SPOX: Herr Bonarius, Sie sind Project Manager für das Projekt Foot PASS Deutschland der Agentur Double PASS und somit für die Zertifizierungen der deutschen Leistungszentren verantwortlich. Sie haben also einen perfekten Überblick über den hiesigen Jugendfußball. Wer wird der nächste große Superstar?
Ajoscha Bonarius: Wir sehen sehr viele interessante junge Spieler, allerdings liegt der Fokus unserer Arbeit woanders. Wir suchen nicht den nächsten deutschen Nationalspieler, sondern begutachten im Rahmen der Zertifizierungen die inhaltliche Arbeit und die Prozesse in einem LZ, das große Ganze sozusagen.
SPOX: Welche Kriterien werden bewertet?
Bonarius: Aktuell gibt es fünf übergeordnete Dimensionen, die sich dann in über 500 Kriterien aufteilen. Übergeordnet stehen die Leitungsebene (Strategie, Organisation, Human Resources), das operative Management (tägliche Arbeit der einzelnen Bereiche), die vorhandenen Ressourcen (Personal, Infrastruktur), die Effektivität (eigens ausgebildete Spieler in der eigenen Lizenzmannschaft oder bei anderen Clubs im professionellen Fußball und die Durchlässigkeit im LZ) und natürlich die Fußballausbildung selbst, als zentrales Element der Analyse.
SPOX: Wie oft wird jedes LZ überprüft?
Bonarius: Grundsätzlich wird jedes LZ alle drei Jahre zertifiziert. Gerade hat in Deutschland der vierte Durchlauf für die Leistungszentren begonnen, da die Zertifizierung hier seit der Saison 2007/08 besteht.
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SPOX: Wie läuft der Zertifizierungsprozess konkret ab?
Bonarius: Die Vereine bekommen im Vorhinein über eine Software unseren Kriterienkatalog zur Verfügung gestellt. Dort hinterlegen sie ihre Unterlagen zu den entsprechenden Themen. Diese werten wir in einem ersten Schritt aus, ehe wir den Verein zu zweit oder dritt von Mittwoch bis Samstag/Sonntag besuchen.
SPOX: Was passiert in diesen Tagen?
Bonarius: Ergänzend zur vorherigen Analyse der eingereichten Unterlagen führen wir standardisierte Interviews mit Vertretern aus dem Leistungszentrum, aber auch der sportlichen Leitung des Clubs. Diese werden durch gezielte Gespräche mit den Experten des LZ und Einsichten von zusätzlichen Materialien wie Videoanalysen ergänzt. Zusätzlich verfolgen wir vier Trainingseinheiten und zwei Spiele, die noch um die Betrachtung von vier weiteren Spielen per Video ergänzt werden.
SPOX: Gibt es auch Überraschungsbesuche oder wissen die Vereine immer Bescheid?
Bonarius: Mittlerweile ist alles mit den Vereinen abgesprochen, in der ersten Zertifizierungsrunde ab 2007/08 kamen die Auditoren noch unangekündigt. Eine halbe Stunde vor dem Besuch wurde dies damals an die Clubs kommuniziert.
SPOX: Warum wird das nicht mehr gemacht?
Bonarius: Der Prozess hat sich nach dem ersten Durchlauf aufgrund verschiedener Schwerpunktveränderungen angepasst.
SPOX: Ziemlich viele LZ werden von Double PASS mit drei Sternen zertifiziert. Können zwei Vereine mit gänzlich unterschiedlichen Ansätzen drei Sterne bekommen?
Bonarius: Das ist auf jeden Fall möglich. Die Analyse untersucht, inwiefern qualitativ gearbeitet wird und ob entscheidende Dinge wie eine Spielauffassung oder ein Ausbildungsplan in einem LZ vorliegen und ob diese dem angelegten Gütemaßstab entsprechen. Dabei geht es nicht darum, dass die eine Art Fußball spielen zu wollen, besser ist als die andere.
SPOX: In welchen Bereichen gibt es noch größeres Entwicklungspotential?
Bonarius: Ein kritischer Aspekt ist oft die Durchlässigkeit zwischen dem LZ und der Profimannschaft. Hier geht es um die gezielte und strukturierte Unterstützung der Spieler, die sich zwischen LZ und Lizenzbereich befinden sowie um die letztendliche Entscheidung, den letzten Schritt auch zu gehen. Dabei helfen klar definierte Aufgaben und Verantwortlichkeiten, da im Übergangsbereich viel Schnittstellenarbeit vollzogen werden muss. Ein weiterer Punkt ist generell eine sinnvolle und strukturierte Dokumentation und Bündelung der wichtigsten Informationen im LZ. Innerhalb einer Zertifizierung sind die Begriffe Nachhaltigkeit und Personenunabhängigkeit wichtige Elemente. Natürlich ist uns bewusst, dass letztendlich bei einem personellen Wechsel immer eine Anpassungsphase folgt. Mit Hilfe einer guten Dokumentation und Informationsbündelung können neue Mitarbeiter leichter an die bisherige Arbeit anknüpfen und man beginnt nicht immer wieder von vorne. Ein weiterer Punkt ist, dass Dokumentation eine Analyse der eigenen Arbeit erlaubt und somit die Weiterentwicklung im Sinne des Lernens aus der eigenen Arbeit fördern kann.
SPOX: Und die Vereine sehen das anders?
Bonarius: Die Art und Weise und der Dokumentationsgrad bieten schon des Öfteren Anlass zur Diskussion, da oft der administrative Aufwand als sehr groß angesehen wird. Wichtig sind hier clevere Lösungen, die den Dokumentationsaufwand klein halten, aber den Informationsgrad hoch, zum Beispiel Ergebnisprotokolle statt Verlaufsprotokolle.