"Spielplan is raus, kann also losgehen", denkt der Bundesliga-Fan auf Entzug. "Noch ein wenig Malle, Caipi, Transfer- und Testspielquatsch zum Substituieren und dann heißt's wieder: volle Dröhnung!" Naive Träumer, sagen wir. Bevor's losgeht, geht's ab. Beachte: Dieser Text entstand unter starker Hitzeeinwirkung. Etwaige Ungereimtheiten sind rein zufällig, aber passiert.
29. Juni 2017: Die DFL präsentiert stolz dufte Zahlen und den neuen Spielplan mit duften neuen Anstoßzeiten. Die Reaktionen der Liga auf das Programm fallen mannigfaltig aus. Die einen bedauern es, kein Heimspiel am 1. Spieltag zu haben, die anderen freuen sich, ein Heimspiel am 1. Spieltag zu haben. Allen gemein ist: Sie freuen sich prinzipiell auf die neue Saison. Besser ist das.
Gar nicht erfreut ist man in Mannheim, das das Feuilleton als Wiege einer neuen Vernunftbewegung im deutschen Fußball feiert. Aus Kreisen des SV Waldhof von 1907 ist leise Kritik zu hören. Die Fußball-Liga sei wohl "vun eme Äff gebisse". Besonders das Eröffnungsspiel missfällt: "5:0, 6:0 und jetzt? Gäähn."
2. Juli: Keiner hat etwas von dem genialen Plan geahnt, den die DFL da in der Schublade liegen hat.
3. Juli, 12 Uhr: Schublade auf: "Hiermit erteilen wir dem Rot-Weiss Essen e.V. die Spielerlaubnis für die Bundesliga-Saison 2017/18. Mit der Erteilung der Lizenz sind keinerlei wirtschaftlichen Auflagen für den Deutschen Pokalsieger von 1953 und Deutschen Meister von 1955 verbunden", liest sich eine gemeinsame Pressemitteilung von DFL und DFB.
3. Juli, 12.01 Uhr: "Ein haarsträubend abgeschmackter Versuch, verlorenes Terrain bei Fußballromantikern zurückzugewinnen", lässt Waldhof Mannheim verlauten.
3. Juli, 12.03 Uhr: "Solche Farbtupfer sind doch sehr interessant und bereichernd", sagt DFB-Vize Hans-Dieter Drewitz seinen Kommentar zu den Chinaplänen in der Regionalliga Südwest recycelnd.
3. Juli, 12.04 Uhr: "Wow!", heißt es mit etwas Verzögerung - man musste erst nachgucken, wer mit Pokalsieger '53 und Meister '55 gemeint war - aus Essen. Dass die Essener eigentlich erst 2018/19 Bundesliga spielen wollten und ihr "Antrag" auch nur als SCHERZ gedacht war, interessiert keinen mehr.
Scherze nicht mit deutschen Sportverbänden. Weiß man doch.
getty30. Juli, 23.57 Uhr: Keiner hat etwas von dem genialen Plan geahnt, den Uli Hoeneß in der Schublade liegen hat. Wenn die anderen wüssten, wie sehr er die Schnauze voll davon hat, dass sich alles nur um Schwarz und Gelb dreht. Watzke, Watzke, Watzke, Tuchel, Tuchel, Tuchel, blablabla. Während sich er und der FC Bayern noch dafür entschuldigen müssen, die Meisterschaft zu gewinnen. Und dann diese Granatendiskussion. "Granatendeppen!", entfährt es ihm, doch dann schmunzelt er...
11. August: Noch eine Woche bis zum Bundesligastart. Die Diskussion über den durch RWE in Unordnung geratenen Spielplan wabert durchs Land. Für Uli Hoeneß ist jetzt Zeit, mal mit tatsächlichen Granaten um die Ecken zu kommen.
"Dank der hervorragenden Beziehungen des FC Bayern München in die Vereinigten Staaten von Amerika sei es gelungen, einen historischen Coup zu landen..." Im Weiteren heißt es bla, Völkerverständigung, blabla, beiderseitiges Wohl, blabla, neue Märkte, bla, Aufmerksamkeit, neue Chancen...
Am Ende atmen die Spielplanbauer erleichtert auf: Mit den Old England Patriots schließt sich das 20. Team der Bundesliga an. Kleiner Haken: Die Jungs von der Insel spielen American Football und bereiten sich auf ein Einstieg in die NFL vor. Immerhin versprechen sich Amerikaner und Deutsche einiges davon.
"Solche Farbtupfer sind doch sehr interessant und bereichernd", sagt Drewitz.
"Granatenscheiß", kommentiert ein Sprecher vom Waldhof.
"Relegation geritzt!", jubelt ein HSV-Funktionär.
1. Spieltag: Es kommt noch besser für den HSV. Nach der Spielplanumstellung trifft man zu Hause auf Quereinsteiger Essen und gewinnt 7:0. Der BVB spielt Versuchskaninchen gegen die Patriots und beklagt anschließend eine klare Niederlage und acht angeschlagene Spieler. "Endlich was richtig gemacht", denkt Marco Reus auf der Tribüne. Die Bayern sind enttäuschender Zweiter mit ihrem schlechtesten Eröffnungsspielergebnis seit 2014. Robert Lewandowski steuert lediglich drei Tore zum 4:0 gegen Leverkusen bei und beklagt sich bitterlich über mangelhafte Zuspiele.
Standing Ovations für Timo Werner
Immer noch 1. Spieltag: Bemerkenswert verhalten sich die Ultras an diesem Wochenende. Es findet sich kein Transparent mit Hassbotschaften, kein Schmähgesang ist zu hören. Hie und da knistert eine Wunderkerze, Bengalos haben Pause.
"Wir, die sogenannten Fans, die Idioten, Fußballanhänger in Anführungsstrichen, Chaoten, Unbelehrbaren halten jetzt mal die Füße still", quiekt Benno F. mit verstellter Stimme im Interview mit "Report München". "Dann werden die Menschen schon sehen, wer die wahren Totengräber des Fußballs sind."
Rührend wird's auf Schalke, wo es Standing Ovations vom ganzen Stadion gibt, als "Mr. Confed Cup" Timo Werner nach einer Fabelleistung in der 78. Minute ausgetauscht wird.
2. Spieltag: Jetzt sind die Bayern dran mit dem Match gegen die Patriots. Über das Ergebnis hüllen wir den Mantel des Schweigens. Nur so viel: Kann jemand Thomas Müller das mit dem "false start" noch mal erklären? Aber ansonsten sind Strahlemann und Söhne angesagt bei den Bayern. Der Verkauf von Football-Equipment sprengt alle Grenzen. Ein Helm für schlanke 379,99 Euro, das rechnet sich.
Zwischendurch: Die Kritik an der Football-Geschichte wächst, nicht nur in Mannheim. Zu viele Verletzte, Spielplan-Kapriolen, Regelchaos. Auch bei den Bayern ist Schluss mit lustig, nachdem zwei Spieler spurlos verschwunden sind.
6. Spieltag: Leipzig stellt auf 18 Punkte, Werner auf 12 Tore. In Leipzig singen alle, auch die Anhänger der unterlegenen Frankfurter: "Es gibt nur ein' Timo Werner, eiiiiin' Timo Weeeerner."
"Wer das singt, hat Rudi Völler nicht geliebt", sagt Rudi Völler.
Bayern, die Aufsteiger Hannover und Stuttgart, der HSV und die Pats halten einigermaßen Anschluss zu RBL. Der BVB ist aufgrund personeller Probleme schon weit abgeschlagen. RWE ist Letzter, steigert sich aber von Woche zu Woche.
Zwischendurch: Nach einer Elefantenrunde im Kaffeehaus am Zoo in Frankfurt ist Schluss mit der Amerika-Freundschaft. Der Vertrag mit der NFL wird gekündigt. Die horrende Konventionalstrafe tragen Bund und Länder. Keine Diskussion darüber.
"Augen auf bei der Berufswahl: Im nächsten Leben werde ich Grieche und Bayernpräsident", lautet ein anonymer Post aus dem Waldhof-Umfeld.
Immer noch Zwischendurch: Ersatz für die Pats ist schnell gefunden - und offenbar soll es sich auch lohnen. Ein nicht namentlich genannter Funktionär aus Niedersachsen hat seine Kontakte spielen lassen und - BUMMS! - läuft die russische Fußballnationalmannschaft ab sofort in der Bundesliga auf. Putin ließ freundlich bestellen, er wünsche sich, dass man dem Team mehr Übungsmöglichkeiten anbieten möge, damit es bei der Weltmeisterschaft in einem ordentlichen Zustand sei, der jedem Russen und jeder Russin zur Ehre gereicht. Diese Maßnahme könne auch den einen oder anderen Rubel kosten.
"Solche Farbtupfer sind doch sehr interessant und bereichernd", sagt Drewitz.
"Respekt! Niedertracht kennt keine Grenzen", sagt Xavier Naidoo.
7. Spieltag: Wieder ist der Spielplan durcheinandergewirbelt wurden. Am Freitag schlagen sowohl die Russen als auch der VfB Stuttgart in Frankfurt auf. Kann vorkommen. Die Russen werden weggeschickt und kicken am Sonntag auf Schalke. 0:3 aus Sicht der Sbornaja. Herzlich willkommen!
Das Thema ist jedoch ein anderes: "Dieses ganze beschissene Football-Gerümpel hat uns einen Haufen Geld gekostet und jetzt schimmelt das bei uns im Geräteschuppen!", schimpft RWE-Boss Michael Welling. Andere Klubs sehen das ähnlich, während sich die Bayern und der BVB schlapp lachen. Sie verkaufen munter Restbestände oder verticken das Zeug anderweitig. Robbens Eierbecher bringt bei ebay-Kleinanzeigen 700 Tacken.
10. Spieltag: Vor dem Match in Leipzig, vermutlich der letzten Chance auf die Meisterschaft, erhalten die Bayern Post aus den USA. Niklas Süle ist bei den Oakland Raiders untergekommen, Arturo Vidal bei den Baltimore Ravens. Beide seien glücklich und hätten endlich ihre wahre Bestimmung gefunden. "Viel Körper. Gut. Alle Liebe", schreibt Vidal.
Werner trifft doppelt und legt eine weitere Bude auf, Leipzig gewinnt 3:1. "Wenn ich so gut in Szene gesetzt würde wie Timo Werner, sähe es ganz anders aus", spart Lewandowski mal wieder nicht mit Kollegenschelte.
Die Russen warten weiter auf den ersten Punkt. Nach dem 1:2 in Essen ist Schluss für Nationaltrainer Stanislav Cherchesov.
Neuer Job für Thomas Tuchel
Zwischendurch: Eilmeldung unter der Woche: Thomas Tuchel wird russischer Nationaltrainer. "Es ist selbstverständlich, mit größtmöglicher Anerkennung diese herausragende Leistung zu akzeptieren, mit tiefem Respekt, dagegen nicht anzukämpfen. Stanislav war mehr als ein Trainer", sagt die holographische Projektion des Ex-BVB-Trainers zum Einstand.
11. Spieltag: Ausgerechnet gegen Schalke gelingt den Russen der erste Dreier. Tuchel hat das Team um sechs Jahre verjüngt und zwei völlig unbekannte, aber ungeheuer ballsichere Youngster aus Swerdlowsk im Mittelfeld installiert. Putin ist in der Veltins-Arena höchstpersönlich anwesend und guckt nach dem Spiel in der Kabine vorbei. Dabei kommt es zum Knatsch. "Was für ein ver****ter Klubscheißer! Ich fasse es nicht!", hört man den Präsidenten toben, worauf Tuchel umgehend zurücktritt.
"Die Schnelllebigkeit des Geschäfts macht mich betroffen und sprachlos", sagt ein Kiebitz am Rande des Waldhof-Trainingsplatzes.
19. Spieltag: Die Hinrunde einer denkwürdig turbulenten Saison liegt hinter uns. Leipzig ist Herbstmeister. Beim Gedanken an die extrem kurze Winterpause bekommen nicht wenige weiche Knie. Oder wie man in Mannheim sagt: Man fühlt sich "gschlage wie en Brezelbu." Immerhin: Süle hat es in die Playoffs geschafft. Man sieht sich 2018.