"Die mussten mich erstmal googlen"

Jochen Tittmar
31. Oktober 201618:32
Torsten Frings trug als Spieler insgesamt elf Jahre lang das Trikot des SV Werder Bremengetty
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Torsten Frings arbeitete zuletzt als Co-Trainer bei den Profis von Werder Bremen. Nach der Beurlaubung von Chefcoach Viktor Skripnik musste auch der 39-Jährige gehen. Im Interview spricht Frings über seine letzte Station als Spieler beim FC Toronto, den Abschied von Borussia Dortmund und die Pläne für seine weitere Zukunft als Trainer.

SPOX: Herr Frings, Sie unterstützen seit einigen Wochen Atli Hatami mit seiner Modemarke "Fame Couture". Wie wurden Sie auf ihn aufmerksam?

Torsten Frings: Wir haben uns 2006 in einem Modegeschäft kennengelernt, in das ich gerne gegangen bin. Anschließend haben wir uns auch privat getroffen und so ist daraus letztlich eine Freundschaft entstanden. Wir sind dann mal in seinem Büro zusammengesessen, mich hat diese Materie einfach interessiert. Mittlerweile unterstütze ich ihn dabei, sein Label noch etwas bekannter zu machen.

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SPOX: Das hat geholfen, viele andere prominente Sportler tragen die Klamotten.

Frings: Ich würde seine Sachen auch nicht anziehen, wenn sie mir nicht gefallen würden. Seine Mode wurde aber schon vor mir von einigen Sportlern getragen. Ich fand sie dann eben auch cool und irgendwann hat er mir dann ein paar T-Shirts zukommen lassen. Mit der Zeit bin ich immer wieder von Kollegen darauf angesprochen worden. Der Stil passt ja auch zu dieser Generation.

SPOX: Nach Ihrem Aus als Co-Trainer bei Werder Bremen hätten Sie theoretisch wieder mehr Zeit, mit Hatami zusammen zu arbeiten. Diese Pause hatten Sie nach dem Ende Ihrer aktiven Spielerkarriere nicht, sondern sind gleich bei Viktor Skripnik und der Bremer U23 eingestiegen. Wieso?

Frings: Ich kann nicht nichts tun, ich muss immer etwas machen. Diese Frage hat sich letztlich nie gestellt. Ich hatte bei Werder einen Anschlussvertrag, dank dem ich ein 24-monatiges Trainee-Programm durchlaufen konnte, das im Rahmen meiner Trainerausbildung stand. Ich habe also in Ruhe, aber trotzdem relativ zügig meine Lizenzen gemacht und hatte dann das Glück, bei Viktor meine ersten Schritte zu gehen. Dass wir so urplötzlich die Profis übernehmen würden, war ja niemandem klar.

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar traf Torsten Frings zum Interview in Bremenspox

SPOX: Wann stand fest, dass Sie dem Fußball auf jeden Fall erhalten bleiben würden?

Frings: Ich bin nicht so der Büro-Typ. Mir war schon immer klar, dass ich auch nach der Karriere auf dem Platz stehen möchte - und zwar als Trainer. Der Lehrgang zum Fußballlehrer war sehr hart, zumal in diese Zeit auch die Beförderung zum Bundesligateam fiel. Da blieb die Familie schon etwas auf der Strecke. Es hat sich aber gelohnt.

SPOX: Diese Art der Verschnaufpause hatten Sie ja womöglich schon mit Ihrer letzten Profistation beim FC Toronto in Kanada. Wie angenehm war das Leben dort für Sie, fernab des gewohnten Rampenlichts?

Frings: In Toronto war Fußball seinerzeit noch kein so großes Thema, dort konnte ich nach den intensiven Vorjahren wunderbar abschalten. Das war mir auch bewusst, denn ich bin früher als großer Nordamerika-Fan mehrfach im Jahr dort gewesen. Da konnte man unmittelbar nach Weltmeisterschaften durch New York laufen und kein Mensch hat dich erkannt. Dass es in Toronto dann letztlich so ruhig zugeht, hat mich allerdings auch überrascht. (lacht)

SPOX: War es Ihnen zu ruhig?

Frings: Eigentlich nicht, es war eher genau richtig so. Ich bin dort wieder ein ganz normaler Mensch geworden, der Promi-Status hat nie gezogen. Ich bin an Diskotheken und Restaurants abgewiesen worden. Es war irgendwie ein schönes Gefühl, sich nicht sicher sein zu können, ob man irgendwo hineinkommt. Das kannte ich aus Deutschland gar nicht mehr. Für mich persönlich war es wunderbar, auf diese Art wieder herunter zu kommen. SPOX

SPOX: Wie sah Ihr privater Alltag in dieser Anonymität aus?

Frings: Ich führte ein vollkommen normales, bürgerliches Leben - ohne unter Beobachtung zu stehen. Ich habe zunächst meine Sprachkenntnisse vertiefen müssen, bin dort aber wie jeder andere auch in den Supermarkt oder ins Kino gegangen. Der einzige Unterschied war eben, dass ich dort gutes Geld verdient habe und lediglich ein Mal pro Tag trainieren musste. Das war sehr entspannend. Inzwischen hat sich der Fußball in der MLS natürlich auch weiterentwickelt.

SPOX: Der Kontakt kam damals über Jürgen Klinsmann zustande, der sportlicher Berater des Klubs war.

Frings: Genau. Ich habe zunächst über Monate mehrere Gespräche mit Werder darüber geführt, wie es mit mir weitergehen könnte. Ich wollte aber noch nicht aufhören und dachte, mit 34 Jahren ist der Zeitpunkt fürs Ausland gekommen. Ich hatte Angebote aus Spanien oder von den beiden Glasgower Klubs, doch das reizte mich nicht mehr. Im Grunde kam nur die MLS in Frage. Ich wollte unbedingt in einer Großstadt wohnen und mein Leben etwas genießen. Als ich dann das erste Mal dorthin flog, bin ich gar nicht mehr nach Hause zurückgekehrt.

SPOX: Wie anders war es als MLS-Spieler im Vergleich zu Ihrer Zeit in der Bundesliga?

Frings: Man hört viel von der Liga, aber kann es sich nicht vorstellen, wenn man es nicht einmal selbst erlebt hat. Die Reisen waren sehr anstrengend. Das unterschätzt man sicherlich, sie machen dich fix und fertig. Da fliegt man mal eben sechs Stunden in der Holzklasse nach Los Angeles, hat dort drei Stunden Zeitunterschied, spielt Fußball und fliegt anschließend zum nächsten Ziel. Aber: So konnte ich viel vom Land sehen. Es gibt Schlechteres, als ein Auswärtsspiel in New York und dabei noch die Zeit zu haben, sich dann auch die Stadt etwas anschauen zu können.

SPOX: Wie sind Sie jetzt in Deutschland wieder mit der höheren Intensität und dem "alten" Status umgegangen?

Frings: Mir hat die zweijährige Toronto-Erfahrung schon sehr gut getan, um auch diese Dinge viel leichter aushalten zu können. Natürlich hat das im Vergleich zu den Zeiten als Spieler abgenommen, aber ich bekomme das auch gar nicht mehr so unmittelbar mit wie früher.

SPOX: Stimmt es, dass Sie bis heute noch Kontakt zum Verein haben und immer mal wieder vor Ort in Toronto sind?

Frings: Ja. Ein richtig guter Freund von mir arbeitet noch im Management des Klubs. Ich habe dort so viele Freunde gefunden, vom Pizzabäcker bis zum Banker. Die kannten mich am Anfang alle gar nicht. Die mussten mich dann erstmal googlen und haben sich YouTube-Videos angeschaut. Man konnte auch am Anfang gar nicht glauben, dass ich in Deutschland ausschließlich von meinem Gehalt als Fußballer lebe. Durch diese Umstände ist vor allem eine ganz andere, intensivere Freundschaft entstanden. Ich fliege so oft wie möglich noch hin. Demnächst mal wieder, ich habe ja jetzt Zeit. (lacht)

SPOX: Diese enge Bindung ist ungewöhnlich, gerade wenn man sieht, dass Sie es nur eine Saison beim FC Bayern ausgehalten und damals Ihre Bremer Heimat vermisst haben.

Frings: Ich habe mich in München auch wirklich wohlgefühlt, hatte aber Probleme mit Felix Magath und dann immer weniger Spaß, zum Training zu gehen. Mit ihm hat es leider nie gefunkt, auch wenn ich die Mehrzahl der Spiele absolviert habe. Ich hatte den Vertrag unterschrieben, als Ottmar Hitzfeld noch Trainer war. Ich hätte dann sicherlich auch beißen und warten können, bis Magath wieder weg ist. Da habe ich bestimmt auch meine Fehler gemacht. Die Sache hatte aber eine entscheidende Vorgeschichte, da Magath ja auch schon in Bremen mein Coach war und er mich damals verkaufen wollte.

SPOX: Sie haben einige unterschiedliche Trainer erlebt, neben Magath auch Thomas Schaaf oder Matthias Sammer in Dortmund. Wie war Sammer als Coach? SPOXspox

Frings: Sammer ist wie ich: Ein sehr direkter und offener Charakter, dazu war er ein toller Trainer. Er konnte dich motivieren ohne Ende. Er saß damals bei mir zu Hause auf der Couch und hat mich in einem einzigen Gespräch überredet, nach Dortmund zu wechseln. Es war dort aber die Zeit der finanziellen Probleme, so dass Spieler verkauft werden mussten, um überhaupt die Lizenz zu bekommen. Als Sammer dann entlassen wurde, war es auch für mich vorbei. Der Abschied vom BVB schmerzt mich heute noch, denn ich habe mich dort sehr wohl gefühlt und war nah an meiner Familie in Aachen.

SPOX: Haben Sie mit Schaaf gelitten, als er zuletzt bei Hannover 96 so schwach abschnitt?

Frings: Nein. Aber auf ihn schaue ich immer, denn ihm habe ich am meisten zu verdanken. Er hat mich zum Profi gemacht. Wir haben ein nicht alltägliches Vater-Sohn-Verhältnis und telefonieren sehr häufig. Er könnte sofort arbeiten, wenn er möchte. Er ist aber in der Position, es sich aussuchen zu können und nur das zu tun, worauf er auch wirklich Lust hat.

SPOX: Auch Sie haben kürzlich eine Erfahrung machen müssen, die Sie trotz Ihrer langen Karriere noch nicht kannten - eine Beurlaubung als Trainer. Wie hat sich das angefühlt?

Frings: Es war nicht schön, wenn man nach rund 20 Jahren im Klub gesagt bekommt, dass es nicht mehr weitergeht. Das Aus hat an mir genagt. Ich bin mit meinen Brüdern ein paar Tage zum Angeln nach Norwegen gefahren. Man versucht dann natürlich zu reflektieren, welche Fehler man begangen haben könnte. Ich habe aber nicht vor, mir deshalb jetzt monatelang den Kopf zu zerbrechen.

SPOX: Wie fällt Ihr Fazit der Zeit in der Bundesliga aus?

Frings: Die Zeit im Trainerteam war extrem intensiv: Im ersten Jahr haben wir mit dem Klassenerhalt etwas Außergewöhnliches geschafft, als wir noch beinahe in die Europa League eingezogen sind. Dann die Rettung am letzten Spieltag, da habe ich vorher tagelang nicht geschlafen und war sehr aufgerüttelt. In der aktuellen Spielzeit gelang der Saisonstart nicht, da wir viel Pech mit Verletzungen hatten und nicht die Mannschaft stellen konnten, die wir eigentlich zur Verfügung hatten. Ich denke, dass wir insgesamt einen guten Job gemacht haben.

SPOX: Viktor Skripnik hat zwischenzeitlich mal geäußert, er habe noch keinen Tag als Cheftrainer genossen. War das für Sie nachvollziehbar?

Frings: Es ist natürlich gerade gegen Ende jedes Wort von ihm auf die Goldwaage gelegt und vier Mal umgedeutet worden. Anfangs wurden noch T-Shirts mit seinen Sprüchen gedruckt, ein halbes Jahr später verstand ihn offenbar keiner mehr. Da haben es sich die Medien für meine Begriffe zu leicht gemacht. Von ihnen kam dann viel Druck, was sich auch auf deine Lebensqualität auswirkt. Da wurden Worte fast schon bewusst im Mund umgedreht, so dass du häufig mit großen Schlagzeilen umzugehen hattest. Das hat die Arbeit im Trainerteam nicht leichter gemacht.

SPOX: Wie wollen Sie nun die restliche Saison für sich nutzen?

Frings: Ich werde jetzt erst einmal durchschnaufen und versuchen, schnell wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Diese zwei Jahre haben wirklich Körner gekostet. Später kommt vielleicht auch mal eine Hospitation in Frage. Das lasse ich aber zunächst auf mich zukommen.

SPOX: Sehen Sie sich grundsätzlich als Cheftrainer oder wird der nächste Job wieder der des Co-Trainers sein - vielleicht ja auch wieder zusammen mit Skripnik?

Frings: Das kann ich nicht ausschließen. Es ist aber mein Ziel, langfristig als Cheftrainer zu arbeiten. Ich habe derzeit keinen Masterplan mit genauen Zeitangaben in der Hinterhand. Ich bin für vieles offen. Mal sehen, welche Möglichkeiten sich ergeben. Erst dann werde ich mir konkrete Gedanken machen.