Zsolt Löw ist ein langjähriger Begleiter von Ralf Rangnick und arbeitet seit 2012 für verschiedene Teams von Red Bull als Co-Trainer. Zuerst war er in Liefering, dann in Salzburg und jetzt ist er in Leipzig die rechte Hand von Trainer Ralf Hasenhüttl. Wer das erste mal ein Training bei RBL verfolgt, könnte denken, Löw sei der Chef, so lautstark wie er Kommandos gibt und die Übungen leitet. Im Interview spricht der Ungar über seine Rolle, die Entwicklung im System Rangnick und eine Zukunft als Chef-Trainer.
SPOX: Herr Löw, können Sie sich eigentlich noch an Ihren ersten Kontakt mit Ralf Rangnick erinnern?
Zsolt Löw: Die erste Begegnung war noch zu Zeiten, als Ralf Trainer bei Hannover 96 und ich Spieler bei Energie Cottbus war. Ich weiß noch, wie befremdlich es für mich zu Beginn war, als er mich nach einem doch eher verkorksten Zweitligajahr bei Hansa Rostock in die Regionalliga zu Hoffenheim holen wollte. Er rief mich an, als ich bei der ungarischen Nationalelf war. Ich konnte mir das erst überhaupt nicht vorstellen.
SPOX: Wer geht auch schon freiwillig von der 3. in die 4. Liga?
Löw: Eben, aber ich sah in Ralf schon immer einen Fachmann und eine große Persönlichkeit. Er hatte als Trainer in Ulm, bei Hannover und auf Schalke bereits sehr gut gearbeitet und einen großen Namen im deutschen Fußball. Bei einem Anruf von Ralf Rangnick legt man nicht auf. (lacht)
SPOX: Dennoch haben Sie zunächst abgelehnt.
Löw: Ja, er hat aber nicht locker gelassen und keine zwei Wochen später erneut angerufen. Im Grunde ging das so lange, bis wir uns darauf verständigt haben, uns einmal zu treffen. Er wollte unbedingt einen persönlichen Austausch, da er genau wusste, dass er mich dann überzeugt. Wir haben uns in Berlin getroffen. Er konnte mir seine Visionen mit der TSG sehr nachvollziehbar und glaubwürdig verdeutlichen. Er hat mir damals schon die Pläne für das neue Stadion und das Trainingszentrum gezeigt. Ich war hin und weg - und am Ende erreichten wir nicht nur die sportlichen Ziele in Windeseile, sondern auch die Bindung zu Ralf wurde sehr eng.
SPOX: Sie haben 2011 Ihre Profi-Karriere bei Thomas Tuchel in Mainz beendet. Wie weit waren da Ihre Gedankenspiele gediehen, ein paar Jahre später selbst als Trainer zu arbeiten?
Löw: Überhaupt nicht weit. Ich war mir aber sicher, dass ich im Fußball bleiben möchte. Als ich meine aktive Karriere beendete, hatte ich großes Heimweh. Ich war als Spieler zehn Jahre in Deutschland unterwegs und habe in dieser Zeit meine Eltern und Freunde sehr vermisst, da ich sie nur sehr unregelmäßig gesehen habe. Ich wollte einfach nur so schnell wie möglich nach Hause.
SPOX: Tuchel hatte zunächst andere Pläne. Er wollte Sie als spielenden Co-Trainer haben, der regelmäßig mit den Profis trainiert und als Bindeglied zwischen Trainerteam und Mannschaft fungiert.
Löw: Thomas hatte mich gefragt, ob ich nicht in einer anderen Funktion in Mainz bleiben möchte. Ich konnte mir das dann eigentlich auch gut vorstellen. Ich hätte nach meinen Verletzungen zwar nicht mehr auf allerhöchstem Niveau mit trainieren können, aber da wäre eine Lösung gefunden worden. Wir schafften es am Ende jedoch nicht, uns mit der Vereinsführung zu einigen. Dieses Modell, einen ehemaligen Spieler auf diese Weise zu integrieren, war wohl einfach noch zu neu.
SPOX: So konnten Sie nach dem Karriereende wie geplant in Ihre ungarische Heimat zurückkehren. Beim ungarischen Fußballverband studierten Sie Sportmanagement. Was war damals Ihr eigentliches Ziel?
Löw: Klar war: Anwalt oder Zahnarzt werde ich nicht mehr. (lacht) Ich war mir zunächst selbst nicht sicher, auf was das am Ende hinauslaufen sollte. Ich kannte das Fußballgeschäft aus dem Effeff, aber es gibt dort so viele vorstellbare Bereiche. Ich wollte mich in erster Linie einfach ausbilden lassen und meine Sinne schärfen.
SPOX: 2012 klingelte dann das Telefon, schon wieder war Ralf Rangnick am anderen Ende. Hat es Sie überrascht, dass er Sie als Co-Trainer zum FC Liefering, dem Farmteam von Red Bull Salzburg, holen wollte?
Löw: Wir hatten zwar weiterhin einen Draht zueinander, aber ich war kaum fertig mit dem Studium, als er anrief. Ich war zu dem Zeitpunkt mit Freunden auf einer USA-Reise. Er wollte wissen, wie ich mir meine Zukunft vorstelle. Ich hatte aber noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Ralf schlug vor, mich zu ihm nach Salzburg zu holen und dann vorbehaltlos zu schauen, was mir gefallen würde und wo meine Stärken liegen könnten. Wir haben uns dann auf die Stelle als Co-Trainer geeinigt und wollten nach einem Jahr Bilanz ziehen.
SPOX: War Ihnen dann gleich klar, dass es das ist, wonach Sie gesucht haben?
Löw: Ja. Ich stieß anfangs ohne Trainerschein zum Team. Als wir dann nach der ersten Saison in die 2. Liga aufgestiegen sind, habe ich die Lizenzen benötigt und parallel in Ungarn den A- und B-Schein nachgeholt. Ich habe in dieser Zeit gemerkt, dass mir der Job liegt und Ralf hat wiederum gesehen, wie ich mich weiterentwickelt habe. Und plötzlich ist man dann Co-Trainer. (lacht)
SPOX: Rangnick sieht sich in Leipzig als Trainer-Ausbilder, der gesamte Klub verfolgt auf allen Ebenen dieselben Spielprinzipien. Wie viel Rangnick steckt denn genau in Ihnen?
Löw: Sehr viel. Die Ausbildung hat sozusagen schon begonnen, als ich noch unter ihm gespielt habe. Meine gesamte Sichtweise auf den Fußball hat sich damals enorm verändert. Dieser Fokus auf Pressing und Gegenpressing, auch die detaillierte Auseinandersetzung mit diesen Themen, war ganz neu im Fußball. Dieser Stil ist auch zum Vorreiter in Deutschland geworden und wurde in Salzburg oder nun in Leipzig gelehrt, was für mich natürlich hilfreich war. Seine Denke hat mich sehr geprägt.
SPOX: Sind Sie denn einer der von Mehmet Scholl ins Leben gerufenen Laptop-Trainer?
Löw: Nein. Ich versuche einfach, ein guter Coach zu sein. Als Trainer brauchst du natürlich einen Laptop, aber ich veranschauliche die Inhalte auch gerne klassisch auf dem Platz. Es kommt für mich auf die Mischung an: Man muss sowohl die organisatorische, als auch die menschliche Seite abdecken. Es hilft dir am Ende aber alles nichts, wenn du die unterschiedlichen Komponenten nicht für die Mannschaft sozusagen übersetzen und übertragen kannst.
SPOX: Unter Rangnick wurde schon immer mit viel wissenschaftlicher Akribie gearbeitet. Das geht beim Schulen des Blickverhaltens der Spieler los, über Schlafanalyse und Darmreinigung weiter bis hin zum Gehirntraining. Wie neu waren da manche Ansätze für Sie?
Löw: Die Offenheit für solche Themen ist für mich Ralfs größte Stärke. Er ist in vielerlei Hinsicht ein Perfektionist, der nicht nur sich selbst, sondern auch sein Umfeld und vor allem die Mannschaft nach vorne bringen möchte. Er befindet sich ständig auf der Suche nach Möglichkeiten, jede Art von Fehler zu minimieren. Dadurch kommen dann auch viele neue oder unbekannte Themen auf den Tisch, die dem Menschen als Gewohnheitstier zunächst vielleicht befremdlich erscheinen. Er ist nicht der alleinige Entscheider, aber man braucht Argumente, um mit ihm sinnvoll zu diskutieren.
SPOX: Seit Sie Rangnick kennen, hat sich in seinem Leben einiges getan. Vor allem denkt man dabei an den Burnout auf Schalke. Wie sehr hat er sich mit der Zeit verändert?
Löw: Ich glaube, das ist teilweise auch einfach ein ganz natürlicher Entwicklungsprozess, den jeder Mensch durchmacht. Es war vielleicht eine Phase in seinem Leben, in der er sich viel mehr Gedanken über sich gemacht hat als zuvor. Er ist dadurch vor allem deutlich gelassener geworden.
SPOX: Sein Spielstil aber nicht, der ist weiterhin sehr kraftraubend und verzehrt viel Energie, die den Spielern schnell wieder zur Verfügung stehen muss. Wäre beispielsweise das Thema Ernährung weniger wichtig, würde man einen ballbesitzorientierteren Fußball spielen?
Löw: Das würde ich daraus nicht ableiten. Der Leistungssport ist im Allgemeinen physisch deutlich intensiver geworden, so dass die Regeneration eine immer wichtigere Rolle einnimmt. Und die bedienst du eben am besten durch Bausteine wie sportlergerechte Ernährung oder gesunden Schlaf. Auf den Fußball herunter gebrochen besteht hinsichtlich der Ernährung für mich deshalb kein Unterschied zwischen einzelnen Spielstilen.
SPOX: Sie leiten in Leipzig viele Trainingseinheiten selbst und geben klare Anweisungen auf dem Platz, während sich Ralph Hasenhüttl bisweilen eher im Hintergrund hält. Welche Rolle haben Sie konkret unter ihm?
Löw: Ich sehe mich als Dienstleister, der jedem Einzelnen dabei hilft, permanent sein Optimum an Leistung auszuschöpfen. Es ist aber nirgends festgehalten, dass ich derjenige bin, der auf dem Platz Kommandos gibt oder Übungen erklärt. In dieser Rolle kann ich Ralph Hasenhüttl allerdings dabei unterstützen, seinen kompletten Fokus auf das Wesentliche zu richten. Ich schaue, dass die Übungen vernünftig umgesetzt und sich an alle Regeln gehalten werden. Ralph kann daher etwas außerhalb stehen und beobachten, ohne sich ständig um kleinere Aufgaben kümmern zu müssen.
SPOX: Haben Sie das Ziel, einmal selbst Cheftrainer zu werden?
Löw: Ich habe mir darüber schon Gedanken gemacht und schließe das für die Zukunft auch nicht aus. Ich werde in absehbarer Zeit den Lehrgang zum Fußballlehrer absolvieren. Ich bin noch nicht am Ende meiner Entwicklung und kann noch viel lernen, so dass daraus irgendwann später ein festes Bild und meine eigenen Philosophie entsteht. Momentan fühle ich mich mit der aktuellen Verantwortung sehr wohl.