"Traurig, nicht Bayern-Jäger zu sein"

Klaus Allofs ist optimistisch, im kommenden Jahr wieder um Europa zu spielen
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Nach dem Pokalsieg im Vorjahr hatte Klaus Allofs mit dem VfL Wolfsburg eine schwere Saison 2015/16 erwartet. Dass der Verein die internationalen Plätze aber so deutlich verpasst, enttäuscht auch den Manager. Im Interview spricht er über ausbleibende Schadenfreude, den Umgang mit dem Begriff 'Bayern-Jäger', fehlende Qualität im Kader und den bevorstehenden Umbruch.

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SPOX: Herr Allofs, hätte Ihnen vor der Saison jemand gesagt: Nach dem 33. Spieltag stehen Sie hinter Hertha und Mainz beziehungsweise in der gleichen Tabellenregion wie Köln und Ingolstadt. Ganz ehrlich, was hätten Sie dem entgegnet?

Klaus Allofs: Ich hätte natürlich dagegengehalten, ganz klar. Man muss die positive Entwicklung von Hertha oder auch Ingolstadt honorieren, jedoch ist unser Anspruch ein anderer. Wenn Sie mir gesagt hätten, wir werden an achter oder neunter Stelle stehen, hätte ich geantwortet: 'Nein, wir werden ganz sicher besser sein.' Wir haben mit einer schweren Saison gerechnet. Dennoch bin ich davon ausgegangen, dass wir in der Lage sind, uns für den internationalen Wettbewerb zu qualifizieren.

SPOX: Die letzte Saison mit dem Pokalsieg und der Vizemeisterschaft war für den VfL sicher ein ganz großer Schritt nach vorne. Muss man die aktuelle Spielzeit aber als Schritt zurück bewerten?

Allofs: Von den Ergebnissen her ist es ein Rückschritt. Wir haben in der Bundesliga keine Voraussetzungen für die Zukunft geschaffen. Die sollte bei uns permanente Qualifikation für die Champions League heißen. Wir haben uns im letzten Jahr sehr schnell entwickelt. Da kann es immer sein, dass die Mannschaft noch nicht so gefestigt ist. Trotzdem dachten wir, dass wir schon ein Stück weiter sind. Wir wollen und dürfen das Jahr aber nicht nur anhand dieses Aspekts bewerten.

SPOX: Sondern?

Allofs: Es gilt, alle Bereiche zu analysieren. Das Abschneiden in der Bundesliga wirft uns nicht aus der Bahn. Wir müssen auch nicht alles in Frage stellen. Finanziell war die Saison ein riesiger Fortschritt - so erfolgreich waren wir nie zuvor. Vor allem durch die Champions League haben wir auch sportlich viel dazugelernt. Wir wollen die Erfahrungen aus dieser Saison - positiv wie negativ - nutzen, um uns nächstes Jahr wieder für die Champions League zu qualifizieren.

SPOX: Schon in der Hinrunde fanden Sie und Dieter Hecking immer wieder mahnende Worte in Richtung Mannschaft. Man hatte aber das Gefühl, dass einige Spieler erst nach dem Ausscheiden in der Champions League den Ernst der Lage erkannten. Haben Sie das Gefühl, ein Teil des Teams hat die Wichtigkeit der Bundesliga bei aller Aufregung Königsklasse aus den Augen verloren?

Allofs: Ich kann Ihnen das nicht abschließend beantworten. Die Mannschaft hätte die Aufgaben in der Bundesliga besser erledigen können, dazu hat sie das Potenzial. Man muss aber auch sehen, dass das Engagement in der Champions League Energie gekostet hat - nicht nur körperliche, sondern auch mentale. Vielleicht waren die Spieler dahingehend überarbeitet.

SPOX: Man hatte in vielen Ligaspielen aber nicht das Gefühl, als sei die Mannschaft überbelastet - ob physisch oder psychisch. In der Champions League, vor allem im Duell mit Real Madrid, zeigte das Team, wozu es in der Lage ist. Muss man da nicht ein Stück weit die Charakterfrage stellen?

Allofs: Nein, es ist keine Frage des Charakters. Wir müssen die Frage nach der Qualität stellen. Der VfL muss einen Kader haben, der in der Lage ist, der Vielzahl von Belastungen standzuhalten. Bayern München ist das leuchtende Beispiel. Wir müssen und werden zur neuen Saison ein paar Dinge verändern. Das ist ein ganz normaler Vorgang.

SPOX: Sie haben aber auch vor dieser Saison viel in die Mannschaft investiert. Einige andere Vereine zogen ihren Hut vor den Verpflichtungen von Julian Draxler, Max Kruse oder Dante. Die hatten ihre Qualität schon unter Beweis gestellt - auch in der Bundesliga.

Allofs: Es reicht aber nicht, wenn nur Einzelne die geforderte Qualität haben. Wir müssen sie im ganzen Kader haben. Qualität ist außerdem nichts, was man einmal erreicht und anschließend immer hat. Man muss sie unter Beweis stellen und kann sie immer weiter steigern. Daran erkennt man auch, dass Potenzial und Qualität zwei verschiedene Dinge sind.

SPOX: Können Sie das beispielhaft auf Ihren Kader anwenden?

Allofs: Das Potenzial von Julian Draxler ist zum Beispiel riesig. Da gehört er zum Besten, was wir in Deutschland haben. Bei der Qualität, die er dauerhaft abrufen kann, ist er aber noch nicht an seine Grenzen gestoßen. Da ist noch Luft. Das gilt natürlich auch für Andre Schürrle, Max Kruse oder viele andere Spieler aus der Mannschaft. Das Potenzial ist aktuell größer als die Qualität.

SPOX: Entsprechend fielen im Lauf der Saison weiterhin die Namen Kevin De Bruyne und Ivan Perisic. Glauben Sie immer noch, dass deren Abgänge eine so große Rolle gespielt haben?

Allofs: Ja. Mit ihnen, aber auch mit Aaron Hunt, haben wir wichtige Spieler verloren. Denn viele Dinge, die sie eingebracht haben, konnten die Neuen nicht im gleichen Maße einbringen - seien das im Fall von Kevin de Bruyne und Ivan Perisic die vielen Tore oder auch Vorlagen.

SPOX: Also hat Draxler für Sie noch nicht die gleiche Qualität wie beispielsweise De Bruyne?

Allofs: Das soll es im Umkehrschluss nicht bedeuten. Die gesamte Mannschaft hat es nicht geschafft, sich auf die personellen Veränderungen einzustellen. Das Team war mit Kevin und Ivan eingespielt. Seitdem sie weg sind, haben wir die neue Erfolgsformel noch nicht gefunden. Zu wenige Spieler haben ihre Leistung aus dem Vorjahr bestätigt. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir auf den erfolgreichen Weg zurückkehren werden.

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