
Heynckes "Frau" beim FC Bayern
Als jemand, der einen großen Fehler in seinem Leben gemacht und die Konsequenzen getragen habe, sei es eine große Freude und Ehre für ihn, überhaupt die Möglichkeit erhalten zu haben, die Laudatio für seinen Freund zu halten. "Da wird einem klar, dass Freundschaft wichtiger ist als vieles andere", beschrieb Hoeneß sichtlich gerührt.
Dann richtete Hoeneß das Wort zunächst an Heynckes' Frau Iris, die er als starken Partner im Hintergrund beschrieb, die Jupp immer den Rücken freigehalten und unter anderem sämtliche 18 Umzüge alleine geplant und umgesetzt habe.
"Wenn Jupp ankam, stand immer schon alles parat, sogar die Salz- und Pfefferstreuer". Vor allem aber habe sie ihrem Mann das Einzige abgenommen, was er gar nicht gerne mache: Streitgespräche. "In der Familie hatte er dafür Dich, beim FC Bayern hatten sie einen anderen Mann dafür", scherzte Hoeneß.
Kein Wort über Geld
Hoeneß erzählte, wie er und Heynckes sich kennen lernten, machte auch keinen Bogen um die Trennung von Heynckes als Trainer 1991, als Hoeneß "sich nicht genug gegen die Entscheidung des Präsidiums gestemmt habe", was ihm im Rückblick sehr leid tue. "Das Gespräch führe ich mit Jupp alleine", habe er den Vorstand damals wissen lassen und Heynckes unter Tränen die Entscheidung mitgeteilt.
Wie schon der Oberbürgermeister sprach Hoeneß über gemeinsame Erfolge wie das in 50 Jahren Bundesliga immer noch einmalige Triple, sprach Heynckes seine Hochachtung aber vielmehr aufgrund dessen Persönlichkeit aus.
"Jupp war immer für mich und meine Familie da. Auch in der letzten, sehr schwierigen Zeit, als meine Frau alleine zuhause war, standen die Telefone selten still. Zu meinem Geburtstag hat Jupp uns ein Video geschenkt, für das er angeblich mehr als 100 Stunden Arbeit investiert hat. Das hat uns alle aufgebaut und uns sehr geholfen."
Auch das vertrauensvolle Verhältnis der beiden mache Hoeneß noch heute stolz. So beschrieb er, wie Heynckes 2011, als Bayern um die Qualifikation für die Champions League bangen musste und dringend einen neuen Trainer brauchte, nur eine halbe Stunde benötigte, um seine Hilfe zuzusagen. Bis zum Ende der Saison war nicht ein einziges Mal über Geld gesprochen worden.
"Jupp, ich verneige mich vor Deinem Lebenswerk, Du bist ein Vorbild, wie es der Fußball selten vorgebracht hat", beendete Hoeneß seine Rede.
Schuhbeck bekochte 40 Heynckes-Gäste
Nach der Übergabe des Ehrenrings der Stadt und der Unterschrift im Goldenen Buch trat Heynckes selbst ans Rednerpult. Mit vor Ergriffenheit brüchiger Stimme und mehrfach um Fassung ringend bedankte er sich bei seinen Vorrednern und beschrieb, wie außerordentlich stolz er sei, die Ehrung entgegennehmen zu können. Anschließend ging er auf fast jeden der anwesenden Gäste ein.
Er sprach die ehemaligen Mitspieler aus der Fohlenelf an, von der fast ein Dutzend anwesend war, Heynckes erinnerte an vergangene Zeiten und erzählte, wie Freundschaften entstanden.
Günther Netzer, der weiße Pele, Herbert "Hacki" Wimmer, der die Kilometer abspulte, die Netzer nicht machte, oder Christian Kulik, der Xavi der 70er Jahre: Jupp hatte zu jedem seiner Weggefährten eine kleine Anekdote im Gepäck.
Alfons Schuhbeck lernte er auf einer Reise mit dem FC Bayern nach Portugal kennen, bei der man Wind davon bekommen hatte, dass die Portugiesen Abführmittel ins Essen mischen sollten. Seitdem habe Schuhbeck schon dreimal bei Heynckes gekocht, einmal für mehr als 40 Personen.
Heynckes setzt sich für andere ein
Bei all der Freude lag es Heynckes aber auch am Herzen, an die Menschen zu erinnern, denen es nicht so gut geht wie der Ehrengesellschaft im Haus Erholung. "Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie gut es sich anfühlt, sich als Fremder in einem anderen Land willkommen zu fühlen", entsann sich Heynckes und nutze die allein für ihn bereitete Bühne selbstlos und gedankenvoll.
Den emotionalsten Moment des Nachmittags hatte er sich allerdings für den Schluss vorbehalten. Nach seiner eigentlichen Rede und minutenlangen Standing Ovations für den Träger des Ehrenrings sprach Heynckes mit tränenfeuchten Augen über seinen alten Freund Gerd Müller, der aufgrund seiner Demenz-Erkrankung nicht in Mönchengladbach sein konnte und bat den gesamten Saal, einen Applaus nach München zu schicken und Müller und seiner Familie viel Kraft zu wünschen.
Erneut erhoben sich alle und klatschen. Nicht nur, um Heynckes' Bitte nachzukommen, nicht nur um Gerd Müller alles Gute zu wünschen, sondern auch, um Josef "Jupp" Heynckes Respekt zu zollen.
Respekt für einen Mann, der selbst bei der Ehrung seiner eigenen Person mehr an andere denkt als an sich selbst.
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