Frage: Herr Bürki, was hat sich für Sie als Torhüter bislang unter dem neuen Trainer Peter Bosz geändert?
Roman Bürki: Es ändert sich schon viel. Gegenpressing bedeutet ja, sehr hoch zu stehen und den Gegner möglichst früh zu stören - ganz egal, wo wir auf dem Platz den Ball verlieren. Für den Torhüter heißt es, mit nach vorne zu schieben und die Distanz zum restlichen Team zu halten.
Frage: Beinhaltet die Philosophie von Bosz, dass es als Torhüter quasi verboten ist, lange Bälle zu spielen?
Bürki: Unser Ziel ist es, von hinten gepflegt aufzubauen und den Ball nicht unnötig nach vorne zu schlagen. Alle Sechser sind sehr willig, den Ball vom Torwart zu bekommen. Wenn wir gut im Dreieck stehen, kann der Sechser direkt den Außenverteidiger anspielen oder er kann sich sogar drehen. Das geht natürlich nicht immer, daher muss man manchmal auch den einen oder anderen langen Ball spielen.
Frage: Letztes Jahr hat man häufig mit einer Dreierkette agiert, unter Bosz scheint nun wieder die Viererkette favorisiert zu werden. Was bedeutet das für Ihr Spiel?
Bürki: Eigentlich ändert sich nicht viel. Bei der Dreierkette bin ich im Spielaufbau weniger eingebunden, weil die drei hinteren Spieler sehr eng zusammen stehen. Bei der Viererkette stehen die Außenverteidiger normalerweilse sehr hoch, die beiden Innenverteidiger stehen breit. Falls der Passweg von Innenverteidiger zu Innenverteidiger zu riskant ist, muss ich zwischen beide in die Mitte einrücken. Somit bin ich jetzt wieder mehr in den Spielaufbau eingebunden.
Frage: Am Freitag hat der BVB mit 0:1 gegen Espanyol Barcelona verloren. Wie haben Sie das Gegentor gesehen?
Bürki: Das war ein individueller Fehler, der nichts mit der Taktik zu tun hatte. Das war einfach ein Missverständnis von Sokratis. Er hat den Kopf eingezogen und ist nicht ins Kopfballduell gegangen. Daher ist dann eine neue Situation entstanden und der Stürmer hat leider einnetzen können.
Frage: Ist das Risiko für die Defensive höher, wenn auch der Sechser höher spielt?
Bürki: Das glaube ich nicht. Wir sind aktuell noch in der Anpassungsphase an die neue Philosophie des Trainers. Da ist klar, dass wir noch nicht zu hundert Prozent eingespielt sind. Aber man hat dagegen schon oft gesehen, dass wir innerhalb von vier Sekunden den Ball wieder zurückerobern. Es wird mit der Zeit kommen, dass dies die Innenverteidigung noch mutiger machen wird, noch höher zu stehen und eins gegen eins zu spielen.
Frage: Inwiefern ist das neue System auch für den Kopf anspruchsvoll?
Bürki: Wir haben in den letzten zwei Jahren viel gelernt und viel im Kopf gehabt, wie wir spielen wollten. Es gilt, das jetzt zur Seite zu schieben und Neues aufzunehmen. So wie wir jetzt spielen wollen, das haben die meisten noch nicht gekannt. Es ist daher auch eine Schulung für den Kopf. Wir haben eine tägliche Sitzung, in der wir zwar nicht viel auf einmal, aber wichtige Dinge quasi neu lernen. Es wird so langsam immer alles klarer, der Trainer versucht es auch auf einfache Weise herüber zu bringen. Es dann im Spiel umzusetzen, ist natürlich trotzdem nochmal etwas anderes. Wenn man die Szenen am Bildschirm sieht, denkt man öfter mal, dass es doch eigentlich ganz einfach ist. Im Spiel ist es dennoch noch ein bisschen anders. Das ermüdet einen im Kopf dann auch mal.
Frage: Kann es sein, dass die Zeit hinsichtlich des Pflichtspielstarts knapp werden könnte?
Bürki: Ich glaube, dass wir das Ganze noch nicht zu hundert Prozent verinnerlicht haben werden, wenn die Saison beginnt. Das weiß der Trainer aber auch, das ist auch nicht unnormal. Trotzdem haben wir die Klasse, die Spiele zu gewinnen. Man kann nicht auf Anhieb alles richtig machen, der Fußball lebt ja von Fehlern. Ich glaube, wir sind derzeit auf einem sehr guten Weg.
Frage: Was läuft denn aus Ihrer Sicht schon gut und was noch nicht?
Bürki: Wir haben auch in der heutigen Videoanalyse gesehen, dass wir noch nicht so gut in den Zwischenräumen stehen. Die erste Halbzeit gegen Espanyol war gut, da haben wir auch gut kombiniert. In der zweiten Halbzeit war das nicht mehr so der Fall. Die Mittelfeldspieler haben sich zu stark fallen lassen, so dass wir die Räume zwischen dem gegnerischen Mittelfeld und den Verteidigern nicht mehr richtig gefunden haben. Das müssen wir sicherlich noch verbessern. Auch das Halten der Positionen. Pierre-Emerick Aubameyang kam beispielsweise teils zu weit zurück. Das Gegenpressing hat dagegen schon super funktioniert. Zwar noch nicht über 90 Minuten, aber es gab auch nur einen Wechsel und es war sehr intensiv.
Frage: In diesem Jahr hat der BVB anders als im Vorjahr keinen Führungsspieler abgegeben. Das ist ein riesiger Vorteil, oder?
Bürki: Klar. Gerade weil wir ein neues System spielen, ist es sehr wichtig, dass wir alle zusammen geblieben sind, um uns gegenseitig zu helfen. Die neuen Spieler wurden wie immer gut aufgenommen, das ist bei uns nie ein Problem. Wenn man dann schon länger zusammen ist, kann man auch zusammen disktuieren und Meinungen austauschen.
Frage: Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial bei sich selbst?
Bürki: Ich muss auf jeden Fall lernen, nicht zu viel zu wollen. Das war das größte Problem: Ich wollte hier herkommen und zeigen, was ich alles kann. Das wurde aber oft gar nicht abverlangt, sondern es waren eher die einfachen Dinge, die ich dann etwas unkonzentriert erledigt habe. Ich habe gelernt, im gesamten Torwartspiel ruhiger zu werden und Ruhe auszustrahlen, gepflegt von hinten aufzubauen. Das will auch der Trainer. Ich fühle mich aktuell sehr gut.
Frage: Ihr arbeitet jetzt fest mit zwei Torwarttrainern. War das auch Ihr Wunsch?
Bürki: Es gibt einem viel mehr Möglichkeiten im Training. Man kann mehrere Bälle auf einmal spielen oder in eine größere Übung noch mehrere kleinere integrieren. Das ist auch für den Kopf und die Konzentration gut. Zudem haben wir in Dominik Reimann einen jungen Torhüter dazu bekommen. Man muss schlichtweg mit der Zeit gehen. Das Torwartspiel wird durch neue Techniken immer moderner, daher muss man entsprechend trainieren.
Frage: Was macht Reimann für einen Eindruck?
Bürki: Einen sehr guten. Er ist ein moderner Keeper, der sehr gut mit dem Fuß ist. Wenn er weiter so an sich arbeitet, kann er einmal ein ganz Großer werden. Wenn jemand in seinem Alter bei einem Klub wie dem BVB schon zu den Profis hochgezogen wird, dann ist es klar, dass man sehr viel Potenzial in ihm sieht.