Sommerlicher Wahnsinn am Main

Adrian Fink
07. Juli 201718:08
Eintracht Frankfurt hat insgesamt zehn neue Spieler im Profikadergetty
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Wie jedes Jahr basteln die Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt auch in diesem Sommer wie verrückt am Kader für die neue Saison. Stolze sieben bzw. acht Neuzugänge haben die Adler schon unter Dach und Fach gebracht - darunter den vermeintlichen Rekordtransfer. Zusätzlich wurden noch drei eigene Nachwuchsspieler mit einem Profivertrag ausgestattet. Ein Überblick.

Eintracht Frankfurts fixe Neuzugänge

SpielerAlterPositionehemaliger Vereinkolportierte Ablösesumme
Sebastien Haller23AngriffFC Utrecht6-7 Millionen Euro
Daichi Kamada20MittelfeldSagan Tosu1-2 Millionen Euro
Danny da Costa23AbwehrBayer Leverkusenrund 1 Million Euro
Carlos Salcedo23AbwehrGuadalajaraLeihe (450.000 Euro) mit Kaufoption
Gelson Fernandes30MittelfeldStade Rennes500.000 Euro
Jan Zimmermann32Torwart1860 Münchenablösefrei
Luka Jovic19AngriffBenficaLeihe mit Kaufoption
Nelson Mandela Mbouhom18AngriffFrankfurt Jugend-
Renat Dadashov18AngriffFrankfurt Jugend-
Noel Knothe18AbwehrFrankfurt Jugend-

Jan Zimmermann (32, Torwart) - ehemaliger Verein: TSV 1860 München

Die Aufgabe von Zimmermann ist schnell erklärt: Der Keeper soll Stammtorwart Hradecky den Rücken frei halten, ihn im Training pushen und zur Stellen sein, wenn der Finne mal ausfällt. Der klassische Backup eben.

"Er ist wie ich ein positiver Typ, wir sind auf gleicher Wellenlänge", lobte Zimmermann Hradecky. Die Situation ist für den 32-Jährigen, der momentan wegen einer Wunde zwei Wochen pausieren muss, aber längst kein Grund, sich nur auf die faule Haut zu legen. "Ich bin nicht gekommen, um mich hier auf der Couch auszuruhen."

Die ihm zugewiesene Rolle hat der Rückkehrer dennoch ohne Faxen angenommen, überhaupt freut sich der Ex-Löwe nach seiner verkorksten Zeit in München darüber, nach über zehn Jahren endlich wieder in der Mainmetropole zu spielen. "Als die Eintracht angerufen hat, musste ich nicht lange überlegen. (...) Hier spüre ich ein ganz anderes Wir-Gefühl und Miteinander", wird er von der Frankfurter Neuen Presse zitiert. Klingt nach dem Anfang einer harmonischen Zusammenarbeit.

Nelson Mandela Mbouom, Renat Dadashov, Noel Knothe - aus der Jugend

Bislang haben die Frankfurter drei Jugendspieler mit einem Profivertrag ausgestattet. Erst unter der Woche durfte sich Nelson Mandela Mbouhom über seine Beförderung freuen.

"Nelson ist ein super Junge, der uns in den Jugendmannschaften viel Freude bereitet hat. Wir freuen uns sehr, dass wir ihm den nächsten Schritt ermöglichen können - er verfügt über ein unglaubliches Potenzial", begründete Sportdirektor Bruno Hübner den bis 2019 laufenden Profivertrag. Der 18-jährige Angreifer lernte in Barcelonas Nachwuchssschmiede La Masia das Kicken, ehe er 2013/14 in die SGE-Jugend wechselte.

Turbulenter verlief der fußballerische Werdegang von Dadashov. Das Sturmtalent, das seinerzeit für die deutsche U17 in 15 Einsätzen bärenstarke 13 Tore erzielte, wechselte 2013 von Wehen Wiesbaden nach Frankfurt, ehe es ihn 2014 nach Leipzig verschlug. Das Pikante: Wie die Bild schreibt, soll er dort mit zarten 14 Jahren angeblich bereits 2500 Euro monatlich bekommen haben.

Nachdem er wenige Jahre später wegen Differenzen mit dem U19-Trainer Achim Beierlorzer in Leipzig rausflog, nahm ihn die SGE wieder auf. So groß ist das Vertrauen in sein Talent. Berichten zufolge soll auch der aserbaidschanische Verband mit harten Bandagen um ihm kämpfen und ihm 900.000 Euro plus Eigenheim angeboten haben.

In Frankfurt kann der mittlerweile 18-Jährige nun beweisen, wie groß sein Talent tatsächlich ist und ob es für eine Karriere in der Bundesliga reicht.

Der dritte Teenager im Bunde hört auf den Namen Noel Knothe (18) und ist in der Abwehr beheimatet. Wie Dadashov ist auch Knothe, der 2014 von der Jugend des Lokalrivalen FSV zur Eintracht stieß, bis 2020 gebunden.

"Für mich geht ein Traum in Erfüllung. Es macht mich unheimlich stolz, dass die Eintracht mir einen Vertrag gibt und ich in dem Stadion spielen kann, in dem ich als Kind auf der Tribüne gesessen habe", freute er sich bei seiner Vertragsunterzeichnung.

Knothe könnte davon profitieren, dass die quantitative Konkurrenz in der Abwehr durchaus überschaubar ist und Cheftrainer Niko Kovac seine Mannschaft häufig mit drei Innenverteidigern auf den Platz schickt. So ist es nicht ausgeschlossen, dass Knothe die eine oder andere Spielminute sammeln wird.

Danny da Costa (23, Abwehr) - ehemaliger Verein: Bayer Leverkusen

Während sich die meisten Neuzugänge erstmal an die Bundesliga gewöhnen müssen, kennt Da Costa die Liga wie seine Westentasche. Der mehrfache deutsche U-Nationalspieler durchlief die Jugend von Bayer Leverkusen und tingelte anschließend zwischen der Werkself und dem FC Ingolstadt hin und her.

In seiner eigentlich noch jungen Karriere erlebte da Costa bereits mehr als ihm selbst vielleicht lieb ist: 2013 stieß er eine Rassismus-Debatte an, als er von 1860-Anhängern mit Affenlauten beleidigt wurde und sich der Sohn einer Kongolesin und eines Angolaners zurecht beim Schiedsrichter beschwerte. Erst Wochen später beruhigte sich der Fall.

2014 dann zog er sich einen komplizierten Unterschenkelbruch zu, gefolgt von niederschmetternden Prognosen. "Das war erstmal ein Schock, aber ich hatte viele Freunde, die mir geholfen haben", erinnerte sich da Costa kürzlich gegenüber einigen Medienvertretern.

Doch diese Kapitel sind für ihn Geschichte, genauso wie seine Rolle als Reservespieler bei Leverkusen. "Ich will jetzt zeigen, dass ich Bundesliga spielen kann", lautet sein Ziel bei der SGE. Der Vierjahresvertrag sei ein Zeichen dafür, "dass es der Verein ernst meint".

Will er seine Vorgabe erreichen und in die Startelf der Hessen stürmen, muss er aller Voraussicht nach Timothy Chandler verdrängen. Ein machbares Unterfangen, allerdings alles andere als ein Spaziergang.

Carlos Salcedo (23, Abwehr) - ehemaliger Verein: Deportivo Guadalajara

Extrem bitterer Anfang bei der SGE! Der Innenverteidiger war mit Mexiko beim Confed Cup unterwegs und verletzte sich im Match gegen Neuseeland übel. Die Hiobsbotschaft: Schultereckgelenksprengung. In der Folge musste Salcedo in Monterrey bei einem Schulterspezialisten unters Messer. Diagnose: Knapp drei Monate Pause.

Ein denkbar schlechter Auftakt, wenn man gerade zum neuen Arbeitgeber wechselt. Besonders, wenn man wie Salcedo nur eine Saison Zeit hat, um sich ins Schaufenster zu spielen. Denn dann muss die SGE entscheiden, ob sie von ihrer Kaufoption Gebrauch macht und den Leihspieler langfristig bindet.

Da die Frankfurter nach den Abgängen von den Leistungsträgern Jesus Vallejo und Michael Hector in der Abwehrzentrale aber nicht gerade üppig besetzt sind, wird die "mexikanische Kämpfernatur" (Vorstand Sport Fredi Bobic) nach seiner Genesung wohl auf jeden Fall eine Bewährungschance bekommen. Vielleicht gehen die Frankfurter bis dahin aber auch nochmal auf Shoppingtour - auszuschließen ist das bei der SGE auf jeden Fall nicht.

Gelson Fernandes (30, Mittelfeld) - alter Verein: Stade Rennes

Mit dem Schweizer holt sich die SGE reichlich Führungsqualität ins Haus. Fernandes will Verantwortung übernehmen und seine Mannschaft in die richtige Spur lenken. "Ich war immer ein Leadertyp", schätzt sich der Neuzugang selbst ein.

Fernandes, der sich in sieben Sprachen (deutsch, englisch, französisch, italienisch, spanisch, portugiesisch, kreolisch) unfallfrei verständigen kann, macht keine unüberlegten Karriereschritte und so ist es auch kein Zufall, dass er seine Zelte nun in Deutschland aufschlägt. Laut Frankfurter Rundschau schrieb Fernandes vor seiner Unterschrift eine Liste mit einem Für und Wider. Ergebnis: Frankfurt ist der "richtige Ort".

"Die Bundesliga passt am besten zu meiner Mentalität, das ist etwas Besonderes für mich", sagte der Mittelfeldspieler nach seinem Wechsel - und Fernandes hat schon halb Europa gesehen: Manchester City, St. Etienne, Chievo Verona, Leicester City, Udinese Calcio, Sporting, FC Sion, SC Freiburg und Stade Rennes stehen in seiner Vita. Bis 2019 hat er jetzt Zeit, Frankfurts Innenstadt zu erkunden.

Auch wenn die SGE im Mittelfeld (noch) nicht ausgedünnt hat, dürfte Fernandes von Anfang an eine entscheidende Rolle spielen. Nicht umsonst geriet Bobic bei der Einordnung des Neuzugangs regelrecht ins Schwärmen: "Er ist eine direkte Unterstützung im defensiven Mittelfeld. Er bringt eine Menge Erfahrung mit und wird unserem Spiel mehr Stabilität verleihen. Auch charakterlich ist Gelson eine echte Bereicherung für uns."

Daichi Kamada (20, Mittelfeld) - ehemaliger Verein: Sagan Tosu

Der Japaner ist ein Neuzugang der Kategorie Wundertüte. Für die Frankfurter selbst ist das Talent allerdings offenbar alles andere als ein unbeschriebenes Blatt.

"Daichi bringt großes Potenzial mit, wir haben uns viele seiner Spiele angesehen. Mit ihm sind wir im offensiven Mittelfeld noch variabler", erklärte Bobic, der Kamada kurzerhand mit einem Vierjahresvertrag ausstattete.

Die Zahlen des Talents sind zwar ordentlich, lesen sich aber noch nicht wie eine Warnung an die Konkurrenz: In der J-League erzielte der Offensivspieler in 16 Spielen drei Tore und bereitete zwei weitere Treffer vor.

Einen Vorteil hat Frankfurt als erste Station in Europa für den Jungspund: Landsmann Makoto Hasebe kann ihm die Eingewöhnungszeit in Deutschland erleichtern.

Jonathan de Guzman (29, Mittelfeld) - ehemaliger Verein: SSC Neapel

Eigentlich wollte die Eintracht den Coup noch gar nicht offiziell vermelden, doch das Internet hatte etwas dagegen: So wurde ein Foto geleakt, auf dem der Niederländer vor dem SGE-Logo stolz ein Eintracht-Trikot in die Kamera hält.

Der Pokalfinalist reagierte und schickte eine PM heraus - ganz fix wollten sie aber noch nicht machen. "Mit Jonathan de Guzman fliegt ein potenzieller Neuzugang am heutigen Donnerstag mit der Frankfurter Eintracht ins Trainingslager in die USA. Spieler als auch abgebender und aufnehmender Verein befinden sich in finalen Verhandlungen - der Kontrakt soll bis zum 30. Juni 2020 laufen."

Der offensive Mittelfeldspieler war zuletzt vom SSC Neapel an Chievo Verona ausgeliehen und kam in 27 Serie-A-Einsätzen auf drei Torbeteiligungen.

Sebastien Haller (23, Angriff) - ehemaliger Verein: FC Utrecht

Der erste Transfer der SGE war direkt ein Kracher! Mitte Mai verkündeten die Frankfurter die Verpflichtung des französischen Stürmers Sebastien Haller. Vorsichtshalber haben sie ihren neuen Hoffnungsträger mit einem langfristigen Vertrag bis 2021 ausgestattet.

"Mit Sebastien haben wir unseren absoluten Wunschspieler bekommen, den wir über die gesamte Saison beobachtet haben. Wir sind sicher, dass er sich exzellent in die Mannschaft einfügen und uns große Freude bereiten wird", frohlockte Bobic nach dem Coup.

Dem Vernehmen nach legten die Frankfurter für den 1,90 Meter großen Stürmer satte sechs Millionen Euro auf den Tisch, die Vereine selbst kommentieren die Ablöse nicht. Doch das Geld ist gut investiert: Der bullige Angreifer lehrte die Keeper in der niederländischen Eredivisie mit 41 Buden in 82 Spielen das Fürchten.

Trotz seiner Statur wirken die Bewegungsabläufe des 23-Jährigen nicht hölzern, sondern athletisch. Kein Wunder, dass die Eintracht im Tauziehen um Haller nicht alleine war.

"Er hat sich für uns entschieden, obwohl er lukrativere Angebote aus dem Ausland und der Bundesliga vorliegen hatte", sagte Niko Kovac.

Allerdings muss sich Haller erst an das schnellere Spieltempo der Bundesliga gewöhnen - ein Schritt, der nicht jedem gelingt. Zuletzt machte die Eintracht mit Luc Castaignos schlechte Erfahrungen. Der Niederländer kam ebenfalls mit viel Vorschusslorbeeren aus der Eredivisie (Twente) an den Main. Eine enttäuschende Saison später wurde er nach Lissabon weitergereicht.

Luka Jovic (19, Angriff) - zur Leihe von Benfica

Für Jovic haben schon einige Millionen den Besitzer gewechselt. Als er vor eineinhalb Jahren von Apollon Limassol zu Benfica ging, überwies Benfica stolze 6,6 Millionen Euro. Doch so wirklich funkte es in der Hauptstadt nicht. Für die Profimannschaft Benficas stand er magere vier Mal auf dem Rasen, immerhin feierte er bei seinem Zwei-Minuten-Einsatz gegen die Bayern sein Champions-League-Debüt. Das Tagesgeschäft hieß aber Ledman Liga Pro mit Benficas Reserve.

Warum schlugen die Frankfurter also beim 19-jährigen Serben zu? Das Risiko ist für den Bundesligisten gering. Der Youngster wurde für zwei Jahre von Benficas Reserve ausgeliehen. Verläuft die Leihe wie gewünscht und Lovic explodiert, können Bobic und Co. Gebrauch von der Kaufoption machen. Andernfalls geht es zurück nach Lissabon.

"Wir sind glücklich, dass dieses Leihgeschäft zustande gekommen ist und könnten uns auch eine feste Verpflichtung vorstellen", kommentierte Bobic den Transfer. Und der erste Schritt der Akklimatisierung ist bereits gelungen: In einem Testspiel schenkte Jovic dem SV Heftrich sechs Tore ein.

Ob ihm der Durchbruch, der ihm beim portugiesischen Meister verwehrt blieb, in Frankfurt gelingt, ist aber fraglich. Immerhin muss sich der Teenager wohl erstmal hinter Haller und (einem fitten) Meier einsortieren und die Rolle des Herausforderers einnehmen.