"Götze ist wie ein Schalker"

Andreas LehnerJochen TittmarThomas Gaber
23. März 201618:13
Mario Götze wechselte 2013 von Borussia Dortmund zum FC Bayern Münchengetty
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Beim FC Bayern München nur Edelreservist, bei Borussia Dortmund angeblich wieder hoch im Kurs. Wie geht es weiter für Mario Götze? Hat er noch eine Zukunft in München oder passt er besser zum BVB? Die SPOX-Redakteure Andreas Lehner, Jochen Tittmar und Thomas Gaber sowie mySPOX-User Roy_Harper diskutieren.

Sollte der FC Bayern Götze im Sommer verkaufen?

Andreas Lehner (SPOX): Bayern wird Götze nur behalten, wenn ihn Ancelotti unbedingt haben will. Aber der Italiener ist Pragmatiker und kein Taktik-Ideologe, einen so klaren Spielstil wie Guardiola hat er nicht. Er kann mit und ohne Götze arbeiten, er macht das Beste aus dem Kader, dem ihn der FC Bayern hinstellt. Und Götze wird dem wohl nicht mehr angehören. Schon vor der Saison war von Rummenigge und Sammer zu hören, dass Götze im dritten Jahr liefern müsse. Drei Spielzeiten müssen reichen, um den Durchbruch zu schaffen. Das ist ihm nicht gelungen. Bayern wird ihn verkaufen und die zweistellige Ablösesumme mitnehmen.

Jochen Tittmar (SPOX): Nicht bevor ein Gespräch zwischen dem Spieler und Neu-Coach Carlo Ancelotti stattgefunden hat. Sollte danach feststehen, dass der Italiener auf Götze verzichten kann, dann ist ein Verkauf fast unumgänglich. Will Ancelotti Götze aber im Kader behalten, kann ein spielfitter Götze, der für mich weiterhin ein begnadeter Kicker ist, auch dem FC Bayern weiterhelfen. Fest steht: In beiden Fällen haben die Bayern das Heft des Handelns fest in der Hand.

Thomas Gaber (SPOX): Das entscheidet allein Carlo Ancelotti. Götze pocht auf ein Gespräch mit dem neuen Trainer, der sich sicher bereits Gedanken gemacht hat, inwieweit er den Spieler braucht. Die Gleichung ist denkbar einfach: Setzt Ancelotti auf Götze, bleibt er, kann er sich Bayern auch ohne Götze vorstellen, geht er. Ich bin immer noch überzeugt, dass sich Götze bei Bayern durchsetzen kann, dafür hat er als Fußballer nach wie vor genügend drauf.

mySPOX-User Roy_Harper: Bayern sollte sich bei der Entscheidung an Götze wenden und es mit ihm abstimmen. Götze wirkt beim FC Bayern gehemmt und scheint für das derzeitige System unter Pep eher ein Notnagel als eine vernünftige Alternative zu sein. Bayern, Mario Götze und Carlo Ancelotti sollten das mal in Ruhe besprechen und dann auf dieser Basis eine Entscheidung fällen; der FC Bayern ist bekannt dafür, Spieler, die nicht glücklich sind oder wechseln wollen, auch vernünftig zu behandeln und zu verabschieden.

Passt Götze zum Dortmunder Spielstil unter Thomas Tuchel?

Andreas Lehner (SPOX): Der BVB-Fußball hat sich unter Tuchel verändert, klar. Aber in meinen Augen eher zu Götzes Vorteil. Technisch starke Spieler mit guten Passspiel und Lösungen in engen Räumen passen zu Tuchels Spielstil. Bei Bayern hat man gesehen, dass Götze kein Mann für die Außen ist, hier will auch Tuchel mehr Schnelligkeit. Aber auf der Halbposition spielen aktuell auch Spieler wie Castro und Kagawa, diese Rolle würde Götze auch liegen.

Jochen Tittmar (SPOX): Vielleicht nicht auf den offensiven Außenbahnen, da ihm dort die nötige Endgeschwindigkeit fehlt. Pendelnd zwischen Zentrum und Halbraum ist Götze jedoch absolut denkbar. Er ist passsicher, wendig und kann sich dynamisch aus engen Räumen befreien. An mangelnder Anpassung an Tuchels Stil sollte es nicht scheitern.

Thomas Gaber (SPOX): Götze hat immer wieder betont, dass er am liebstem zentral offensiv spielt. Auch leicht versetzt auf einer Halbposition fühlt er sich wohl. Insofern würde er ideal zum BVB passen, da dort noch Verbesserungsbedarf besteht. Engste Räume aufzulösen, für den Gegner unvorhersehbare Pässe spielen - das liegt Götze im Blut.

mySPOX-User Roy_Harper: Götze ist ein grandioser Kombinationsfußballer, der auch mal Gegenspieler binden kann. Von daher würde er außer bei Bayern in jeder Bundesligamannschaft unumstrittener Stammspieler sein. Ich traue Tuchel zu, Götzes Selbstvertrauen wieder aufzubauen und ihn sportlich so zu integrieren, dass er Leistung zeigen würde. Für die Offensive des BVB wäre er in jedem Fall eine Bereicherung.

Ist eine Rückkehr Götzes den BVB-Fans vermittelbar?

Andreas Lehner (SPOX): Es würde auf jeden Fall viel Vermittlungsarbeit auf die Verantwortlichen in Dortmund zukommen. Götzes Wechsel nach München hat mehr als leichte Antipathie hervorgerufen. Eine Rückkehr, weil er es in München nicht gepackt hat, würden ihm auch wieder viele übernehmen. Aber am Ende läge es an Watzke, Zorc, Tuchel und an Götze selbst, den Großteil der Anhänger wieder auf seine Seite zu ziehen. Er sollte halt nicht gleich nach seinem ersten Tor das BVB-Wappen küssen.

Jochen Tittmar (SPOX): Fifty-fifty. Götze ist wie ein Schalker, für die Dortmunder Anhänger seit seinem Wechsel eine Persona non grata. Seine damalige Vorgehensweise war für zahlreiche Fans ein Stich ins Herz - und den verzeiht nicht jeder. Ich könnte mir jedoch vorstellen, dass man beim BVB derzeit die Antennen ausfährt, um zu sehen, wie auf die Watzke-Aussagen ("Mario tut mir leid") und die aktuellen Gerüchte im schwarzgelben Umfeld reagiert wird. Tuchel wäre jedenfalls in der Lage, einen Götze-Neuanfang beim BVB vernünftig zu moderieren und damit positiv auf die Anhänger einzuwirken.

Thomas Gaber (SPOX): Es wird einige Unverbesserliche geben, die ihm den Wechsel zu Bayern nie verzeihen werden. Das ist durchaus verständlich, gerade in so einer emotional fußballverrückten Stadt wie Dortmund. Aber was hätten die BVB-Fans davon, wenn sie den verlorenen Sohn nicht wieder aufnehmen würden? Gündogan hat sich mit seinem albernem Vertragspoker in die Nesseln und viel aufs Spiel gesetzt - und wird mittlerweile wieder in ganz Dortmund geliebt. Das würde im Fall der Fälle bei Götze ähnlich laufen.

mySPOX-User Roy_Harper: Sahin oder Kagawa haben gezeigt, dass es geht. Vor allem Sahin, der sich vor seinem Wechsel "unglücklich" äußerte, scheint bestens mit den Fans klar zu kommen. Auch Gündogan, der ja vor der Saison mit schlechtem Vertragspoker für Unmut unter den Fans sorgte, ist mittlerweile kein Feindbild bei den Fans mehr. Geht Götze zurück und bringt Leistung, ist der Wechsel nach München schnell vergessen. Er wird vielleicht kein unumstrittener Publikumsliebling mehr, aber akzeptieren werden sie ihn allemal.

Geht Guardiola sensibel genug mit Götze um?

Andreas Lehner (SPOX): Profi-Fußball ist ein hartes Geschäft und aus sportlicher Sicht ist Guardiola nichts vorzuwerfen. Götze war lange verletzt, hat so gut wie keine Vorbereitung absolviert und die Spiele gegen Darmstadt, Wolfsburg, Mainz und Dortmund waren in ihrem Verlauf nicht so, als dass man einem nicht total fitten Spieler einfach hätte Praxis vermitteln können. Ob Guardiolas Aussagen in der Vergangenheit ("Ich liebe Mario Götze", "Er ist der beste Profi, den ich kennengelernt habe") unbedingt nötig waren, kann man bezweifeln, aber im Moment muss man auch feststellen, dass Guardiola auf jeder für Götze möglichen Position einen besseren Spieler zur Verfügung hat. Oder soll Guardiola Müller draußen lassen?

Jochen Tittmar (SPOX): Ja. Guardiola darf als Trainer keine Rücksicht auf Einzel-Schicksale nehmen. Ganz egal, wie sehr ein Spieler oder dessen persönliche Situation polarisiert. Götze muss nach seiner monatelangen Abstinenz Geduld beweisen, schließlich steht die Konkurrenz in der Offensive voll im Saft. Zudem waren die letzten Partien der Bayern - mit Ausnahme des Heimspiels gegen Bremen, bei dem Götze auch spielen durfte - sehr umkämpft. Daher ist es verständlich, wenn ein Trainer darauf verzichtet, einem Langzeitverletzten noch zehn Minuten Spielzeit zu schenken.

Thomas Gaber (SPOX): Götze hat auch unter Guardiola sehr gute Spiele gemacht und war zwischendurch gesetzt. Letztlich hat ihm in den letzten zweieinhalb Jahren immer wieder der Körper einen Strich durch die Rechnung gemacht, dafür kann ja Guardiola nichts. Ein fitter Götze ist für jede Mannschaft der Welt ein Gewinn, derzeit setzt Guardiola halt trotzdem auf andere und die Ergebnisse geben ihm Recht.

mySPOX-User Roy_Harper: Das kann außer Götze wahrscheinlich niemand beantworten. Pep hat zu anderen Stars, die unter ihm trainierten, nicht immer ein gutes Verhältnis gehabt, aber daraus lässt sich auch nicht auf seinen Umgang mit Götze schließen. Wenn ich heute den Arbeitgeber wechsle, weil ich es mir da schöner vorstelle und die Bezahlung besser ist, kann es trotzdem passieren, dass ich mit Vorgesetzten und Kollegen menschlich nicht klar komme und ich deswegen keine Leistung bringen kann. Ist dann mein Vorgesetzter schuld? Bin ich schuld? Sind die Kollegen schuld?

War Götzes Wechsel zum FC Bayern ein Fehler?

Andreas Lehner (SPOX): Götze war der aufgehende Stern am deutschen Fußballhimmel, Bayern nach wie vor das Nonplusultra der Branche und mit Guardiola übernahm der weltbester Trainer in München. Es kam zusammen, was zusammengehörte - so schien es zumindest. Jetzt weiß man, dass sich die Erwartungen beider Seiten nicht erfüllt haben. Götzes nächster Schuss sollte besser sitzen. Die Rückkehr nach Dortmund birgt viele Risiken, vielleicht heißt die Lösung auch Jürgen Klopp.

Jochen Tittmar (SPOX): Im Nachhinein ist man ja immer schlauer. Die Art und Weise, wie der Transfer damals publik wurde, war für Götzes Image ein Desaster. Dass er aber den Weg nach München und zu Guardiola wählte, absolut nachvollziehbar. Seine Zeit in München lief für ihn sicherlich nicht wie gewünscht, er wollte unter Pep auf die nächste Stufe kommen. In den großen Partien regelmäßig auf der Bank zu sitzen, ist das Gegenteil davon und eine Enttäuschung, der Wechsel an sich aber kein Fehler.

Thomas Gaber (SPOX): Er verließ Dortmund, um unter Guardiola zu arbeiten. Diese Entscheidung ist absolut nachvollziehbar. Abgesehen davon ist Bayern München in allen Bereichen ein Stück größer als Borussia Dortmund. Inwiefern soll er da also falsch gelegen haben?

mySPOX-User Roy_Harper: Wieso soll es ein Fehler gewesen sein? Er hat es versucht und scheinbar passt es nicht. So kann er sich wenigstens nicht vorwerfen, er hätte es nicht versucht. Wäre er beim BVB geblieben und in ein Leistungsloch gefallen, hätte man gesagt, es war ein Fehler nicht zu Bayern gehen. Es war in erster Linie eine Erfahrung für ihn, die ihm in seiner weiteren Karriere - egal wie diese aussehen wird - hoffentlich helfen wird. Ich will Götze spielen sehen, auf dem höchstmöglichen Niveau. Wenn das beim BVB sein muss, dann ist es so!