Es steht nicht zur Debatte: Die Übergriffe Dortmunder Anhänger auf Fans von RB Leipzig im Vorfeld des Bundesligaspiels am Samstagabend sind aufs Schärfste zu verurteilen. Die Geschehnisse, die in der sogenannten Anmarschphase zum Stadion beobachtet wurden, sind aktuell Bestandteil polizeilicher Ermittlungen. Es bleibt in erster Linie inständig zu hoffen, dass die Täter am Ende auch tatsächlich ermittelt und verurteilt werden.
Eine thematisch dazu passende, aber dennoch anders gelagerte Sachlage betrifft das Meer an Transparenten, in das die Südtribüne kurz vor Anpfiff der Partie gehüllt wurde. Nicht bei der Anzahl, sondern beim Inhalt schossen die schwarzgelben Initiatoren reichlich über das Ziel hinaus.
In einem Fußballstadion gilt das Recht zur freien Meinungsäußerung, eine Ablehnung gegen das Konstrukt RB Leipzig darf dort zweifelsfrei geäußert werden. Ein Fußballstadion erwirkt dadurch aber noch lange nicht den Status eines rechtsfreien Raums. Derbste Beleidigungen gegen bestimmte Personen haben mit den Dimensionen eines geordneten und sinnhaften Protests nichts zu tun.
Die Position der Dortmunder Fanszene gegenüber dem Verein aus Sachsen ist hinlänglich bekannt. Dass das erste Heimpflichtspiel gegen diesen Klub dann dazu genutzt wird, um der Ablehnung ein weiteres Mal vehement Ausdruck zu verleihen, war vorhersehbar und hätte niemanden überraschen dürfen - weder Veranstalter, noch Polizei.
Aber erst Recht nicht den DFB. Nicht zum ersten Mal hat das Sportgericht des Verbands die Dortmunder Fans für ihr Verhalten auf Bewährung gesetzt. Schon im März 2014 wurde der BVB nach diversen Vergehen aufgrund des Einsatzes von Pyrotechnik zu einer Geldstrafe sowie einem Teilausschluss der Südtribüne verurteilt.
Damals kam es in der siebenmonatigen Bewährungszeit zu keinem schwerwiegenden Wiederholungsfall. Zuletzt im Juli 2016 sanktionierte der DFB die Borussia erneut. Die Vergehen: mehrere pyrotechnische Vorfälle, aber auch ein Blocksturm während des Pokalendspiels oder die Tennisballwürfe während des Pokalspiels in Stuttgart. 75.000 Euro hoch war der Strafbetrag diesmal, die Androhung eines Bundesliga-Heimspiels unter teilweisem Ausschluss der Öffentlichkeit wurde erneuert, die Bewährungszeit bis zum 31. Mai 2017 verlängert.
Nun lässt sich trefflich darüber streiten, wann ein solch schwerwiegender Wiederholungsfall überhaupt vorliegt. Reicht ein weiterer Pyro-Auftritt schon aus oder müssen es eher derer zwei oder drei sein? Wie geht man mit der Tatsache um, dass ein Teil der BVB-Fans Wiederholungstäter sind? Das Vorgehen des DFB wirkt schwammig und wenig stringent.
Denn: Eine Woche vor der Partie gegen Leipzig, nämlich am Sonntag beim Auswärtsspiel in Mainz, brannte es im Dortmunder Block lichterloh. Auch das im Grunde keine komplette Überraschung. Schließlich sollte bekannt sein, dass beim ersten Auswärtsauftritt im neuen Jahr einige Fanszenen den Einsatz von Pyrotechnik glorifizieren.
Der DFB hätte deshalb aber bereits im Vorfeld des Topspiels gegen Leipzig harte Hand demonstrieren und am Samstagabend wie im Urteil angekündigt die Stehplatzbereiche 10 bis 15 der Südtribüne sperren müssen. Die Entscheidung des Verbands, das Abbrennen von Pyrotechnik in Mainz nicht als vergleichbares Vergehen zu interpretieren und stattdessen wohl eher ein weiteres Mal eine Geldstrafe auszusprechen, war inkonsequent und falsch.
Vielmehr erhärtet sich so der Verdacht, Verband und Liga wollten mit dieser Entscheidung das Hochglanzprodukt Bundesliga schützen. Eine in Dutzenden Ländern vielbeachtete Begegnung wie jene zwischen Dortmund und Leipzig mit einer deutlich sichtbaren Lücke auf Europas größter Stehplatztribüne auszutragen, hätte ein Bild abgegeben, das offensichtlich niemand transportiert sehen wollte.
Um dem willkürlichen Auftreten dieser Minderheit an Dortmunder Anhängern - wohlgemerkt innerhalb des Stadions - Einhalt zu gebieten, hätte der Verband die heilige Kuh vom Eis nehmen und die entsprechenden Bereiche der Südtribüne sperren müssen. Nach den Auswüchsen vom Samstagabend ist dieser Schritt nun überfällig. Und wer weiß, vielleicht trägt er langfristig gesehen sogar zu einer (Teil-)Lösung des Problems bei.