FC Bayern München gegen RB Leipzig am 16. Spieltag (Mi., 20 Uhr im LIVETICKER) ist nicht nur das letzte Spiel beider Teams vor der Winterpause sondern auch ein echtes Top-Spiel. SPOX wirft einen blick auf taktische Kernaspekte.
FC Bayern München. RB Leipzig. Erster gegen Zweiter und der Abschluss einer furiosen Hinrunde des Aufsteigers. Der amtierende Meister dagegen sucht unter Carlo Ancelotti noch etwas nach seinem Stil, hat diesen in den letzten Partien - mit Ausnahme des Spiels in Darmstadt - aber mehr und mehr festigen können.
Im Vorfeld des Duells wirft SPOX einen Blick aus taktischer Sicht auf die Kernpunkte. Was für ein Spiel ist zu erwarten und welche Anpassungen werden beide Teams vornehmen? Kann Ralph Hasenhüttl mit seinen Bullen den Rekordmeister kaputt pressen oder finden Ancelotti und seine Bayern die entscheidenden Lücken?
Was für ein Spiel ist zu erwarten?
Mit Blick auf die vergangenen Partien beider Mannschaften lässt sich das allgemeine Bild der Partie grob vorhersagen. Der FC Bayern München wird unter normalen Umständen den Ballbesitz übernehmen und versuchen, durch einen geordneten Aufbau zu Chancen zu kommen.
RB Leipzig auf der anderen Seite wird auf die Chance zum Zugriff im hohen Mittelfeldpressing lauern und den Gastgeber dann gezielt unter Druck setzen. Nach Balleroberung geht es bei den Aufsteigern schnell nach vorne, selbst im eigenen Ballbesitz spielt das Team sehr temporeich und vertikal.
Wie agiert RB Leipzig?
Hasenhüttl wird sein Team wie immer in dieser Saison in einer 4-2-2-2-Grundordnung auf das Feld schicken. Die beiden Flügelspieler stehen höher als die Sechser und sind in die Halbräume gezogen. So kontrollieren die Bullen das Zentrum und können die gegnerischen Sechser in einem Sechseck gefangen nehmen.
In einer leicht vor dem Mittelkreis wartenden Formation beginnen die Stürmer schließlich, das Pressing auszulösen. Einer der Stürmer läuft mit einem Bogen von innen an, der zweite sichert derweil das Zentrum. Der ballnahe Mittelfeldaußen läuft mit gegnerischem Außenverteidiger im Deckungsschatten ebenfalls den Innenverteidiger an.
Die Mannschaft rückt insgesamt vor, der ballnahe Außenverteidiger geht deutlich Richtung gegnerische Hälfte. Die eigenen Sechser schieben nach, der ballferne Mittelfeldaußen rückt bis auf die Hälfte des Feldes ein. So leert Leipzig komplett die ballferne Seite und stellt eine hohe Kompaktheit in Ballnähe her. spox
Wie reagiert der FC Bayern?
Soweit bekannt. Doch wie wird der FC Bayern darauf reagieren? Leipzig stellt sein Konzept gegen den Ball nicht um und reagiert aufgrund der Spielansicht Rangnicks auch kaum auf einzelne Bewegungen gegnerischer Spieler. Es wird im Raum gedeckt und fallende Sechser so beispielsweise nicht verfolgt.
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Entscheidend dürften zwei Methoden werden. Im ersten Fall geht es um das schnelle Verlagern der Seite. Durch das Auslösen des Pressings von Leipzig entstehen auf der gegenüberliegenden Seite Freiräume. Können die Innenverteidiger schnell die Seite verlagern, kann dort Raumgewinn erzielt werden.
Im zweiten Fall kann sich Ancelotti eine Methode bei Thomas Tuchel abschauen. Der BVB-Trainer löste das Pressing Leipzigs gerne aus, um dann direkt vom Innenverteidiger auf den ganz breit kommenden äußeren Mittelfeldspieler zu eröffnen. Das bringt diesen in ein Eins-gegen-eins gegen den vorrückenden Außenverteidiger Leipzigs.
Müller kann Räume öffnen
Dieses Eins-gegen-eins kann direkt vom Spielaufbau zur Chancenerarbeitung genutzt werden. Folgte der Pass des BVBs nach außen, stieß der Zehner in den hinter dem Außenverteidiger entstehenden Raum. Dieser wurde meist vom ballnahen Innenverteidiger übernommen.
Erstellt mit TacticalPadFür mobile Nutzer: Eine Option des Spielaufbaus über die rechte Seite
Dadurch entstand eine Lücke zwischen den beiden Innenverteidigern, die wiederum ein Sechser beheben musste. Gelang das nicht schnell genug, konnte Dortmund Fouls rund um den Strafraum ziehen und so vor allem in den ersten zwanzig Minuten für einige gefährliche Situationen in der Hälfte Leipzigs sorgen.
Ähnliche Optionen würde eine Bewegung von Robert Lewandowski auf die jeweiligen Seiten mit sich bringen. Der Pole könnte damit in Wechselwirkung mit Thomas Müller Lücken aufreißen und attackieren. Gleichzeitig ist er natürlich auch immer eine Anspielstation für hohe Bälle.
Die lange Option Lewandowski
Kaum ein Spieler in der Bundesliga kann eine derart gute Verarbeitung von hohen Bällen vorweisen wie Lewandowksi. Er bietet somit eine ganz andere Möglichkeit, die beispielsweise Dortmund nicht hatte: Das Überspielen des Zentrums über die Innenverteidiger auf einen beweglichen Wandspieler.
Lewandowski könnte dann tropfen lassen auf die offensive Dreierreihe in der 4-2-3-1-Grundordnung, die Ancelotti zuletzt mehrfach anstatt des 4-3-3 zog. Die Grafik zeigt das 1:0 vom 12. Spieltag gegen Bayer Leverkusen. Lewandowski fiel, verschaffte sich damit Platz und schickte Alaba auf links. Flanke, Ablage, Schuss, Abpraller, Tor.
OptaFür mobile Nutzer: Der erste Treffer der Bayern gegen Leverkusen durch Thiago
Damit könnte einer der großen Trümpfe Leipzigs komplett ausgeschaltet werden, die Bayern müssen aber vorsichtig sein, sich nicht auf ein offenes, physisches Duell mit den Gästen einzulassen.
Gerade lange Bälle müssen entsprechend abgesichert werden, um den Bullen keinen ihrer präzisen Konter zu ermöglichen. Die Absicherung muss über das gesamte Spiel geboten sein, sonst schlägt Leipzig eiskalt zu. Gerade bei langen Bällen kommt Bayern bei Nichterfolg direkt ins Konterverteidigen.
Konter verteidigen oder verhindern?
Dabei stellte sich zuletzt heraus, dass gegen Leipzig vor allem das Konzept Konter verhindern fokussiert werden sollte. Mit einem kurzen Passspiel und gemeinsamem Aufrücken kann das Team von Ancelotti bei Ballverlust schneller Zugriff herstellen und somit unpräzise Anspiele auf die seitlich ausweichenden Stürmer erzwingen.
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Hierfür könnte sich empfehlen, die Außenverteidiger bei Ballbesitz im gegnerischen Drittel in die Mitte zu ziehen. Allerdings setzte der neue Bayern-Trainer eigentlich bisher auf breite Außenverteidiger und nach innen gehende Flügelspieler. Das Spiel des Rekordmeisters gegen Leverkusen zeigte interessante Ansätze in diesem Bereich.
Während David Alaba auf der linken Seite sehr linear die Linie herab ausgerichtet war, suchte Joshua Kimmich auf der rechten Seite vermehrt den Weg in die Mitte. Bei Flanken konnte er in den Strafraum vorstoßen, bei Ballverlusten oder drohenden Ballverlusten zentral direkt ins Gegenpressing gehen.
Der vorher dargestellte Treffer zeigt die Rolle von Kimmich gut auf, legte er doch für den Schuss vor dem 1:0 ab.
Leipzigs ausweichende Stürmer
Die Bayern offenbarten dennoch Probleme damit, die Gegenangriffe Leverkusens zu verhindern. Philipp Lahm neben Xabi Alonso im zentralen Mittelfeld war nicht derart sicher in der Balleroberung und oft ohne Unterstützung. Gerade gegen den blitzschnellen Timo Werner über die rechte Bayernseite ist die volle Aufmerksamkeit des rechten Innenverteidigers entscheidend.
DAZNAuf der anderen Seite wird sich auch Leipzig seine Gedanken über Anpassungen bezüglich des FC Bayern machen. Gerade der fallende Lewandowski kann zum Schlüssel für die Viererkette werden. Diese muss den Polen entweder ziehen lassen oder mitaufschieben und damit riskieren, dass die schnellen Flügelspieler der Bayern im Rücken entkommen.
Eine vertikale Kompaktheit ist gegen die Bayern ebenso entscheidend wie die horizontale. Wird die Lücke zwischen Sechsern und Abwehr zu groß, können die spielstarken Innenverteidiger der Bayern schnell Linien überspielen und ihre Mitspieler im fortgeschrittenen Zentrum finden.
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Bayerns Qualität kann Spiel entscheiden
Gegen Ribery und Robben muss früh gedoppelt werden. Doch wer übernimmt diese Aufgabe? Die offensiven Flügelspieler sind meist zu weit entfernt, der Innenverteidiger ist gerade bei Bayerns Flankenfokus in der Mitte gefragt. Bleibt beinahe nur ein Sechser, der dann allerdings den zentralen Mittelfeldspielern mehr Platz gewähren würde.
Gut möglich also, dass einer der beiden Stürmer Leipzigs sich mehr um das Zentrum kümmern muss. Das würde allerdings die Gefahr im Konter reduzieren. Hasenhüttl wird hier mit der individuellen Qualität der Bayern konfrontiert, die schon so manchen ambitionierten Gegner erdrückt hat.
Gerade dies sollte bei allen taktischen Überlegen nicht aus dem Hinterkopf verschwinden. Leipzigs riskantes Spiel gegen den Ball bietet enormes Potenzial, steht allerdings auf wackligen Beinen. Können diese attackiert werden, gerät das Team ins Wanken. Und die Bayern können das allein durch ihre individuelle Qualität sehr schnell.
Das Personal
Dieser Artikel ging an bestimmten Stellen von Besetzungen aus, die noch nicht garantiert sind. Der Ausfall von Jerome Boateng wiegt schwer für den FC Bayern, hätte dieser doch dem schnellen Werner Paroli bieten können und wäre gleichzeitig ein wichtiger Faktor für den Aufbau gewesen. Javi Martinez verkörpert den Spielaufbau nicht auf derart hohem Niveau.
Für Xabi Alonso spricht die defensive Stärke, dafür hat er gelegentlich Probleme unter Druck und mit der Geschwindigkeit im Konter. Die Frage Arturo Vidal oder Philipp Lahm könnte entscheidend sein? Da kaum ein anderer Bayern-Spieler derart kluge Entscheidungen unter Druck trifft wie Lahm könnte dieser Thiago im Mittelfeld unterstützen. Vidal dagegen hätte mehr körperliche Präsenz zu bieten - etwa wenn Ancelotti damit plant, das Zentrum konsequent auszulassen.
Lahm im Mittelfeld macht den Platz frei für Kimmich, der seine Rolle wie gegen Leverkusen interpretieren könnte. Hoch und offensiv, dabei aber immer mit Blick für das Zentrum. So kann er vorstoßen und seine Kopfballstärke ebenso einbringen, wie seine Intelligenz und defensive Stärke im Verhindern von Kontern.
Leipzig bangt noch um Naby Keita und Marcel Halstenberg. Ilsanker muss wohl für Marvin Compper zurück in die Innenverteidigung, die neue Sechs könnten Dominik Kaiser und Diego Demme bilden. Links würde Bernardo nach 90 Minuten gegen die Hertha starten. Insgesamt nicht die besten Vorzeichen.