Sven Bender spielt seit 2009 für Borussia Dortmund und ist mittlerweile einer der Führungsspieler. Der 27-Jährige wird jedoch immer wieder von Verletzungen geplagt, auch in der aktuellen Saison fiel Bender lange aus. Im BVB-Trainingslager in Marbella sprach der deutsche Nationalspieler mit den Journalisten - über sein Jahr 2016, aktuelle Probleme der Borussia und die Kapitänsfrage.
Frage: Herr Bender, das Jahr 2016 hielt drei bemerkenswerte Ereignisse für Sie bereit: Die Teilnahme an Olympia, die anschließende Verletzungspause und die Geburt Ihres ersten Kindes. Was bleibt von diesem Jahr für Sie?
Sven Bender: Positives wie Negatives. Ich war eine sehr lange Zeit verletzt und habe diese Situation wie schon so häufig in der Vergangenheit angenommen. Es war ein leidiges Thema, aber trotzdem versucht man immer wieder, so schnell wie möglich wieder zurück zu kommen. Ich habe häufig darauf gewartet, dass es besser wird, aber es hat sich zunächst nichts geändert. Mittlerweile ist wieder alles okay.
Frage: Zumal es ja noch die Rückrunde der Vorsaison gab, die für Sie ziemlich gut lief.
Bender: Genau, deshalb sehe ich 2016 auch als schönes Jahr. Ich habe in der letzten Rückrunde viel gespielt und war fit. Olympia war für mich dann ein besonders schönes Highlight, das hat unglaublich viel Spaß gemacht. Das Schönste während der Verletzungszeit war dann die Geburt meines Sohnes. Ich nehme all dies aus diesem Jahr mit. Die schlechten Dinge kann ich ja nicht ändern und sie bleiben auch nicht lange hängen.
Frage: Wie angenehm ist es hier in Marbella, mal wieder richtig ausschlafen zu können?
Bender: Das fragt mich komischerweise jeder, aber es ist ganz entspannt. Wir haben zu Hause klare Regeln aufgestellt und mein Sohn hält sich bislang einwandfrei an alle. (lacht)
Frage: Sie haben bei Olympia nach dem erfolgreichen Halbfinale bereits Schmerzen verspürt, dann aber dennoch das Finale gespielt. Wie sehr sind Sie da auch ins Risiko gegangen?
Bender: Ich hatte schon vor dem Turnier ein paar Problemchen mit dem Fuß. Die habe ich aber nicht wirklich wahrgenommen. Obwohl es nicht an einer bestimmten Spielsituation lag, war das nach dem Halbfinale aber anders und ich war mir nicht sicher, ob ich im Endspiel dabei sein kann. Selbst am Finaltag war ich morgens noch unsicher, ob das überhaupt Sinn macht. Beim Aufwärmen fühlte es sich dann aber so an, als ob es gehen würde. Daher hat mich das auch nicht mehr gekümmert, da ich auch während des Spiels keine Schwierigkeiten hatte.
Frage: Aber anschließend.
Bender: Da wurden sie deutlich schlimmer, ja. Ich dachte anfangs, dass es vielleicht eine Woche dauern würde. Allerdings wurde es nicht wirklich besser, das war eine komische Nummer. Ich würde die Entscheidung aber wieder so treffen, denn sie war ursächlich nicht falsch. Sonst hätte ich ja schon während des Endspiels die Hand heben und mich auswechseln lassen müssen.
Frage: Der BVB hat dann größtenteils ohne Sie eine vom personellen Umbruch und vielen Verletzungssorgen geprägte Hinrunde gespielt. Mit der Punkteausbeute in der Bundesliga ist man nicht zufrieden. Was konnten Sie von außen als verletzter Spieler tun, um zu helfen?
Bender: Ich habe versucht, rund um die regulären Einheiten häufig am Trainingsgelände zu sein, um weiterhin nah am Team zu sein und einzuwirken. Ich wollte präsent sein und positive Energie ausstrahlen. Gerade in den Phasen, in denen nicht alles so leicht von der Hand ging.
Frage: Spürten Sie da als einer der Dienstältesten besondere Verantwortung?
Bender: Natürlich, das ist ja auch selbstverständlich. Ich nehme die Rolle als Führungsspieler gerne an und versuche sie jeden Tag vorzuleben. Wir brauchen solche Figuren und da sind vor allem Spieler wie ich gefordert, die schon länger im Verein sind. Gerade aufgrund des jungen Kaders und der ausländischen Spieler, die andere Sprachen sprechen, macht es Sinn jemanden zu haben, der die Richtung vorgibt.
Frage: Mittlerweile stehen Sie wieder halbwegs im Saft und trainieren mit der Mannschaft. Wie wichtig ist gerade dieses Trainingslager für Sie nun?
Bender: Es war ja einzig der Verletztensituation geschuldet, dass ich im vergangenen Jahr überhaupt noch einmal zum Zug kam. Das war natürlich nicht die optimale Situation, aber ich habe wiederum auch gerne geholfen. Für mich ist es jetzt wichtig, die gesamte Vorbereitung mitzunehmen und eine gute Basis für die Rückrunde zu legen, damit ich den nötigen Schwung auf Anhieb mitnehmen kann.
Frage: Andererseits ist die Winterpause nicht besonders lang. Reicht Ihnen diese Vorbereitungsphase, um nach der langen Verletzungspause wieder in den Rhythmus zu finden?
Bender: Ich hoffe es, denn die Zeit ist in der Tat kurz. Daher bin ich auch froh, dass ich vor der Winterpause dann doch schon diese zwei Spiele machen konnte. Das war für mich eine Art Verlängerung der Vorbereitung. Im Urlaub hatte ich meinen Plan und habe keine großartige Pause eingelegt. Ich muss schauen, dass ich nun konstant dran bleibe und kein großes Tief mehr kommt. Dennoch bin ich mir bewusst, dass man nach einer solchen Abwesenheit immer seine Zeit braucht, um sich wieder zu Recht zu finden.
Frage: Die mangelnde defensive Stabilität ist bisweilen ein großes Problem in der Hinrunde gewesen. Wie wichtig wird es sein, künftig auf eine feste Formation setzen zu können?
Bender: Wir waren in der Hinrunde aufgrund der vielen Verletzungen in fast allen Mannschaftsteilen gezwungen zu rotieren. Deshalb liegt es vor allem an uns Spielern, zusammen zu versuchen, die Verletzungen zu minimieren. Erst dann kann sich eine Formation herauskristallisieren, die mal ein paar Spiele am Stück macht und sich einspielen kann. Dann ist es nämlich punktuell auch leichter zu rotieren. Ich glaube, wenn alle fit bleiben, wird es für jeden Spieler einfacher, ins Team zu kommen. Denn dann kannst du auf hohem Niveau trainieren und bist ständig dabei, ohne Unterbrechungen.
Frage: Merken Sie im Training bereits Fortschritte in dieser Hinsicht?
Bender: Zunächst einmal waren wir damit grundsätzlich nicht zufrieden und haben darüber Gespräche geführt. Wir wollen diese Fehler unbedingt abstellen, denn es ist für uns sehr blöd, wenn wir in Rückstand geraten. Mit einer Führung im Rücken ist es dagegen sehr schwer für die Gegner, uns überhaupt noch Punkte abzunehmen. Defensive Sicherheit geht nur mit einer guten Kommunikation, Abstimmung und der Bereitschaft, seinen Mitspielern zu helfen. Die Schwerpunkte im Training liegen auf allen Themen, wir können ja keines vernachlässigen - und wollen dazu die Dinge, die gut gelaufen sind, weiter perfektionieren.
Frage: Im Umfeld herrscht auf eine gewisse Weise ein diffuses Gefühl der Unzufriedenheit, das sich teils an öffentlicher Kritik am angeblich so unnahbaren Trainer Thomas Tuchel manifestiert. Wie sieht das die Mannschaft?
Bender: Ich höre das ehrlich gesagt gerade zum ersten Mal. Ich lese allerdings auch sehr wenig. Bisher hatte ich damit aber wirklich keinen Kontakt und sehe da auch nichts problematisch.
Frage: Überrascht Sie dennoch diese gefühlte Heftigkeit gerade der Debatte um die Defensive? Zumal man im Vorjahr nach 16 Spielen sogar zwei Gegentore mehr kassiert hat als zum aktuellen Zeitpunkt.
Bender: Die Debatte ist absolut legitim, denn wir haben teilweise in ganz einfachen Situationen wie zum Beispiel nach Kontern Gegentore bekommen. Das ist besonders bitter für uns, wenn der Gegner mit zwei, drei schnellen Pässen zum erfolgreichen Torabschluss kommt. Das müssen wir nun schlichtweg besser machen. Ganz egal, ob wir im Vorjahr mehr oder weniger Tore kassiert haben.
Frage: Sie persönlich sind nach langen Jahren im defensiven Mittelfeld unter Tuchel in die Innenverteidigung gerutscht. Wo sehen Sie sich grundsätzlich?
Bender: Ich sehe mich momentan ganz klar als Innenverteidiger.
Frage: Wie kam es denn überhaupt zu diesem Umschulungsprozess?
Bender: Ich habe mich mit dem Trainer darüber unterhalten und er hat mir das Thema etwas nähergebracht. Da wir sehr hoch auf dem Feld stehen, macht das für mich mit meinen Eigenschaften Sinn. Wir hatten beide das Gefühl, dass es eine Position ist, die mir liegen kann. Daher haben wir das versucht. Mich stört das auch nicht, sondern ich finde, dass es meinem Spiel nahe kommt. Eigentlich stehe ich fast genau dort auf dem Spielfeld, wo ich vorher auch stand.
Frage: Aber eine Umstellung war es schon, oder?
Bender: Klar, auch keine kleine. Man muss sich vor allem anders im Zweikampf verhalten und neue Laufwege gehen. Das macht es für mich auch interessant und als Spieler flexibler.
Frage: Interessant wird auch sein, wer am 17. Spieltag gegen Werder Bremen die Mannschaft des BVB als Kapitän aufs Feld führen wird. Marcel Schmelzer trug in der Hinrunde die Binde, Marco Reus ist ein weiterer Kandidat. Tuchel meinte, man müsse sich noch bis zum Pflichtspielstart gedulden. Wie stehen Sie zu dieser Sache?
Bender: Ich persönlich brauche das Thema nicht und es wird auch größer gemacht, als es ist. Innerhalb der Mannschaft ist es keines. Marcel Schmelzer ist unser Kapitän, fertig aus. Wir haben eine Hand voll Führungsspieler und die wissen um ihre Funktion innerhalb des Teams. Auch ich habe mein Wort, brauche dafür aber nicht die Binde.
Frage: Könnte es auch ein Wunsch von Tuchel sein, dass diese Frage von der Mannschaft untereinander geklärt und insgesamt häufiger miteinander kommuniziert wird?
Bender: Man muss schon festhalten, dass wir als Mannschaft extrem gefragt sind. Wir sind auch dafür verantwortlich, dass wir als Team funktionieren. Im Verbund mit dem Trainerteam haben wir nur eine Aufgabe: erfolgreich Fußball zu spielen. Es sind daher alle gefragt, jeder Einzelne. Nur so geht's. Als Team kann man Berge versetzen und daher haben wir auch die Verpflichtung, gerade die vielen talentierten Neuzugänge an die Hand zu nehmen. Ich persönlich fühle mich da komplett angesprochen.
Frage: Wie blicken Sie also insgesamt auf die Rückrunde?
Bender: Die Chance, vieles besser zu machen, ist sehr groß. Wir brauchen einen guten Start. Es ist noch viel drin, es gibt noch genügend Punkte. Wir wollen noch das Größtmögliche erreichen.
Sven Bender im Steckbrief