Existenzängste, Rachegelüste, Fan-Feindschaften: Die Emotionen kochen hoch vor der nervenaufreibenden Bundesliga-Relegation zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Nürnberg. Von "zwei Endspielen im Europapokal-Modus" spricht Eintracht-Coach Niko Kovac - und in der Tat: Es steht viel, verdammt viel auf dem Spiel.
Während der Club mit aller Macht in die Beletage des deutschen Fußballs zurückkehren und so den finanziellen Abgrund verlassen will, wollen die Frankfurter diesen keinesfalls erreichen. Bei einem Abstieg drohen alleine bei den TV-Geldern Verluste von 15 Millionen Euro. Zudem müsste der Spieleretat um rund 18 Millionen Euro zusammengestrichen werden. Außerdem soll die Eintracht einen neuen, spendableren Hauptsponsor in der Hinterhand haben - doch hängt auch dessen Unterstützung von der Ligazugehörigkeit ab.
"Ich bin nicht so naiv"
Die Millioneneinbußen sollen mit kontrollierter Offensive verhindert werden. "Wir dürfen nicht alles auf eine Karte setzen. Es gibt vier Tage später noch ein Rückspiel", sagte Kovac vor dem ersten Duell am Donnerstag (20.30 Uhr im LIVETICKER) in der Frankfurter WM-Arena und fügte hinzu: "Wir müssen in unserer Planung beide Spiele im Auge haben. Ich bin nicht so naiv, um an eine Entscheidung schon im Hinspiel zu glauben."
Ohnehin wird vieles im Kopf entschieden, wenn sich eine gesamte Saison plötzlich auf 180 Minuten reduziert. "Es wird die Mannschaft verlieren", mutmaßt Frankfurt-Keeper Lukas Hradecky, "die mehr Angst hat. Wir sind positiv, wir müssen da stärker sein."
Die Psychospielchen begannen schon weit vor dem Anpfiff, und Nürnbergs Trainer Rene Weiler erhöhte dabei den Druck auf die Hessen. "Wir sind nicht die Favoriten", sagte der Schweizer. Aber: "Mut, Zuversicht und Freude sind groß." Auf der anderen Seite lobte Sportdirektor Bruno Hübner die Franken, er sprach von einem "sehr starken" Gegner, der "keinesfalls" unterschätzt werden darf.
Ausschlaggebend für Erfolg und Misserfolg, für Tränen der Freude und des Leids könnten die Torhüter werden. Auch wenn Frankfurt in Hradecky einen Top-Keeper besitzt - der Vorteil liegt beim Club und Raphael Schäfer. Der besitzt nämlich anders als Hradecky bereits Relegations-Erfahrung und weist eine bärenstarke Statistik aus: Als sich die Franken 2009 und 2010 in den insgesamt vier Duellen um Auf- und Abstieg durchsetzten, kassierte der 37-Jährige kein einziges Gegentor. Vom "Relegations-Monster" schrieben Frankfurter Medien schon fast ehrfürchtig.
"Ich werde versuchen, den Jüngeren den Druck zu nehmen", sagte Schäfer: "Sie sollen einfach die Geilheit auf die Spiele behalten. Die Rolle des Favoriten liegt beim Bundesligisten. Er hat den größeren Druck und daher auch mehr zu verlieren."
SGE hat mit Rettungen Erfahrung
Auf die Frankfurter trifft das nur bedingt zu. Natürlich zählt für die Hessen nur der Verbleib in der Bundesliga, und selbstverständlich käme alles andere einer Katastrophe gleich.
Doch da die SGE vor wenigen Wochen noch als sicherer Absteiger gehandelt worden war, herrschen am Riederwald wieder Aufbruchstimmung und auch Zuversicht. "Negative Gedanken dürfen wir nicht zulassen", mahnte Hübner. Der zum Saisonende scheidende Vorstandsboss Heribert Bruchhagen ist dabei "überzeugt, dass das Team die nötige Moral zeigen und über die Relegation zum Erfolg kommen wird."
Mit Rettungen in letzter Minute hat die Eintracht ja auch Erfahrung. 1999 hatte sich Frankfurt durch ein spektakuläres 5:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern am letzten Spieltag im Oberhaus gehalten. Die Leidtragenden im Fernduell waren die Nürnberger, die die Chance zur Revanche nutzen wollen. Nicht zuletzt die Ereignisse von damals haben die Feindseligkeiten der Ultra-Gruppierungen beider Lager verschärft, Nürnberger Anhänger sollen in Frankfurt zuletzt S-Bahnen mit dem Schriftzug "Scheiß SGE" beschmiert haben.
Vor einer gewaltigen Aufgabe stehen daher auch die Sicherheitskräfte, allein 500 Beamte sollen am Donnerstag rund um das Stadion für Ordnung sorgen. "Wir wissen um die Brisanz des Spiels", sagte Frankfurts Polizeisprecherin Virginie Wegner der Bild-Zeitung. Die arg verfeindeten Fan-Gruppierungen sollen "strikt getrennt" werden.
Die voraussichtlichen Aufstellungen
Frankfurt: Hradecky - Regäsel, Abraham, Russ, Oczipka - Hasebe, Stendera - Aigner, Huszti, Ben-Hatira - Meier. - Trainer: Kovac
Nürnberg: Schäfer - Brecko, Margreitter, Bulthuis, Sepsi - Behrens, Möhwald - Kerk (Gislason), Leibold - Füllkrug, Burgstaller. - Trainer: Weiler
Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin)