Frage: Herr Castro, nach einer mittelmäßigen Hinrunde in der Bundesliga sind die Erwartungen an den BVB für das neue Jahr besonders groß. Wie geht man damit als Spieler um?
Gonzalo Castro: Wir sind der BVB, die Ansprüche sind immer hoch. Die Älteren wissen schon Bescheid, aber die jungen Spieler hatten jetzt ein erstes halbes Jahr, um sich an die Bundesliga zu gewöhnen. Wir können in der Rückrunde wesentlich mehr Punkte holen. Die Probleme sind uns bekannt und alle thematisiert. Wir dürfen uns jetzt nicht verrückt machen. Denn wir wissen auch, was wir gut gemacht haben. Wir sind im Reinen mit uns.
Frage: Was waren für Sie die größten Probleme?
Castro: In den letzten sieben Partien sind wir immer in Rückstand geraten. Das macht es dann doppelt und dreifach schwer und kostet enorm viel Kraft. Gerade auswärts und gerade dann, wenn man alle drei Tage spielt und viele Verletzte zu beklagen hat. Es wurden viele Spieler eingesetzt, die es nicht gewohnt waren, unter diesem Druck von Beginn an in der Liga oder der Königsklasse zu spielen.
Frage: Wie arbeitet man nun an der nötigen Stabilität, die dem Team häufiger abging?
Castro: Das Wichtigste ist, dass wir mittlerweile wieder fast alle Spieler zur Verfügung haben und in einer großen Gruppe trainieren können. Wir sind nie so richtig in den Rhythmus gekommen in der Hinrunde. Jetzt jedoch können wir uns auf das Wesentliche konzentrieren, wenn auch die Winterpause nicht besonders lang ist. Das sollte aber der erste Grundstein sein, um wieder zu größerer Stabilität zu finden.
Frage: Braucht es innerhalb der Mannschaft ein höheres Maß an Kommunikation, um die Ziele zu erreichen?
Castro: Das glaube ich nicht. Wir sind alle schlau genug, um die taktischen Vorgaben und genauen Abläufe umzusetzen. Wir wissen, was der Trainer von uns verlangt. Auch bei den Neuzugängen ist es so, dass sie den Großteil der Anforderungen mittlerweile verinnerlicht haben.
Frage: Schielt man vor allem auf Platz zwei oder nimmt man sich zunächst erst einmal den dritten Platz vor?
Castro: Wir setzen uns nun erst einmal einen kleinen Block und müssen schauen, dass wir gut in die ersten Spiele finden und genügend Punkte sammeln. Auf was das dann am Ende hinauslaufen wird, kann ich derzeit nicht vorhersagen. Klar ist aber, dass wir uns wieder direkt für die Champions League qualifizieren wollen.
Frage: In der Hinrunde stach vor allem der nicht ganz alltägliche Aufsteiger aus Leipzig hervor. Wie ernst nimmt man RBL im Kampf um die internationalen Plätze?
Castro: Leipzig muss man sehr ernst nehmen. Sie haben in der Hinrunde bewiesen, dass sie enorme Qualität haben. Nicht mit den großen Namen, aber sie treten als Team sehr gut auf. Leipzig hat ein Statement an die Liga gesetzt. Wir sind jedoch gut beraten, nur auf uns zu schauen und genügend Punkte zu sammeln, um die Champions League nicht aus den Augen zu verlieren.
Frage: Ihre eigene Hinrunde begann stark, dann verletzten Sie sich und fielen ein wenig in ein Loch. Wie blicken Sie darauf zurück?
Castro: Ich hatte eine sehr gute Frühphase erwischt, doch irgendwann kamen ein paar Spiele, in denen ich einfach nicht in der besten Verfassung war. Die Spieler, die von der EM zurückkamen, waren zu diesem Zeitpunkt etwas frischer und haben dann auch gespielt. Es hat sich etwas abgewechselt und ich habe darüber auch mit dem Trainer gesprochen. Gegen Ende der Hinrunde war ich froh, wieder richtig fit zu sein.
Frage: Welche Ziele setzen Sie sich persönlich für das neue Jahr?
Castro: In erster Linie wünscht man sich natürlich Gesundheit. Die Verletzungspause in der Hinrunde hat mich etwas zurückgeworfen. Dazu möchte ich meine Tor- und Assistquote erhöhen, das geht noch besser.
Frage: Sie gehören in Dortmund zu den erfahrenen Akteuren. Fühlen Sie sich beim BVB eher als Führungsspieler als noch in Leverkusen?
Castro: Es ist anders. Ich habe ein gewisses Alter und schon zahlreiche Spiele gemacht. Hier bin ich klarer Führungsspieler und versuche das gerade für die jungen Spieler zu sein. In Leverkusen war ich lange im Verein und gehörte zum Inventar.
Frage: Merken Sie es den Youngstern an, dass es ihnen hilft, wenn mehr etablierte Kräfte auf dem Feld stehen?
Castro: Natürlich, man merkt das auch im Training. Es ist unstrittig, dass alle sehr talentiert sind. Sie hören vor allem auch gut zu, was keine Selbstverständlichkeit ist. Manche machen eher viel lieber ihr eigenes Ding, aber das trifft hier auf keinen einzigen zu. In zwei, drei Jahren werden wir mit ihnen eine richtig gute Mannschaft stellen.
Frage: Trainer Thomas Tuchel tritt in Marbella sehr locker auf und lacht viel. Kommt das auch bei den Spielern an?
Castro: Ja, auf jeden Fall. Er strahlt positive Energie aus.Nach dieser sehr guten Vorsaison ist zuletzt der Druck auch aufgrund der Verletztensituation immer mehr gestiegen. Ich finde, der Trainer und wir haben diese Widrigkeiten in der Hinrunde aber noch ziemlich gut kompensiert. Er ist sehr offen und weiß, was er will. Das gibt er uns täglich zu spüren. Er verlangt auch viel von uns, aber das würde er nicht tun, wenn er wüsste, dass wir es nicht auch umsetzen können.
Frage: In der Hinrunde gab es wegen der Verletzten viele personelle Wechsel, aber auch einige unterschiedliche taktische Systeme. Hat es das schwieriger gemacht, Automatismen entstehen zu lassen und müsste man jetzt verstärkt auf ein klares personelles wie taktisches Gerüst setzen?
Castro: Dazu müssen vor allem mal die Spieler fit sein. Wir waren wie gesagt häufig zum Umstellen gezwungen. Man muss zudem auch erst einmal die vielen Neuzugänge richtig kennenlernen. Man sieht ja beispielsweise an Raphael Guerreiro, dass er uns als offensive Zehn sehr weiterhilft, obwohl man anfangs dachte, er sei ein reiner Linksverteidiger. Natürlich hat man wenig Zeit in diesem Geschäft, um Dinge auszuprobieren. Das ging eben mal gut und mal nicht so gut.
Frage: Dennoch entzündete sich an Tuchel teilweise viel Kritik. Wie beobachten Sie ihn?
Castro: Er lernt natürlich auch aus Fehlern. Er ist ein sehr intelligenter Trainer, der Tag für Tag dazu lernt und sich permanent weiterentwickeln möchte. Wir erfahrenen Spieler haben Mitspracherecht und tauschen uns aus, auch wenn er natürlich die finale Entscheidung trifft. Wir arbeiten mit ihm an der Unberechenbarkeit als Team. Da gehören viele Facetten dazu und wir sind dabei, diese Dinge immer weiter als Mannschaft zu verinnerlichen.
Frage: Tuchel war Ende September darüber enttäuscht, dass Sie nicht zur Nationalmannschaft eingeladen wurden. Und Sie?
Castro: Das war ich auch, das sage ich ganz ehrlich. Ich befand mich in der wohl besten Verfassung meiner Karriere. Es sollte aber nicht sein und das habe ich akzeptiert. Ich kann nur versuchen, weiter dran zu bleiben. Wenn das nichts hilft, dann ist es eben so.
Frage: Im Sommer steht der Confed Cup an, den Bundestrainer Joachim Löw nicht mit den etablierten Kräften bestreiten wird. Wäre das für Sie ein Ziel oder würden Sie eher einen längeren Urlaub vorziehen?
Castro: Eine WM oder EM wäre mir lieber. (lacht) Grundsätzlich wäre ich natürlich froh, mal wieder eingeladen zu werden. Andererseits tut ein längerer Urlaub nach einer intensiven Saison auch immer gut.
Frage: Gab es zuletzt eine Art Feedback oder stehen Sie mit dem Bundestrainer in Kontakt?
Castro: Nein.
Gonzalo Castro im Steckbrief