"Bedenklich, wie sich der HSV darstellt"

Jochen Rabe
24. November 201622:31
Markus Schupp (l.) hatte in Kaiserslautern hin und wieder Meinungsverschiedenheiten mit Stefan Kuntzgetty
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Markus Schupp war bis vor einem Jahr Sportdirektor beim 1. FC Kaiserslautern. Im Interview spricht der 50-Jährige über die Schwierigkeiten in der Kaderplanung bei einem Traditionsklub, die Möglichkeiten von RB Leipzig und die Entwicklungen beim Hamburger SV.

SPOX: Herr Schupp, seit November 2015 sind Sie nicht mehr als Sportdirektor beim 1. FC Kaiserslautern im Amt. Wie haben Sie die Zeit seitdem verbracht?

Markus Schupp: Zunächst einmal habe ich meine Zeit in Kaiserslautern aufgearbeitet und reflektiert. Dabei ging es um die Fragen, was gut gelaufen ist und welche Optimierungen für weitere Tätigkeiten in der Funktion als Sportdirektor denkbar sind. Darüber hinaus habe ich Führungsseminare besucht, meine Englischkenntnisse verfeinert und viel Fußball im In- und Ausland gesehen. Natürlich habe ich auch die Zeit mit meiner Familie genossen. Das kommt im Laufe der Jahre zu kurz, aber so ist unser Beruf.

SPOX: Gab es in dieser Zeit Angebote?

Schupp: Im Sommer gab es zwei konkrete Möglichkeiten aus der deutschen 3. Liga. Ich habe mich jedoch nach vielen Gesprächen dagegen entschieden. Die mittelfristige Perspektive hat mir gefehlt.

SPOX: Sehen Sie sich zu 100 Prozent als Sportdirektor oder könnten Sie sich vorstellen, wieder einen Trainerjob anzunehmen?

Schupp: Für mich ist es klar, dass meine berufliche Priorität weiter im Bereich Kaderplanung und Scouting aus der Position eines Sportdirektors liegt. Die Jahre als Co- und Cheftrainer kommen mir dafür aber zugute.

SPOX: Sie haben die Aufarbeitung Ihrer Zeit beim FCK angesprochen. Sie spielten dort die ersten sieben Jahre Ihrer Profikarriere, wurden 1990 Pokalsieger und 1991 Meister. Reflektiert man ein Engagement bei so einem Klub anders?

Schupp: Man betrachtet die Dinge auf jeden Fall emotionaler. Ich komme aus der Region, durfte dort meine ersten Schritte machen und war erfolgreich. Deshalb hat es nach meiner Tätigkeit etwas gedauert, das zu verarbeiten.

SPOX: Wie sah das Ergebnis dieses Verarbeitungsprozesses aus? SPOX

Schupp: Der FCK ist ein Traditionsverein mit großer Geschichte und einer emotionalen Fankultur. Dort herrschen andere Voraussetzungen als bei Werksvereinen. Als Sportdirektor muss man da bei der Kaderplanung geschickt und manchmal risikoreich agieren. Aufgrund der finanziellen Strukturen muss man frühzeitiger als andere Vereine auf dem Plan sein.

SPOX: Welche Schwierigkeiten traten dabei auf?

Schupp: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren nicht immer so, wie die Öffentlichkeit geglaubt hat. Wir hatten klare Vorgaben, das Budget herunterzufahren. Dann ist es umso schwerer, gestandene Spieler zu holen - trotz Stadion, Fankultur, Tradition. Da muss man mit Beratern und Spielern in persönlichen Gesprächen viel Zeit aufwenden und sie menschlich und konzeptionell überzeugen.

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SPOX: Welche Argumente haben Sie in diesen Gesprächen vorgebracht?

Schupp: Für mich war die Aufgabe so interessant, weil der Verein die Philosophie ändern wollte. Damals waren noch viele ältere Spieler wie Idrissou oder Bunjaku im Kader. Dann hat es ein Umdenken gegeben. Wir wollten eine junge, spielstarke Mannschaft entwickeln, um uns langfristig zu verbessern. Wir haben aufgezeigt, dass es ein guter Schritt ist, zu uns zu wechseln, und wir auch ein Sprungbrett sein können.

SPOX: In dieser Hinsicht hatten Sie beim VfR Aalen bereits Erfahrungen gesammelt.

Schupp: So ist es. Dort haben wir Kevin Kampl für eine geringe Ablösesumme aus Osnabrück verpflichtet und ihn nur zehn Wochen später gewinnbringend nach Salzburg transferiert. Oder Benjamin Hübner, der bei uns einen wichtigen Schritt gemacht hat und über Ingolstadt jetzt Stammspieler bei Hoffenheim ist. Es gab noch zahlreiche andere Beispiele.

SPOX: Und diese Erfahrung sollten Sie auf den FCK übertragen.

Schupp: Genau. Es ging darum, Spieler zu finden, die man weiterentwickeln kann, um sie dann entweder mit einem Transfergewinn abzugeben oder zu etablierten Kräften zu machen. Wir hatten etwa mit Demirbay, Hofmann oder Younes einige Spieler im Kader, die sich seitdem überragend entwickelt haben. Bödvarsson habe ich mir persönlich mit unserem Chefscout Boris Notzon in Stavanger angesehen. Wir haben ihn als Nationalspieler Islands ablösefrei verpflichtet und nach nur sechs Monaten beim FCK wechselte er, wie zu lesen war, für mehr als 3 Mio. nach England. Mit Lukas Görtler wurde von uns ein junger talentierter Spieler verpflichtet, der sich nachweislich positiv wertschöpfend entwickelt.

SPOX: Aber die meisten blieben nicht lange.

Schupp: Wir mussten regelmäßig innerhalb kürzester Zeit Spieler wieder abgeben, um einen finanziellen Ausgleich zu schaffen. Das war mir vorher in dieser Dimension nicht bewusst und ist mir so auch nicht kommuniziert worden.

SPOX: Ermüdet es einen, Jahr um Jahr wichtige Leistungsträger nicht halten zu können? Mit Willi Orban wechselte eine Identifikationsfigur als Kapitän zu RB Leipzig.

Schupp: Nein, das ist ein anderer Fall. Bei Willi Orban und auch Dominique Heintz war es so, dass die Verträge ausliefen. Man hätte diese frühzeitiger verlängern müssen. Letztlich war es dann so, dass Angebote von Vereinen kamen, die für uns andere Dimensionen darstellten. Etablierte Bundesligisten und Werksvereine sind bei Vertragsverhandlungen für den FCK unerreichbar. Die beiden Spieler abzugeben, war zu diesem Zeitpunkt alternativlos. Die Defizite sind vorher gemacht worden.

SPOX: Inwiefern?

Schupp: Hätte man sich intensiver um sie bemüht, hätten sie frühzeitig verlängert und wären zu Säulen des FCK geworden. Wenn man solche Säulen mittelfristig nicht hält, wird das zum Problem. Man muss aufpassen, dass man die Fans nicht verliert, die an gewissen Werten festhalten.

SPOX: Welche sind das?

Schupp: Der FCK ist ein bodenständiger, menschennaher Verein in einer kleinen Stadt mit 90.000 Einwohnern. Da ist es wichtig, dass man Spieler hat, die auf die Fans zugehen. Und man muss Neuzugängen Zeit geben, dass sich die Zuschauer mit ihnen identifizieren können. Zuletzt wurden immer wieder Spieler nach nur einem halben Jahr abgegeben. Wenn man das von vorn herein weiß, kann man sich darauf einstellen. Das kristallisierte sich erst im Laufe meiner Tätigkeit heraus.

SPOX: War diese Fehlkommunikation der Auslöser Ihrer Trennung?

Schupp: Der von mir eben beschriebene Sachverhalt führte zu Missverständnissen und Streitpunkten. Unter dem Strich bin ich aber mit den Transfers, die ich beim FCK getätigt habe, zufrieden.

SPOX: Ein anderer Traditionsklub, mit dem Ihr Weg verknüpft ist, versinkt derzeit im Chaos: der Hamburger SV. Wie beurteilen Sie die Entwicklungen dort?

Schupp: Es ist schwierig, das aus der Entfernung zu beurteilen. Aber es ist schon bedenklich, wie sich der Verein darstellt und wo er sich hin entwickelt hat. Ich durfte dort aktiv spielen und später als Assistenztrainer arbeiten. Ich hoffe, dass der HSV in der Liga bleibt. Aber das wird noch schwieriger als in den letzten Jahren.

SPOX: Gehen einem solche Entwicklungen in einem Ex-Verein nahe oder entwickelt man eine professionelle Distanz?

Schupp: Ich habe zum HSV eine besondere Beziehung. Außerdem weiß ich natürlich, welche infrastrukturellen Möglichkeiten beim HSV vorliegen. Eigentlich müsste der HSV aufgrund der Gegebenheiten eine gute Rolle in der Bundesliga spielen.

SPOX: Derzeit sucht der HSV nach einem Sportdirektor. Wäre eine solche Aufgabe für Sie reizvoll?

Schupp: Aus meiner damaligen Perspektive und meinen Erfahrungen kann ich nur positiv über den HSV sprechen. Das ist ein sehr guter Klub mit tollen Fans, die auch in schwierigen Zeiten hinter dem Team stehen. Ich bin mir sicher, dass die Verantwortlichen sich intensive Gedanken um die Besetzung dieser Position machen.

SPOX: Sie haben in der Vergangenheit nicht nur gute Spieler entdeckt, sondern auch mit aufstrebenden Trainern zusammengearbeitet. Beim VfR Aalen sind Sie einst mit Ralph Hasenhüttl in die 2. Liga aufgestiegen. Wie sehen Sie seinen Weg seitdem?

Schupp: Ich habe Ralphs Weg natürlich weiter verfolgt. Sein Werdegang ist überragend.

SPOX: Mittlerweile arbeitet Hasenhüttl bei RB Leipzig und mischt die Bundesliga auf. Muss Bayern den Aufsteiger schon in dieser Saison auf dem Zettel haben?

Schupp: Vielleicht gerade diese Saison, weil sie frei von allem Druck spielen. Von einem Aufsteiger erwartet man eigentlich nur, dass sie in der Liga bleiben - auch wenn sie dort andere finanzielle Möglichkeiten haben. Sie spielen erfrischend, mit viel Aufwand und Vertrauen in Ralphs System.

SPOX: Im Laufe unseres Gesprächs haben Sie Ihre Vorstellungen einer Kaderplanung erklärt. Kann man sagen, dass RB in den letzten Jahren nahe an Ihrem Ideal gearbeitet hat?

Schupp: Absolut. Das Konzept überzeugt mich. Sie holen junge Spieler, die bereits Qualität mitbringen, die man aber noch an ein System gewöhnen kann. In Leipzig finden diese Spieler Strukturen vor, wie es sie sonst nur bei etablierten Klubs gibt. Sie bringen alle Voraussetzungen mit, jahrelang um die Plätze eins bis fünf zu spielen.

SPOX: Da fallen einem wenige Gründe für einen Spieler ein, diesen Verein zu verlassen.

Schupp: Eben das ist der Punkt. Die Finanzen, die Infrastruktur und die Fachkompetenz kann man kaum noch toppen. Ralf Rangnick hat immer über den Tellerrand hinaus geschaut und das Vertrauen bekommen, alles zu entwickeln. Dann bindest du die Jungs auch emotional an diesen Verein. Wo soll ein Spieler nach Leipzig denn noch hin? Die einzige Steigerung in Deutschland ist der FC Bayern. SPOXspox

SPOX: Die Infrastruktur bei Leipzig beinhaltet auch das Nachwuchsleistungszentrum. Wie sehr sind solche Emporkömmlinge in der Jugendförderung eine Konkurrenz für Traditionsklubs? Der FCK hat geografisch zwar nicht mit Leipzig, aber durch Hoffenheim mit einem ähnlichen Fall zu kämpfen.

Schupp: Aus Sicht des FCK muss es höchste Priorität haben, dass man die Jugendarbeit von Hoffenheim oder Mainz auf dem Schirm hat. Dort entwickeln sich gute Spieler, aber nicht alle werden den Sprung in die erste Mannschaft schaffen - und dann muss ein Verein wie der 1. FCK da sein. Dafür ist es aber nötig, schon lange vorher eine Beziehung zu den Spielern aufzubauen. Marktkenntnis und Fleiß sind unabdingbar.

SPOX: Zum Abschluss noch einmal zu Ihrer persönlichen Zukunft: Welche Voraussetzungen müssten bei einem Angebot gegeben sein, damit es für Sie interessant wäre?

Schupp: Für mich steht im Zentrum, welchen Weg der Verein gehen möchte. Nicht der Ist-Zustand gibt den Ausschlag, sondern die Perspektive. Ich bin überzeugt, dass ich die Fähigkeit besitze, einen Verein weiter zu entwickeln. Das kann auch in der 3. Liga sein. Aber man muss ein Gefühl dafür bekommen, was der Verein vorhat. Wenn man auf einen gemeinsamen Nenner kommt, bin ich für alles offen.

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