Wetklo: "Man braucht Typen wie ich es war"

Jan-Luc Treumann
20. Oktober 201613:17
Christian Wetklo ist aktuell Torwarttrainer bei der U23 von Schalke 04getty
Werbung

Christian Wetklo erlebte eine Karriere mit Höhen und Tiefen. Schon vor Ende seiner Laufbahn begann er mit der Arbeit als Jugendtrainer. Im Interview spricht der ehemalige Torwart über seine Anfänge als Trainer, glattgebügelte Profis sowie seine Trainer Thomas Tuchel und Roberto di Matteo.

SPOX: Herr Wetklo, Sie sind im Sommer 2014 zum FC Schalke 04 zurückgekehrt und seit der Vorsaison Torwarttrainer der U23. Wie sieht aktuell Ihre Aufgabenverteilung aus?

Christian Wetklo: Ich bin mittlerweile mehr Trainer als Spieler. Vergangene Saison war das etwas schwieriger: Unter der Woche habe ich die jungen Torhüter trainiert und wollte sie weiterbringen. Am Wochenende hat der Trainer dann aber häufig mich ins Tor gestellt. Das war keine einfache Situation für uns alle. Jetzt bin ich aber nur noch für den Härtefall eingeplant.

SPOX: Sie haben schon 2011 während Ihrer Spielerkarriere angefangen, als Jugendtrainer zu arbeiten. Wie ist das genau entstanden?

Wetklo: Das war ein ziemlicher Zufall. Beim TSV Wackernheim, dem Jugendverein meiner Kinder, hat der E-Jugendtrainer plötzlich aufgehört. Ein Bekannter von mir war dort Co-Trainer und hat mich dann gefragt, ob ich ihn nicht unterstützen könne. Ich habe zunächst verneint, weil ich dachte, dass diese Aufgabe mit meinem doch recht engen Terminkalender nicht vereinbar wäre.

SPOX: Wie kam es zur Meinungsänderung?

Wetklo: Zwei Wochen später fand ein Hallenturnier statt. Mein Bekannter war verhindert und hat gefragt, ob ich aushelfen würde. Das habe ich gemacht. Er hat mir dann die Aufstellung gegeben, von drei Spielen haben wir aber drei verloren. Da hat mich der Ehrgeiz gepackt, das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Beim nächsten Turnier war ich wieder dabei, habe ich die Aufstellung diesmal selbst gemacht und am Ende sind wir Erster geworden sind. So ging das los.

SPOX: Dass Sie ein sehr ehrgeiziger und emotionaler Typ sind, hat man während Ihrer 14 Jahre beim 1. FSV Mainz 05 oft sehen können. Wie häufig sind Sie da an diesem beschaulichen Standort angeeckt?

Wetklo: Einige Leute haben das gemocht, manchen war meine Art einfach zu viel. Mein Siegeswille war schon als kleiner Junge groß. Ob im Schulsport oder beim Spielen mit meinen Eltern, ich habe das Verlieren gehasst. Unter dem Strich habe ich aber häufig gute Erfahrungen damit gemacht, offen und ehrlich zu sein. Es war oftmals gern gesehen, wenn ich emotionaler wurde. Das gibt es in der Form heute ja kaum noch.

SPOX: Ihre Kinder lassen Sie also nicht auch mal gewinnen?

Wetklo: Ich wüsste nicht warum. (lacht) Das wäre in meinen Augen auch der falsche Weg. Kinder müssen lernen, auch mit Niederlagen umzugehen beziehungsweise ihren Ehrgeiz zu schulen. Je schwerer eine Aufgabe war, desto mehr musste ich mich anstrengen und bin dadurch letztlich besser geworden. Genau dies versuche ich meinen Kindern zu vermitteln.

SPOX: Sie haben angedeutet, dass es im Fußball immer weniger Typen gibt. Stattdessen wirken viele Profis oft aalglatt. Wie beurteilen Sie das?

Wetklo: Man muss in der Außendarstellung heutzutage schon vorsichtig sein. Im Jugendbereich werden die Spieler so geschult, dass es gar nicht mehr möglich ist, aufzubegehren oder kritische Themen anzusprechen. Wer nicht angepasst ist, hat ein Problem. Man braucht aber Typen wie ich es war, davon bin ich überzeugt. Gerade, wenn es sportlich mal nicht so gut läuft.

SPOX: Diese Typen-Diskussion ist sehr ambivalent. Einerseits heißt es, sie würden fehlen, auf der anderen Seite werden die flachen Hierarchien gelobt.

Wetklo: Die Spieler, die aus den Nachwuchsakademien kommen, sind sehr gut ausgebildet. Etwas Elementares fehlt ihnen aber: Sie müssen auch dazwischen funken und sich wehren können. Aber es scheint so, als würden viele Trainer mit dieser Art von Spielern nicht klarkommen und sie deshalb nicht wollen. Wenn die Spieler auf diese Weise erzogen werden, braucht man sich also nicht zu wundern, wenn es immer weniger von ihnen gibt.

Erlebe die Bundesliga-Highlights auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat

SPOX: Sie dagegen haben selbst den Mut aufgebracht, 2011 als bekennender Schalke-Fan provokativ vor der Dortmunder Südtribüne zu jubeln.

Wetklo: Ich habe das damals ganz entspannt gesehen. Das war ein sehr emotionales Spiel. Ich habe einen Elfmeter gehalten, kurz vor Schluss machen wir in diesem Hexenkessel das 1:1. In der zweiten Halbzeit wurde ich die ganze Zeit mit Gegenständen beworfen. Da mussten die Emotionen dann eben raus. Ich würde es aber keinem empfehlen. (lacht)

SPOX: 2013 wurden Sie in einer Partie für den verletzten Heinz Müller eingewechselt, sahen dann die Rote Karte und hatten anschließend keinen Einsatz mehr für Mainz. Wie hat das der damalige Trainer Thomas Tuchel begründet?

Wetklo: Gar nicht, das musste er auch nicht. Loris Karius hat in der Folge gut gehalten und die Spiele wurden gewonnen. Da gab es für Tuchel keinen Grund für einen erneuten Wechsel. Im Nachhinein sieht man ja, welchen Weg Loris gemacht hat.

SPOX: Ihr ehemaliger Konkurrent Müller hat Tuchel später als Diktator bezeichnet.

Wetklo: Das kann ich nicht bestätigen. Mit Tuchel kann man auskommen. Bei ihm wird alles dem Erfolg untergeordnet, er ist erfolgsbesessen. Wir hatten zwischendurch zwei weniger erfolgreiche Jahre. Zu dieser Zeit kritisierte er, dass wir nicht alles aus uns herausgeholt hätten. Die Ansprachen konnten dann auch unangenehmer werden. Doch der Erfolg gibt ihm Recht, er ist ein außergewöhnlicher Trainer. Er verlangt viel, aber davon profitiert auch jeder.

SPOX: Ihre Zeit in Mainz endete dann und Sie schlossen sich dem SV Darmstadt 98 an - allerdings nur für wenige Wochen. Wieso kam es damals zu dieser schnellen Trennung?

Wetklo: In der Presse hieß es, dass es Ärger mit dem Team gegeben habe. Das stimmt aber nicht. Was da medial teilweise hineininterpretiert wurde, war vollkommener Blödsinn.

SPOX: Was waren die wahren Gründe?

Wetklo: Ich konnte mich mit dem Verein einfach vom ersten Tag an, als ich das Gelände betrat, nicht identifizieren. Es war vielleicht auch nach 14 Jahren in Mainz schwierig, sich auf etwas Neues einzulassen. Ich hatte schlicht das Gefühl, dass es nicht passt. Ich habe mich nicht wohlgefühlt. Bevor ich in Darmstadt unterschrieb, hatte ich mit den Verantwortlichen ausgemacht, dass wir den Vertrag auflösen, wenn es für eine Seite aus welchem Grund auch immer nicht passt. Es war auch vereinbart, dass in einem solchen Fall niemand eine Abfindung bekommt. Ich war ja kein billiger Spieler für Darmstadt. Ich hatte einfach nicht die Zuversicht, dort meine Leistung bringen zu können.

SPOX: Es folgte der Wechsel zu S04, wo Sie zwischen 1995 und 1998 bereits in der Jugend spielten. Dort war klar, dass es für Sie wohl kein Vorbeikommen an Ralf Fährmann geben würde.

Wetklo: Darum ging es zu diesem Zeitpunkt auch nicht. Fabian Giefer war verletzt, Timon Wellenreuther kam gerade erst aus der Jugend. Die Rolle für mich war klar abgesprochen.

SPOX: Wie nahmen Sie es auf, als Trainer Roberto di Matteo nach der Verletzung von Fährmann auf Wellenreuther und nicht Sie setzte?

Wetklo: Ich konnte di Matteo nicht verstehen, da ich immer 100 Prozent gegeben habe. Ich war damals nicht in der Position, mich zu beschweren. Der Trainer hat so entschieden und als Spieler muss man das akzeptieren.

SPOX: Der Ex-Schalker Hans Sarpei twitterte kürzlich: "Unser Vorbild ist der BVB. (Sätze, die ein Schalker nie sagt, aber heimlich denkt)". Wie denken Sie darüber?

Wetklo: Dem kann ich mich nicht anschließen. Ich weiß nicht, ob sich ein Klub grundsätzlich andere Vereine zum Vorbild nehmen muss. Wer will, kann sich aktuell an Bayern München oder auch RB Leipzig orientieren, die Gelben möchte ich da aber außen vor lassen.

SPOX: Wie sieht Ihr Plan nach der aktiven Karriere aus?

Wetklo: Ich will bei der U14 und U15 zunächst Erfahrung sammeln und mich später als Cheftrainer versuchen. Der Trainerjob ist ein Lehrberuf. Deshalb ist es sicherlich nicht verkehrt, in jedem Altersbereich gearbeitet zu haben.

SPOX: Und wann stehen Sie dann in der Bundesliga an der Seitenlinie?

Wetklo: Nie. Das höchste der Gefühle wäre ein U23-Team. Im Profifußball sehe ich mich nicht. Dort ist der Druck verglichen mit dem Jugendbereich enorm und die Reisestrapazen sind höher. Diesen Rhythmus hatte ich 16 Jahre lang, den brauche ich nicht mehr. Die Arbeit mit den Jugendlichen macht mir derzeit sehr viel Spaß und ich bin froh, am Wochenende dennoch genug Zeit mit meiner Familie verbringen zu können.

Christian Wetklo im Steckbrief