SPOX: Herr Frontzeck, kurz vor Weihnachten sind Sie nach knapp neunmonatiger Tätigkeit als Trainer von Hannover 96 zurück getreten. Wie haben Sie die Zeit seitdem verbracht?
Michael Frontzeck: Ich bin relativ schnell in mein Zuhause nach Mönchengladbach zurückgekehrt, da ich dort im Kreise meiner Familie immer sehr schnell wieder zur Ruhe kommen kann. Ich schaue sehr viel Fußball und gehe meinen privaten Hobbies wie Golf spielen oder Lesen nach. Hannover war extrem intensiv, gerade der kurzfristige Einstieg am Saisonende im Vorjahr. Im bezahlten Fußball mit all seinen Facetten zu arbeiten ist heutzutage sehr belastend, das sieht man leider auch an den letzten gesundheitlichen Schwierigkeiten von Trainer-Kollegen. Ich bewundere daher die Leute, die sich trotz der seltenen Freizeit auch einmal für ein paar Stunden herausnehmen und abschalten können.
SPOX: Sie sind also in gewisser Hinsicht auch froh über die Möglichkeit, durchatmen zu können?
Frontzeck: Natürlich, obwohl froh sicher die falsche Begrifflichkeit ist. Es tut einfach gut, durchatmen zu können. Dieses ständige Schneller-Weiter-Höher ist ja ein Phänomen, das mittlerweile für unsere gesamte Gesellschaft gilt. Alles ist sehr hektisch und umtriebig geworden. Es war jedoch nicht so, dass ich müde vom Job gewesen wäre oder keine Chance mehr in der Rückrunde gesehen hätte.
SPOX: Hätten Sie in der Zwischenzeit bereits die Möglichkeit gehabt, irgendwo wieder einzusteigen?
Frontzeck: Es gab Anfragen, die ich aber sofort abgelehnt habe. Mir kommt es sehr darauf an, welches Gefühl ich für einen Verein entwickle. Ich habe in Marc Kosicke einen tollen Freund und Berater, mit dem ich einen guten Austausch pflege. Er weiß, in welche Richtungen ich gehen würde und in welche eher nicht.
SPOX: Wie wäre es denn eigentlich mit einem Job im Ausland, als Spieler waren Sie 1996 ja mal für ein Jahr bei Manchester City?
Frontzeck: Vor dem Engagement in Hannover hatte ich ein paar Tage lang mit einem Traditionsverein in Dänemark verhandelt. Ich habe mir das dort angeschaut und interessante Gespräche mit den Verantwortlichen geführt. Das war wirklich professionell. Das Ausland ist für die Zukunft sicherlich ein Thema.
SPOX: Wann und wie kam denn die Zusammenarbeit mit Kosicke zustande?
Frontzeck: Ich bin auf ihn aufmerksam geworden, als ich 2011 bei Borussia Mönchengladbach entlassen wurde. Ein Berater, der ausschließlich Trainer betreut, ist ja einzigartig in Deutschland. Wir haben uns dann getroffen und gleich gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge liegen. Marcs Gruppe an Trainern trifft sich beispielsweise einmal im Jahr zu einer Weihnachtsfeier. Dann wird gekickt, gegessen und geplaudert. Das ist sehr angenehm, da man sich dort in einem Umfeld trifft, das es so leider sonst nicht gibt. Man nimmt sich nicht nur als Konkurrenten wahr, sondern der Austausch ist wirklich gewinnbringend.
SPOX: Wäre das etwas gewesen, was Sie schon deutlich früher in Ihrer Karriere benötigt hätten?
Frontzeck: Schwer zu sagen. Mir ging es nicht darum, dank ihm bessere Verträge zu bekommen. Er ist sehr gut vernetzt, wir sind Freunde geworden und es ergibt Sinn, jemanden an seiner Seite zu haben, mit dem man berufliche Themen diskutieren kann. Es hilft, dass er viele Dinge aus einem anderen Blickwinkel heraus beurteilen kann.
SPOX: Zu welchem Anteil war es Kosicke zu verdanken, dass Sie im April 2015 wieder einen Job in der Bundesliga bekommen haben?
Frontzeck: Das war irgendwo auch reiner Zufall. Dass ein Trainer am Saisonende ausschließlich für die letzten fünf Spiele verpflichtet wird, kam bislang ja nicht häufig vor. Die ganze Geschichte hat sich damals innerhalb von ein paar Stunden entschieden, so dass ich dann nach längeren Gesprächen mit Marc zugesagt habe.
SPOX: Sie wurden am 6. November 2013 beim FC St. Pauli beurlaubt. Es überraschte daher einige, als Sie bei 96 anheuerten. Können Sie es nachvollziehen, wenn man Sie nicht mehr richtig auf dem Zettel hatte?
Frontzeck: Bei wem ich noch auf dem Zettel stehe oder nicht, interessiert mich eigentlich recht wenig. Es gibt immer wieder Phasen, in denen nichts passiert - oder auch welche, in denen mehrere Angebote gleichzeitig auf dem Tisch liegen. So war es auch in der Phase letzten Sommer kurz vor Ende der Saison. Aus dem Nichts kam dann der Anruf aus Hannover. Ich war 2004/2005 dort schon einmal Co-Trainer unter Ewald Lienen und kannte also den Verein. Das Angebot für in Anführungszeichen nur fünf Spiele hörte sich zunächst zwar etwas komisch an, doch nach Rücksprache mit meinen Vertrauten habe ich mich für diese Erfahrung entschieden. Im Nachhinein war der Klassenerhalt für den Klub und mich eine runde Sache.
SPOX: Wieso war es Ihnen nicht zu gefährlich, sich bei einem möglichen Abstieg die Finger zu verbrennen?
Frontzeck: Natürlich war Hannover ein Risiko - sicherlich auch für beide Seiten und nicht nur für mich. Hätten wir den Klassenerhalt damals nicht geschafft, würden jetzt meine und die Beurteilung des Vereins anders ausfallen. Dieser Gedanke war für mich aber in dem Moment abgehandelt, als ich mit der Mannschaft zusammen war. Dann ist man so fokussiert auf diese Aufgabe und denkt nicht daran, was passieren würde, wenn es nicht wie gewünscht funktioniert.
SPOX: Hatten Sie während der eineinhalbjährigen Pause die Befürchtung, nicht mehr auf das Trainer-Karussell aufspringen zu können?
Frontzeck: Nein. Diesen Druck mache ich mir überhaupt nicht. Ich bin nach meinem Aus beim FC St. Pauli nicht gierend durch die Gegend gelaufen und habe geschaut, wo ein Platz für mich frei wäre. Das ist vielleicht auch Veranlagung. (lacht) Trotzdem möchte man natürlich lieber arbeiten, das bloße Geldverdienen stand bei mir aber noch nie im Vordergrund.
SPOX: In Hannover geriet die öffentliche Wahrnehmung Ihrer Person schnell sehr kritisch, Sie mussten im Laufe der aktuellen Saison mehrere sogenannte Endspiele bestreiten. Haben Sie so etwas schon einmal zuvor erlebt?
Frontzeck: Nein. Ich wusste zwar, was auf mich zukommen würde. Wie polemisch und populistisch jedoch berichtet wurde, war seltsam und hat mich dann doch verwundert.
SPOX: Wie kam es denn in Ihren Augen dazu?
Frontzeck: Dazu müsste ich ein wenig ausholen.