SPOX: Herr Riedle, Sie sind seit November 2014 Botschafter bei internationalen Reisen von Borussia Dortmund. Wie kam es, dass Sie diese Rolle nun bekleiden?
Karl-Heinz Riedle: Das Thema Internationalisierung ist beim BVB nicht zuletzt durch die Erfolge der letzten Jahre immer größer geworden, speziell in Asien. Es wurde eine Marketing-Gruppe gebildet, die sich um dieses Thema kümmert - ob das Merchandising, Social-Media-Auftritte oder Vor-Ort-Besuche sind. Man ist dann auf mich zugekommen, weil sie auch Ex-Spieler einbinden wollten. Ich habe mir das gleich vorstellen können und auch die nötige Zeit dafür.
SPOX: Wie sieht die Rolle genau aus?
Riedle: Ich bin bei den Sponsorenterminen oder Interviews vor Ort mit dabei, um der Sache gewissermaßen ein Gesicht zu geben. Jörg Heinrich ist seit kurzem auch mit im Boot, er ist für den BVB häufiger in Deutschland und Europa unterwegs. Bei mir geht es schon eher in Richtung asiatischer Raum.
SPOX: Hat Sie die viele Reiserei nicht abgeschreckt?
Riedle: Nein, ich reise wirklich gern, immer mal wieder auch privat mit guten Freunden. Vor allem Asien und diese ganze Ecke ist ohnehin mein Ding, das gefällt mir gut. Der Vorteil bei mir ist sozusagen der Wiedererkennungswert durch meine vier Jahre in England bei Liverpool und Fulham. Das hilft, die Fans erkennen mich dort eher deswegen, als aufgrund meiner Zeit beim BVB. Zumal es für Bayern und Dortmund dort unten ja auch nicht leicht ist in Sachen Internationalisierung, da die Premier League in Asien einen 20-jährigen Vorsprung gegenüber der Bundesliga hat.
SPOX: Wie regelmäßig sind Sie denn unterwegs für die Dortmunder?
Riedle: Ich bekomme die Reisen und Termine vom Marketing-Team durchgegeben. Im Sommer steht die nächste Asien-Reise zum ICC-Turnier in Japan und China auf dem Programm, daher werden wir demnächst schon einmal rüber fliegen und einen ersten Vorab-Besuch abstatten. Darauf beschränkten sich auch die meisten Aktivitäten. Im Februar waren wir aber beispielsweise auch in Japan und haben die BVB-Fußballschule besucht.
SPOX: Wieso haben Sie nach Ihrem Karriereende 2001 eigentlich keine Funktion im Fußball eingenommen?
Riedle: Das wollte ich nicht und hat mich nie gereizt. Ich bin als Fußballer 20 Jahre lang überall herum gekommen. Es war für uns als Familie irgendwann klar, dass wir uns nach meiner Karriere an einem festen Ort niederlassen. Dazu bestimme ich auch gerne über meine Freizeit. Beim BVB sind es ein paar Termine im Jahr, ansonsten habe ich mit meinem Hotel im Allgäu und der Fußballschule genügend andere Aktivitäten. Das passt für mich so wunderbar.
SPOX: Die Borussia hat noch zwei Endspiele in dieser Saison vor der Brust: In Dortmund gegen Bremen um Rang drei und in Berlin gegen Frankfurt um den DFB-Pokal. Wie fällt zum jetzigen Zeitpunkt Ihr Saisonfazit aus?
Riedle: Wenn der BVB nach diesem Umbruch im vergangenen Sommer Dritter wird, ist es sicherlich eine erfolgreiche Saison. Es ist schon auch der richtige Anspruch, die Champions League direkt zu erreichen. Und den Pokal sollten wir hoffentlich gewinnen, es wäre endlich mal wieder an der Zeit.
SPOX: Wie sehen Sie die aktuellen Diskussionen um Trainer Thomas Tuchel?
Riedle: Am Schluss der Saison sollten sich alle miteinander an einen Tisch setzen, die Spielzeit bewerten und dann ist es auch gut. Es sind ein paar Sachen passiert, die so vielleicht nicht unbedingt hätten passieren müssen. Ich weiß nicht, weshalb das Interview von Hans-Joachim Watzke zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht wurde. Fakt ist, dass das eine oder andere in der Kommunikation nach außen nicht ganz gepasst hat. Grundsätzlich glaube ich nicht, dass das Verhältnis so schlecht ist, wie es in den Medien dargestellt wird. Natürlich weiß jeder - und das wusste auch Thomas Tuchel -, dass der Anspruch beim BVB ähnlich hoch ist wie beim FC Bayern. Du musst Titel holen oder zumindest ganz vorne mitspielen, ganz egal, ob ein paar Spieler gegangen sind. Es ist ja genügend Qualität geholt worden, die Neuen sind richtig gute Spieler. Am Schluss zählen aber die Erfolge und da ist man gemeinsam auf einem guten Weg.
SPOX: Tuchel bestätigte letzte Woche, dass es zwischen Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und ihm noch kein Gespräch gegeben habe. Ist das nicht verwunderlich?
Riedle: Dazu möchte ich mich gar nicht groß äußern. Man muss diese Themen nun auch mal zur Seite packen, denn es warten jetzt noch zwei superwichtige Spiele. Es darf nicht darum gehen, was irgendein Spieler oder Thomas Tuchel oder Aki Watzke sagen. Das ist jetzt im Moment völlig nebensächlich. Wir müssen die Spiele gewinnen und dann wird ein Resümee gezogen. Jetzt von außen immer wieder nachzuhaken ist völlig falsch, das muss jetzt vom Tisch sein.
SPOX: Glauben Sie, es funktioniert, dass wirklich Ruhe einkehrt?
Riedle: Es muss funktionieren. Man darf jetzt auch nicht immer weiter Kommentare dazu abgeben. Es ist noch richtig viel zu gewinnen und jeder weiß es. Auch für Thomas ist es unheimlich wichtig, ganz egal, wie es eventuell nach der Saison weitergehen wird. Wenn er hier einen Pokal gewinnen kann und in die Champions League einzieht, ist das eine überragende Saison - für ihn und für den BVB.
SPOX: Sie waren selbst viele Jahre Spieler. Wie bewerten Sie die Tatsache, dass die Dortmunder Profis nur einen Tag nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus wieder spielen mussten?
Riedle: Ich kann mich natürlich nur schwer in diese Situation hineinversetzen. Es wird für jeden unheimlich schwierig sein, das zu verarbeiten. Das hat man auch gemerkt, es herrschte bei allen große Betroffenheit. Man muss jedoch auch die Seite der BVB-Verantwortlichen sehen. Man musste innerhalb von Minuten entscheiden, was zu tun ist. Es gab nicht viele Optionen. Wenn die UEFA sagt, es gibt nur diesen einen Termin, weil mögliche andere Termine nicht gehen und es sitzen über 70.000 Zuschauer im Stadion, dann muss man auch Antworten liefern und es musste eine schnelle Entscheidung getroffen werden. Diese hätte nächsten Tag auch revidiert werden können, da es Watzke ja allen Spielern freigestellt hat, überhaupt zu spielen. Es sind ein paar Fehlinterpretationen gewesen. Aus Sicht der Borussia war sicherlich nichts anderes möglich und daher die absolut richtige Entscheidung. Aus menschlicher Sicht war es wahnsinnig schwierig für die Spieler und Thomas Tuchel, gleich am nächsten Tag ein solches Spiel vor der Brust zu haben. Es waren aber leider nicht viele andere Optionen da.
SPOX: Wie sehen Sie als ehemaliger Spieler die Zukunft von Pierre-Emerick Aubameyang, sein Verbleib in Dortmund ist ja alles andere als sicher?
Riedle: Dass er von ganz Europa gejagt wird, ist ja kein Geheimnis. Ob der Verein schwach wird, wird man sehen. Wenn du nächstes Jahr in der Champions League spielst, hast du mit Aubameyang natürlich größere Chancen als ohne ihn. Wenn man weit genug kommt, spielt man 30 bis 40 Millionen Euro ein und das ginge mit ihm sicherlich leichter. Ansonsten müsste man für einen Ersatzmann auch viel Geld ausgeben. Bei Robert Lewandowski hätte man auch viel Ablöse bekommen, aber vielleicht hätte man die erneute Champions-League-Qualifikation ohne ihn gar nicht erreicht. Sie werden auch das bewerten und abwägen müssen. In der Vergangenheit wurden mehr richtige als falsche Entscheidungen getroffen, deshalb habe ich da großes Vertrauen in die Entscheidungsträger.
SPOX: Der BVB geht als Favorit in das Pokalendspiel gegen die Eintracht. Wie schätzen Sie die Chancen ein?
Riedle: Wir sind absolut dran und haben von den einzelnen Spielern her die bessere Mannschaft. Ich hoffe, dass durch eine mögliche direkte Champions-League-Qualifikation genug Selbstvertrauen freigesetzt wird. Jeder Spieler weiß, dass es nicht normal ist, in einem Finale zu stehen. Prognosen bei Endspielen abzugeben ist allerdings immer schwierig, denn es ist nur ein Spiel und ich habe selbst auch einige schlechte Erfahrungen gemacht. Mit Bremen stand ich 1989 im Pokalfinale gegen den BVB und ein Jahr später gegen Kaiserslautern. Wir waren beide Male klarer Favorit und haben jeweils verloren, obwohl das keiner auf der Rechnung hatte. Allerdings haben einige BVB-Spieler diese negative Erfahrung schon gemacht, so dass ich denke, dass sie jetzt einfach mal an der Reihe sind.
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SPOX: Inwiefern könnte es gefährlich sein, erstmals in ein Finale zu gehen, in dem jeder den Sieg erwartet?
Riedle: Das glaube ich nicht. Frankfurt hat im Laufe der Saison oft genug bewiesen, dass sie zu starken Leistungen fähig sind. Man kann sich für ein einziges Spiel auch am Saisonende nochmal hundertprozentig konzentrieren. Es ist wohl jedem bewusst, dass es alles andere als ein Selbstläufer wird. Es bedarf einer richtig guten Vorbereitung und Ansprache von Thomas Tuchel.
Karl-Heinz Riedle im Steckbrief