"Warum gerade zu dieser Chaostruppe?"

Jochen RabeFrank OschwaldNino Duit
31. August 201621:55
Serge Gnabry wechselte von Arsenal nach Bremenimago
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Serge Gnabry bricht seine Zelte beim FC Arsenal ab und wechselt zu Werder Bremen. Doch macht dieser Wechsel Sinn? Wird er Bremen weiterhelfen können? Und hätte er sogar die Qualität, die Bayern weiterzubringen? Drei Redakteure und User Becks23 diskutieren in der SPOX-Fünferkette.

Ist es für Arsenal sinnvoll, Gnabry ziehen zu lassen?

Jochen Rabe (SPOX): Logisch! Bei Arsenal war er verbrannt. Er ist zwar erst 21 Jahre alt und kann sich noch entwickeln, aber auf der Insel sehen sie diese Zahl nicht. Da sieht man nur, dass Gnabry schon ewig und drei Tage bei den Gunners kickt und sich immer noch nicht durchgesetzt hat. Und dass er sich bei der Leihe zu West Brom auch nicht gerade für eine tragende Rolle empfohlen hat. Ich behaupte: Wenger hätte nicht auf ihn gesetzt. Wie bisher auch. Er reißt keinerlei Lücke in die Planungen. Deswegen konnte er auch weg.

Frank Oschwald (SPOX): Das sehe ich etwas anders. Zum jetzigen Zeitpunkt macht ein Abschied für Arsenal doch herzlich wenig Sinn. 2011 holten die Gunners einen damals 16-Jährigen und konnten ihn in den letzten fünf Jahren ganz nach ihrem Geschmack formen. Jetzt - unmittelbar vor seinem Durchbruch - lassen sie ihn ziehen. Klar, die Vertragssituation spielte bei der Entscheidung sicherlich eine Rolle. Doch ich bin mir sicher, Arsenal hat mit aller Gewalt versucht, ihn zu halten. Vermutlich reißt er aktuell nicht die Monsterlücke in die Planungen, da gebe ich dir recht. Aber wir alle wissen, wie verletzungsanfällig der gemeine Arsenal-Kicker ist. Da hätte sich vielleicht schneller als gedacht mal was getan.

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Nino Duit (SPOX): Natürlich, Gnabry ist erst 21 Jahre alt. "Erst" ist in diesem Zusammenhang mittlerweile aber nur mehr relativ. Im Oktober 2012 debütierte er einst in der Premier League für den FC Arsenal. Seitdem verstrichen fast vier Jahre, in denen sich der Offensivmann nie nachhaltig durchsetzen konnte. In der vergangenen Saison war er an West Bromwich Albion verliehen - und bekam exakt zwölf PL-Minuten. Die Verantwortlichen von Arsenal haben trotz des anfänglichen Hypes den Glauben an einen Durchbruch Gnabrys verloren, der Wechsel ist aus Sicht der Gunners deshalb absolut nachvollziehbar.

User Becks23: Arsenal muss früher oder später in den Win-Now-Modus schalten, mit oder ohne Wenger. Gnabry wird dann in der finanzkräftigen Premier League nicht das entscheidende Puzzleteil sein. Deshalb ist es richtig, die durch Olympia gesteigerte Ablösesumme einzustreichen.

Ist der Wechsel zu Werder der richtige Schritt für Gnabry?

Jochen Rabe (SPOX): Nach Olympia ist der Hype um Gnabry in Deutschland so groß, dass ein Wechsel in die Bundesliga unausweichlich war. Die Klubauswahl ist der Knackpunkt. Vielleicht hätte es gerade mit Hinblick auf die Trainerposition näher liegende Entscheidungen gegeben. Skripnik hat sich bislang nicht unbedingt als Entwickler ausgezeichnet. Wenn er länger im Amt bleibt, als die Öffentlichkeit derzeit unkt, läuft Gnabry Gefahr, zu stagnieren. Vielleicht wäre beispielsweise Leipzig mit Hasenhüttl spannender gewesen.

Frank Oschwald (SPOX): Gnabry ist bei Arsenal langsam ungeduldig geworden, so viel ist klar. Speziell dank der starken Auftritte während Olympia wird er gemerkt haben, dass er mehr kann als nur in der U23 zu kicken. Im Hinblick auf die Spielpraxis ist der Schritt also auf den ersten Blick nachvollziehbar. Doch warum gerade zu dieser Chaostruppe? Dort steht der Trainer bereits nach dem ersten Spieltag wieder vor dem Aus. Der Junge würde sich doch in einem ruhigen Umfeld deutlich besser entwickeln. Ich habe keine Ahnung, warum er sich das antut. SPOXspox

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Nino Duit (SPOX): Na gut, dass ein Wechsel an sich der richtige Schritt für Gnabry ist, steht außer Frage. Mit Werder hat er - trotz anderer interessierter Bundesligisten - eine sehr gute Wahl getroffen. Auch wenn der SVW nicht mehr die Strahlkraft von einst besitzt, bietet Bremen doch weiterhin eine ideale Plattform für junge Spieler, um sich zu entwickeln. Einst startete an der Weser Mesut Özil seine Karriere, das naheliegendste Vorbild ist aber Kevin de Bruyne. Auch er konnte sich in England nicht durchsetzen, ging nach Bremen und ist über Umwege mittlerweile eines der Aushängeschilder von Manchester City geworden.

User Becks23: Bei Arsenal hätte er nicht die Einsatzzeit bekommen, die er fordert. Deshalb ist der Wechsel aus meiner Sicht richtig. Er ist jetzt in Deutschland durch Olympia ein Gesprächsthema und kann die Popularität nutzen. Auch wenn ich ihn lieben, bei einem ruhigeren Verein wie Freiburg oder Mainz gesehen hätte.

Ist Gnabry der Richtige, um Werder weiterzuhelfen?

Jochen Rabe (SPOX): Wenn der Auftakt Eines gezeigt hat, dann dass Werder dringend spielerische Klasse braucht. Das war ein Gehacke! Da sind Bälle von Füßen gesprungen, Pässe wurden über fünf Meter ins Seitenaus gespielt. Furchtbar! Werder hat nur eine Handvoll Spieler im Kader, die richtig gut mit dem Ball umgehen können. Wenn davon wie gegen Bayern drei fehlen, wird es dünn. Der Klub musste zwingend noch einen technisch beschlagenen Spieler nachlegen. Das geringe Alter ist da nebensächlich. Das macht Claudio wett.

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Frank Oschwald (SPOX): Das stimmt, auf den ersten Blick macht der Deal natürlich Sinn. Wenn du so einen Spieler bekommen kannst, musst du zuschlagen. Ohne Frage. Allerdings wird Gnabry in Bremen fast schon wie der nächste Heiland empfangen. Da müssen wir dann doch die Füße auf dem Boden behalten. Der Kerl ist 21 Jahre und hat in Rio jetzt erstmals so richtig seine Fähigkeiten gezeigt. Niemand hat allerdings überhaupt einen Plan, wie er in der Bundesliga zurechtkommt. Talent hat er, das ist sicher. Doch die Wunderwaffe gegen den Abstieg ist er definitiv nicht.

Nino Duit (SPOX): Aber Euphorie ist doch gerade das Stichwort! Mit Gnabry bekommt der SVW einen extrem talentierten Spieler, der genau diese entfachen kann. Trotz seiner erst 21 Jahre hat er schon einiges erlebt, zuletzt wurde Gnabry Olympia-Torschützenkönig. Wo er letztlich seinen Platz in der taktischen Formation findet, wird sich zeigen. Kurzfristig ist es durchaus denkbar, dass Gnabry ob der Verletzungen von Kruse und Pizarro zentral stürmt, langfristig ist eine Rolle als Linksaußen oder als flexibler Sturmpartner in einer Doppelspitze mit den dann wieder genesenen Pizarro oder Kruse denkbar. Eine Verstärkung ist Gnabry allemal.

User Becks23: Werder muss froh sein, einen jungen und unbekümmerten Offensivspieler zu bekommen. Das zeigt das Beispiel de Bruyne. Seine Energie und seine Unbekümmertheit kann in einer schwierigen Saison Gold wert sein.

Wie realistisch ist Gnabrys Ziel, mit Bremen im oberen Mittelfeld zu landen?

Jochen Rabe (SPOX): Was heißt schon realistisch oder unrealistisch? War es letzten Sommer realistisch, dass Hertha Siebter wird? Oder Mainz Sechster? Gegen Bayern war Werder desaströs. Nur aus dieser Leistung schon den Abstieg heraufzubeschwören, halte ich allerdings für fragwürdig. Wenn Pizarro, Kruse und Junuzovic wieder dabei sind und Gnabry zündet, sehe ich Werder nicht zwangsläufig im unteren Drittel. Klar ist die Aussage ambitioniert, aber warum nicht ambitioniert sein? Ich stoße mich an seiner Zielsetzung nicht.

Frank Oschwald (SPOX): Bremen war vor seiner Verpflichtung ein Abstiegskandidat und wird er es auch danach bleiben. Die Platzierung eines Klubs hängt von so unheimlich vielen Faktoren ab, da ist Gnabry nur ein kleines Lichtlein. Ein intaktes Teamgefüge, eine stabile Abwehr, einen Trainer mit einem klaren Konzept: Das sind die Stellschrauben, an denen Bremen schleunigst drehen muss, um nicht wieder gegen den Abstieg zu spielen.

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Nino Duit (SPOX): Diese Aussage zeugt davon, dass sich Gnabry zuletzt wohl nicht allzu intensiv mit der Bundesliga befasst hat. Mit dem aktuellen Kader ist eine Platzierung im vom Neuzugang angesprochenen oberen Tabellenmittelfeld ziemlich utopisch. Für Werder kann es in dieser Saison einzig und alleine um den Klassenerhalt gehen. Daran ändert auch der Gnabry-Transfer nichts.

User Becks23: Die letzten Jahre haben gezeigt, dass es schwierig ist, einen Platz im Mittelfeld zu bekommen. In der Regel kämpfen acht Vereine um Europa und beinahe zehn gegen den Abstieg. Einen "oberen Mittelfeldplatz" gibt es deshalb für mich eigentlich nicht. Bremen zählt zu den Kandidaten, die um den Abstieg kämpfen. Der Klassenerhalt muss das Ziel sein.

Vereinbarung hin oder her - ist Gnabry langfristig einer für die Bayern?

Jochen Rabe (SPOX): Ich bin skeptisch. Der Sprung, den Gnabry machen müsste, damit die Bayern auf ihn setzen, ist zu groß. Schaut euch doch den Leistungsstand von Kingsley Coman an. Der ist fast genau ein Jahr jünger und gefühlt schon zwei Schritte weiter. Und trotzdem wird er nicht spielen, wenn Ribery, Robben und Costa fit sind. So ist seit Jahren die Situation beim FC Bayern. Sicher beobachtet Reschke ihn - das ist sein Job - aber wenn für die Nachfolge der Flügelzange nachgelegt wird, werden die Bayern in ein höheres Regal greifen.

Frank Oschwald (SPOX): Jungs, sind wir doch ehrlich: Was wissen wir über den Kerl eigentlich? Keiner von euch kann mir erzählen, dass er in der letzten Saison mehr als eines seiner U23-Spiele mit Arsenal gesehen hat. Sollen wir jetzt anhand der paar Spiele in Rio bewerten, ob er bei einem der besten Klubs der Welt spielen soll? Das sah in den Ansätzen super aus - mehr aber auch nicht. Bayerns Mastermind Reschke war in Rio und hat sich Gnabry genau angeschaut. Wenn er den Daumen hebt, würde ich ihm da mal blind vertrauen.

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Nino Duit (SPOX): Inwieweit sich der FC Bayern in den vergangenen Tagen tatsächlich um Gnabry bemüht hat, ist unklar. Als deutscher Branchenprimus müssen die Münchner natürlich die Karrieren von allen verheißungsvollen, jungen Spielern des nationalen Marktes verfolgen. Sollte Gnabry in Bremen einen rasanten Entwicklungsschritt vollbringen, werden sich die Münchner mit ihm beschäftigen. Dass sich der FCB Gedanken um die langfristige Besetzung des linken Flügels nach einem irgendwann unausweichlichen Abschied von Ribery macht, lässt sich auch gut am angeblichen Interesse an Brandt erkennen.

User Becks23: Das Interesse an Sane, Brandt und Gnabry zeigt, dass sich der FCB bei der Robben/Ribery-Nachfolge wieder mehr mit deutschen Spielern beschäftigt. Deswegen ist ein Interesse an Gnabry der logische Schritt. Ob er sich dauerhaft als Stammspieler etablieren würde, wage ich zu bezweifeln.