"Zlatan kann die ganzen Sprüche auch bringen"

Jochen Tittmar
11. Mai 201713:08
Emil Forsberg spielte in Schwedens Nationalelf mit seinem Vorbild Zlatan Ibrahimovic zusammenimago
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Emil Forsberg war für SPOX der Spieler der Hinrunde. Der Schwede ist mit RB Leipzig am vergangenen Wochenende in die Champions League eingezogen. Im Interview spricht Forsberg über seine Zeit im Floorball, die Entwicklung in Schweden, Zlatan Ibrahimovic und seine längste Durststrecke.

SPOX: Herr Forsberg, Ihr Vater sagte einmal, Sie seien ohne Zweifel der langweiligste Spieler, den man interviewen könne. Damit hat er ja hoffentlich nicht Recht, oder?

Emil Forsberg: Doch, das stimmt auf jeden Fall.

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SPOX: Dann können wir es ja gleich lassen.

Forsberg: Sie sollten von mir nur keine gute Schlagzeile erwarten. (lacht) Ich bin im Grunde ein ziemlich einfacher, entspannter Typ.

SPOX: Ihre Vita deutet eher auf großen Ehrgeiz hin. Sie sind schon früh mit einer anderen Sportart als Fußball groß geworden: Zwischen Ihrem siebten und 17. Lebensjahr haben Sie Floorball gespielt, eine Hockey-Variante in der Halle.

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar sprach mit Emil Forsberg am Leipziger Trainingszentrumspox

Forsberg: Angefangen hat alles mit dem Fußball. Da war ich vier Jahre alt. Als ich in die Schule kam, habe ich durch neue Freunde auch andere sportliche Aktivitäten kennen und lieben gelernt. Es konzentrierte sich dann im Grunde auf Fußball, Tennis, Eishockey und Floorball.

SPOX: Am Ende fielen Eishockey und Tennis durch das Raster. Weshalb?

Forsberg: Ich hatte keine Zeit für das Eishockey, da mich meine Eltern nicht regelmäßig in die Halle fahren konnten. Darauf war ich aber angewiesen, wenn ich das vernünftig hätte durchziehen wollen. Beim Tennis habe ich mit zunehmendem Alter schlichtweg das Interesse verloren. Die Mischung hat dann auch gepasst: Floorball im Winter, Fußball im Sommer.

SPOX: Wieso hat sich der Fußball durchgesetzt?

Forsberg: Bevor ich 17 war, habe ich überlegt, ob ich nicht meine volle Konzentration auf Floorball legen soll. Ich stand damals ein wenig vor dem Scheidepunkt. Mit 17 habe ich dann aber ein zweiwöchiges Probetraining bei meinem Heimatklub GIF Sundsvall absolvieren dürfen. Das ist sehr gut gelaufen. Ich habe regelmäßig gespielt und war ein Kandidat für die schwedische U19-Nationalmannschaft. Mein Vater hat mir auch geraten, beim Fußball zu bleiben. Er meinte, zum Floorball könne ich später immer noch zurückkehren, für eine Fußballkarriere gäbe es aber nur eine Chance und darauf könne man sich nicht zu spät festlegen.

SPOX: Ihr Großvater Lennart und Ihr Vater Leif waren beide Profifußballer in Sundsvall, wie Sie debütierten die beiden im Alter von 17 Jahren für die erste Mannschaft. War es auf Ihrem Weg auch mal hinderlich, diese berühmten Familienmitglieder zu haben?

Forsberg: Nein, dahingehend gab es nie Druck und es hat sich auch nie wie eine Last angefühlt. Als ich ausschließlich als Fußballer wahrgenommen wurde, haben das die Zeitungen natürlich aufgegriffen: Schaut her, hier kommt der Sohn von Leif. Er ist dort einfach eine Legende. Ich habe aber schon immer betont: Er hat sein Ding gemacht und ich mache meins. Ich habe mich nie selbst unter Druck gesetzt, aber ich hatte und habe immer große Erwartungen an mich.

SPOX: 2009 debütierten Sie für Sundsvall, kurz darauf sind Sie in die dritte Liga zu Medskogsbron BK ausgeliehen worden. Dort trafen Sie im ersten Spiel doppelt und es ging fast umgehend zurück nach Sundsvall.

Forsberg: Medskogsbron war der Ausbildungsverein, so etwas wie die U23 von Sundsvall. Dort konnte man sich als jüngerer Spieler für das A-Team empfehlen. Das hat gut geklappt und ich durfte ziemlich schnell zur ersten Mannschaft stoßen. Dort ist mir auch gleich auf Anhieb ein sehr gutes Spiel gelungen, so dass ich anschließend dauerhaft dort bleiben durfte. So fing alles an.

SPOX: In Ihren ersten drei Jahren als Profi in Sundsvall haben Sie viel erlebt: Eine verlorene Relegation um den Aufstieg in die erste Liga, im Jahr darauf ist der Aufstieg gelungen, anschließend stieg man wieder ab. Ab wann war Ihnen klar, dass Sie den Klub verlassen müssen, um als Spieler weiter zu kommen?

Forsberg: Nach dem Abstieg aus der 1. Liga. Nur eine Stunde nach dem letzten Spiel habe ich mich bereits mit meinem Berater zusammengesetzt. Er hat mir vom Interesse von Malmö FF berichtet, sie wollten mich unbedingt haben. Anschließend bin ich erst einmal nach Thailand in den Urlaub geflogen und habe darüber nachgedacht. Im Grunde hatte ich meinem Berater aber schon am Abend des Abstiegs zugesagt, weil mir das einfach als sinnvollster Weg für mich erschien.

SPOX: 1988 versuchte sich Ihr Vater ebenfalls außerhalb von Sundsvall und ging zu IFK Göteborg. Dort kam er aber nicht zurecht und kehrte nach nur einer Saison wieder zurück. Welche Rolle spielte das für Sie?

Forsberg: Mein Vater ist stolz darauf, den Weg nach Göteborg überhaupt gegangen zu sein. Zu seiner Zeit war der Fußball in Schweden noch sehr amateurhaft. Er hat neben dem Dasein als Fußballprofi noch ganz normal als Feuerwehrmann in Sundsvall gearbeitet. Das macht er bis heute. Er meinte damals zu mir, ich solle die Chance in Malmö nutzen, wenn sie sich schon anbietet. Er hat mich nicht deshalb davor gewarnt, weil es bei ihm selbst nicht so gut geklappt hatte.

SPOX: 2013 schlossen Sie sich Malmö FF an. Der Wechsel entpuppte sich als Sprungbrett: Sie wurden zwei Mal schwedischer Meister, spielten in der Champions League, wurden Schwedens Mittelfeldspieler des Jahres und debütierten im Januar 2014 für die Nationalelf. Wie groß war zwischenzeitlich Ihre Freude, dadurch bei größeren europäischen Klubs auf der Liste gelandet zu sein?

Forsberg: Schwer zu sagen. Natürlich denkt man selbst auch einmal in diese Richtung, wenn einem über zehn Tore in einer Saison gelingen oder man zum besten Mittelfeldspieler gewählt wird. Andererseits steckt auch immer wieder der Gedanke dahinter: Ich muss da unbedingt weitermachen und das weitere Male beweisen, sonst bringt das langfristig alles nichts. Ich glaube, so funktioniere ich einfach als Sportler.

SPOX: Können Sie das an einem Beispiel illustrieren? SPOXspox

Forsberg: Ich bin in der letzten Saison nur auf acht Tore und sieben Vorlagen für Leipzig gekommen. Wir sind zwar aufgestiegen und das war natürlich auch das Ziel, aber ich wusste, dass ich viel bessere Leistungen und Quoten erreichen kann - und muss. Das hat jetzt in der aktuellen Saison gut geklappt, aber es gibt im Fußball kein Ende. Man arbeitet im Grunde immer für mehr, für höhere Ziele, für eine Verbesserung der eigenen Leistung.

SPOX: Das brachte Sie im Nationalteam mit Zlatan Ibrahimovic zusammen. Er ist nicht nur in Schweden eine Legende. Sie haben ihn nun genauer kennenlernen können: Wie viel an ihm ist bewusste Show?

Forsberg: Er ist wie er ist, er ist einfach so gestrickt. In Schweden ist er wirklich der König, das ist keine Übertreibung. Niemand kann sich mit Zlatan vergleichen. Er kann diese ganzen Sprüche auch bringen, sonst aber eigentlich niemand. Er hat sich dieses Bild durch seine beständig starken Leistungen selbst geschafft. Zlatan war mein Vorbild, als ich klein war. Es ist unfassbar cool, jetzt mit ihm zusammengespielt zu haben und ebenso schade, dass er aus der Nationalelf zurückgetreten ist.

SPOX: Schalkes Benjamin Stambouli hat kürzlich im SPOX-Interview seine Lieblingsanekdote von ihm erzählt. Was haben Sie zu bieten?

Forsberg: Zlatan kann unglaublich nerven, wenn du schlecht trainiert hast. (lacht) Dann kommt er den ganzen Tag an und löchert dich mit Fragen: Wieso hast du so schlecht trainiert? Wie kann man nur so trainieren? Warum hast du dich nicht richtig konzentriert? Das war eine Mischung aus Spaß und Ernst. So funktioniert er aber, er will immer gewinnen und treibt sein Umfeld zu Höchstleistungen.

SPOX: Etwas mehr als ein halbes Jahr nach Ihrem Debüt für das Nationalteam spielten Sie in der Saison 2014/2015 in einer Champions-League-Gruppe gegen Juventus, Atletico und Olympiakos. Wenn Ihnen nach einem dieser Abende jemand gesagt hätte, dass Sie als nächstes für einen Klub in der zweiten deutschen Liga spielen werden, was hätten Sie entgegnet?

Forsberg: Dass er nicht lachen soll. (lacht) Die Leute in Schweden haben sich sehr gewundert über diesen Wechsel, für sie war das unfassbar. In Deutschland zu spielen hatte mich grundsätzlich schon früh gereizt. Es gab auch Angebote aus der Bundesliga. Nach meinem ersten Gespräch mit Ralf Rangnick wusste ich aber, dass Leipzig der perfekte Schritt ist und ich mich dort ideal weiterentwickeln kann. Ich hatte weder Sorgen noch Zweifel. Ich war mir wirklich sicher, dass es so kommen wird, wie es bislang gekommen ist.

SPOX: Sie mussten damals mit Malmö durch zwei Qualifikations- und eine Playoff-Runde, um sich für die Gruppenphase der Königsklasse zu qualifizieren. Letzte Hürde war Red Bull Salzburg - und Ralf Rangnick schaute zu. War da auch eine Stunde nach dem Spiel klar, dass es Sie nach Leipzig ziehen würde?

Forsberg: Nein, aber ich hatte damals auch frei. Ich wechsle offenbar nur im Urlaub. (lacht) Mein Berater rief mich an, als ich mit meiner Frau in Los Angeles war. Er meinte nur, er habe etwas Unglaubliches für mich. Ich würde ihm vielleicht nicht gleich glauben, aber in seinen Augen sei dies das Beste für mich. Er nannte mir auch keinen Vereinsnamen, sondern wollte sich mit mir nach dem Urlaub in Stockholm treffen. Dort hat er mir dann alles eröffnet. Ich hatte anschließend Zeit zum Überlegen und ein paar Tage später ein halbstündiges Gespräch mit Ralf Rangnick. Danach war die Sache durch.

SPOX: War Ihnen Ralf Rangnick und seine Vorgeschichte ein Begriff?

Forsberg: Nein, gar nicht. Mein Berater sagte mir, er sei der Professor unter den deutschen Trainern und habe mit Hoffenheim geschafft, aus der Regionalliga in die Bundesliga aufzusteigen. Mir hat an Ralf vor allem imponiert, wie selbstsicher er war, dass er aus mir einen besseren Spieler machen würde.

SPOX: Was wussten Sie über RB Leipzig? Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Forsberg: Es kam mir schnell zu Ohren, dass Leipzig einen hohen Stellenwert genießt und sie mit dem Klub unbedingt in die Bundesliga wollen. Über die Kontroversen des Vereins hatte ich mal ein wenig in Malmö gehört. Für mich war das aber nicht ausschlaggebend. Ich war einfach extrem von der sportlichen Perspektive und der Philosophie überzeugt. Und das hat sich ja auch in jeglicher Hinsicht gezeigt und bewahrheitet.

SPOX: Im ersten halben Jahr in Leipzig hatten Sie Startschwierigkeiten und schossen in 15 Spielen keinen Treffer - Ihre bislang längste Durststrecke. Wie lief diese Zeit ab, womit hatten Sie Probleme?

Forsberg: Es war in jedem Bereich zu wenig, überall hat ein Stückchen des Gewohnten gefehlt. Ich hatte weniger Vertrauen in meine Fähigkeiten und dann spielst du auch einfach nicht gut. Es gab dann schnell die ersten Schlagzeilen: Drei Millionen Euro für nix! (lacht) Andererseits war mir auch klar, dass ich eine gewisse Anlaufzeit brauchen werde. Ich musste mich in Deutschland erst selbst finden und mit allem klarkommen, gerade auch den Dingen abseits des Platzes. Davon habe ich mich aber auch nicht großartig irritieren lassen, denn als Fußballer weiß man, wie schnell sich auch alles wieder zum Positiven wenden kann.

SPOX: Seit Sie die Eingewöhnungszeit hinter sich haben, sind Ihre Leistungen förmlich explodiert. Plötzlich sollen Sie das Interesse von Juventus und des FC Liverpool auf sich gezogen haben. Wie fühlt sich das für jemanden an, der vor weniger als zehn Jahren noch Floorball in der Halle spielte?

Forsberg: Gut, aber ich bin nicht vor Stolz geplatzt. Das Interesse anderer Klubs ist wie eine Quittung - ein Beweis dafür, dass du in den letzten Monaten auf dem richtigen Weg und besser geworden bist. Das ist das, was zählt. Sich auf Gerüchte zu konzentrieren bringt dich als Spieler nicht weiter. Ich fühle mich in Leipzig sehr wohl und habe nicht umsonst Anfang des Jahres meinen Vertrag bis 2022 verlängert.

SPOX: Seit Samstag steht nun fest: Im nächsten Jahr steht wieder die Königsklasse für Sie auf dem Programm.

Forsberg: Ich war von der grundsätzlichen Chance der Champions League-Qualifikation mit Leipzig überzeugt, wenn vielleicht auch nicht in diesem Tempo. Schon bei meinem Wechsel war es mein Ziel, mit Leipzig dort zu spielen. Das soll nicht überheblich klingen, aber mich erstaunt unsere Entwicklung nicht so sehr wie vielleicht viele andere. Es ist trotzdem sensationell, dass uns das derart schnell gelingen konnte.

SPOX: Herr Forsberg, vielen Dank für das Gespräch. So schlimm war's doch jetzt gar nicht.

Forsberg: Bei den deutschen Medien bin ich wohl etwas lockerer als bei den schwedischen. (lacht)