Es war in den vergangenen Jahren oft genug so: Je mehr im Vorfeld einer Partie gegen den FC Bayern geredet wurde, vom "sich nicht verstecken", vom "mutig sein" und vom "etwas mitnehmen", desto böser fielen in der Regel die Klatschen gegen den Rekordmeister aus.
Nun begab es sich, dass sich im Vorfeld des Topspiels gegen Köln - die gastierten schließlich als Tabellendritter in München-Fröttmaning - nicht wenige Stimmen aus dem Rheinland gen Süden schwappten, die so gar nicht von Demut geprägt waren. Spieler wie Jonas Hector, Ex-Coach Christoph Daum oder gar Rainer Calmund, sie alle sprachen recht unverblümt davon, dass für den FC durchaus etwas gehen könne beim FCB.
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Und wer am Samstag, um kurz vor halb sechs, auf die Anzeigentafel in der Allianz Arena blickte, der konnte sehen, dass da kein 4:0 und kein 5:0 oder ein 6:2 stand. Sondern ein 1:1.
Der Grund für die Sensation war schnell gefunden in müden und verkaterten Bayern nach der Pleite gegen Atletico, die unter Carlo Ancelotti ohnehin noch nach sich selbst suchen, und dann noch drei Pfostentreffer hatten. Sicher, das war die eine Seite der Geschichte. Die andere: Der starke FC, der sich den Punkt in München in allen Bereich selbst erarbeitet - und vor allem verdient - hatte.
Nächster Entwicklungsschritt: Konstanz
Sechs Spiele, drei Siege, drei Remis. So gut waren die Kölner, die saisonübergreifend elf Partien nicht mehr verloren haben, seit 29 Jahren nicht mehr gestartet. Doch während man in den vergangenen beiden Jahren nach dem Wiederaufstieg nach passablen Starts immer wieder ins Schlingern geraten war, scheint der aktuelle FC einen wichtigen Entwicklungsschritt genommen zu haben: Die Konstanz hat Einzug gehalten in der Domstadt.
Die Gründe dafür hatte Klub-Legende Wolfgang Overath schon vor dem viel beachteten Remis in München schnell bei der Hand. So sei Sportdirektor Jörg Schmadtke das "Beste, was dem FC passieren konnte". Und: "Was Peter Stöger aus diesen Spielern herausholt, imponiert mir."
Durchaus beginnt der Höhenflug der Kölner eine Ebene über dem Spielfeld, in der Führungsetage. Schmadtke hat für ein intaktes Grundgerüst der Truppe gesorgt. "Wir profitieren von gefestigten Mannschaftsstrukturen", sagt der 52-Jährige, der selbige Jahr für Jahr punktuell und klug verstärkte. Mal mit einem Yuya Osako zum Aufstieg, mal mit einem gerade aufblühenden und bundesligaerfahrenen Anthony Modeste, der an 24 der letzten 47 Kölner Tore direkt beteiligt war.
"Es darf nicht nur die eine Spielidee geben"
Vielleicht auch als Zeichen an viele andere Klubs darf das Walten von Chefcoach Stöger verstanden werden. Der Österreicher führte den FC in die Bundesliga und durfte seitdem ohne Debatten und Ultimatan an "seinem" FC tüfteln. Das Ergebnis: Eine Mannschaft, die aus einem riesigen Repertoire an Taktikvariationen heraus agieren kann, die zahllose Systeme und Varianten verinnerlicht hat und völlig losgelöst vom Personal jederzeit abrufen kann."Wir versuchen zunächst das Spiel zu gestalten. Jetzt wollen wir dabei höher stehend verteidigen, mehr Druck ausüben", sagt Stöger selbst. "Funktioniert das nicht, können wir auch zum Umschaltspiel zurückkehren. Es darf eben nicht nur die eine Spielidee geben." In München hatten die Kölner in Halbzeit eins im 3-5-2 nichts zu melden. Mit dem Wechsel auf ein 4-4-2 zum zweiten Durchgang zogen sie den Bayern den Zahn.
Und da wären noch die brillanten Einzelkönner unter Stöger. "Routinierter, abgebrühter", seien die mittlerweile. "Sie können auch mit Rückschlägen, selbst mit ersten Halbzeiten wie in München, besser umgehen." Und damit sind nicht nur die Leader gemeint, ein Timo Horn, der die Bayern beispielsweise mit einer Parade nach der anderen zur Verzweiflung brachte, Torgarant Modeste oder Nationalspieler Jonas Hector.
Es sind auch Spieler wie der Japaner Osako, vor einem halben Jahr noch so sehr als Chancentod verschrien, dass ihn der Coach aus Schutz vor den eigenen Fans nicht einmal mehr nominierte, der in der laufenden Saison aufblüht und den kongenialen Zuspieler für Modeste gibt. Im Winter soll sein Vertrag verlängert werden.
Nicht Leicester - aber ein bisschen nach oben
Der FC hat an seinem Weg in aller Ruhe festgehalten und erntet gerade die Früchte dieses überragenden Gesamtpakets aus Kompetenz in der Führungsebene, einem Coach mit Plan und einer taktisch und mittlerweile auch fußballerisch hochklassigen Mannschaft.Lob gab es da nicht nur vom Terminator Arnold Schwarzenegger, der das Spiel der Kölner gegen die Bayern von der VIP Tribüne verfolgt hatte - und es als "Höhepunkt" seiner Europareise titulierte. "Das freut uns natürlich und macht uns ein bisschen stolz", genoss FC-Präsident Werner Spinner das Rampenlicht. Schob aber hinterher: "Wir sind deshalb aber sicher kein Bayern-Jäger."
Und auch wenn Overath bereits Vergleiche mit Leicester City anstrengt, gehen die Verantwortlichen angenehm realistisch mit der Situation um. "Wir müssen vorsichtig sein", sagt Stöger. "Wir wissen, dass wir ein außergewöhnliches Jahr brauchen, um ein Stück weiter nach oben rücken zu können. Aber da müssen auch andere Mannschaften ihr Potenzial nicht abrufen."
Der 1. FC Köln in der Übersicht