Kurz vor dem Jahreswechsel sorgten vier einfache Worte für Aufruhr am Frankfurter Riederwald. "El Sucesor de Pepe" stand auf dem Titelblatt der Marca geschrieben. Doch der eigentliche Unruheherd reckte neben diesen weißen Lettern die Faust in die Höhe: Jesus Vallejo sei "der Ausgewählte Zidanes".
Die Vertragsverhandlungen zwischen Pepe und Real Madrid seien demnach ins Stocken geraten. Der Portugiese wolle zwei weitere Jahre bei den Königlichen bleiben, während der Verein lediglich einen Einjahresvertrag abschließen möchte.
Falls Pepe also in die chinesische Super League oder nach England wechseln sollte, stehe mit Vallejo der Nachfolger schon parat. Trainer Zinedine Zidane plane langfristig mit dem Youngster. Die Rückkehr des Innenverteidigers in die spanische Hauptstadt ist also gesichert. So zumindest die Theorie.
"Mit Zidane habe ich bisher noch keinen Kontakt gehabt, weder telefonisch noch persönlich", nimmt Vallejo selbst ein wenig die Schärfe aus dieser Debatte. Während die spanischen Medienberichte bereits so klingen, als sei der Vollzug des Wechsels nur noch Formsache, will der 20-Jährige davon nichts wissen: "Es ist keinesfalls sicher, dass ich zurück muss", sagte er zur Frankfurter Rundschau.
"Er ist eine Maschine"
Mittlerweile sind die vielen Einzelteile bei der Eintracht zu einem Ganzen verschmolzen. Noch vor der Saison wurde im Umfeld des Klubs die zunehmende "Internationalisierung" teils heftig kritisiert. Es war die Rede von zu viel Individualität und zu wenig eingeschworenem Haufen, von zu vielen Leihspielern und zu wenig Kontinuität. Bei Spielern aus 18 Ländern und fünf Akteuren, die nur leihweise am Main spielen, erschien diese Kritik nicht unberechtigt - eigentlich.
Denn Vallejo, der Real gehört, aber aus Saragossa nach Frankfurt wechselte, steht stellvertretend für den aktuellen Erfolg der Adlerträger. Das Konzept von Coach Niko Kovac, zunächst defensiv gut zu stehen, ging in der Hinrunde auf. Mit nur zwölf Gegentreffern nach 16 Spielen stellte man einen neuen Vereinsrekord auf. Neben Torhüter Lukas Hradecky war vor allem der spanische Lockenkopf der Garant für die stabile Verteidigung. In jedem Ligaspiel zum Einsatz gekommen, verzeichnete er 49 abgefangene Bälle und 59 klärende Aktionen.
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"Der Junge ist der Wahnsinn, er ist eine Maschine. Ich muss wirklich in Superlativen sprechen", lobte Kovac seinen Schützling in den höchsten Tönen. Trotz seiner jungen Jahre sei er "so klar im Kopf, wie man es eigentlich erst mit Anfang 30 ist." Kein Wunder, dass er voll auf den 20-Jährigen setzt: Seit dem dritten Spieltag gegen Bayer Leverkusen hat er keine Bundesliga-Minute mehr verpasst. Egal ob Dreier-, Vierer- oder Fünferkette, Vallejo stabilisiert die SGE-Defensive zusammen mit David Abraham in jedem Spielsystem.
Vor dem Transfer erklärte Sportdirektor Bruno Hübner, dass der Neuzugang über "eine gute Spieleröffnung mit einem guten Passspiel" verfüge. Nicht nur mit dem frechen Tunnel gegen Arjen Robben beim Spiel gegen die Bayern hat der Spanier dieses Versprechen eingehalten. Von den 792 Pässen, die er gespielt hat, sind 86,9 Prozent angekommen. Auch in der gegnerischen Hälfte liegt die Passquote bei knapp 80 Prozent.
Zweites Standbein Jura-Studium
Während man bei seinem Spielstil problemlos das Bild des gewissenhaften Arbeiters zeichnen könnte, sieht er bei sich selbst noch Verbesserungspotenzial. "Ich gehe die Dinge sehr diszipliniert an und lerne jeden Tag dazu. Ich bin wie ein Fußball-Erasmus-Student", sagte er zur Marca. Die größte Baustelle ist wohl seine Physis. Mit 1,83 Metern und seiner schlaksigen Erscheinung ist er nicht gerade der Stereotyp eines Innenverteidigers. Bei Zweikämpfen in der Luft hat er noch Optimierungsbedarf.
Der Vergleich des Studenten ist aber gar nicht so weit hergeholt. Weil er sich nicht vollständig auf die Karriere als Profi verlassen wollte, schrieb er sich für ein Jura-Fernstudium ein. Auf Auswärtsfahrten ist er nicht wie andere Spieler in seinem Alter mit dicken Kopfhörern oder einem Smartphone zu sehen, sondern mit Büchern. Einen Social-Media-Auftritt sucht man vergeblich.
Als sein Wechsel von Saragossa zu Madrid feststand, verabschiedete er sich mit einem emotionalen Brief bei den Fans. Er unterstrich, wie viel er dem Verein zu verdanken habe und dass er eines Tages zurückkehren werde - falls sie damit einverstanden seien. Man kann ihn getrost als Gegenentwurf zum typischen Jungprofi bezeichnen.
Kehrtwende im Fall Pepe?
Dass er eines Tages für das Weiße Ballett spielen möchte, ist dagegen nicht ungewöhnlich für einen aufstrebenden Fußballer. "Ich habe bei Real Madrid unterschrieben, da es mein größter Traum ist, eines Tages dort zu spielen. Wir wollen doch alle mit den besten Fußballern der Welt die Umkleidekabine teilen und uns mit den besten Teams der Welt messen - und genau das kann man bei Real Madrid."
Bei der Eintracht sieht man einem Wechsel gelassen entgegen. Und das nicht nur, weil Pepe nun angeblich doch mit einem Verbleib in Spanien liebäugelt. Wie die portugiesische Sportzeitung A Bola berichtet, wolle sich der 33-Jährige bei den Königlichen auf die WM 2018 vorbereiten. Das Turnier in Russland wird wohl den Schlusspunkt seiner Nationalmannschaftskarriere bilden.
SGE-Sportvorstand Fredi Bobic hob zudem hervor, dass man sich weiter an Vallejo "erfreuen" solle. Wie lange das noch möglich ist? "Vielleicht noch fünf Monate, vielleicht noch ein Jahr. Vielleicht sehen wir ihn ab Sommer auch bei Real in der Champions League", so die Antwort.
"Die Zukunft gehört ihm doch eh"
Fakt ist, dass man den Innenverteidiger so lange halten möchte wie es nur geht. Bobic soll sogar in Madrid vorstellig geworden sein, um die Leihe bis 2019 auszudehnen. Und tatsächlich erscheint ein weiteres Jahr in Frankfurt logisch. Die zweite Saison in einer neuen Liga - so heißt es - ist die schwierigere, vor allem wenn die erste Spielzeit so erfolgreich war. Die Herausforderung liegt darin, die starke Form zu bestätigen. Und das dürfte in einem gewohnten Umfeld leichter fallen als beim Titelverteidiger der Champions League.
"Ich würde ihm raten, dass er genauso weiter arbeitet wie bisher, hier weiter wertvolle Erfahrung und Spielpraxis sammelt. Die Zukunft gehört ihm doch eh. Und Real Madrid läuft so schnell nicht weg", rät auchTeamkollege Omar Mascarell.
In Madrid wäre Vallejo ohnehin starker Konkurrenz ausgesetzt. Selbst wenn Pepe den Verein verlassen sollte, sind da immer noch Sergio Ramos und Raphael Varane, hinter denen er sich einordnen müsste. Dass es auch anders geht, hat Daniel Carvajal gezeigt. Über die Zwischenstation Bayer Leverkusen schaffte er die Beförderung von der zweiten Mannschaft zu den Real-Profis.
Jesus Vallejo im Steckbrief