Bayer Leverkusen blickt auf eine verlorene Saison zurück. Die Wechselperiode stand bislang im Zeichen von millionenschweren Verkäufen, auf der Zugangsseite hielt sich die Werkself im Gegensatz zu den Vorjahren erstaunlich zurück. Mit neuer Mentalität und Trainer Heiko Herrlich als wichtigstem Neuzugang soll der Sprung zurück ins internationale Geschäft gelingen. SPOX wirft einen Blick auf die Mannschaft der Werkself: Wie sieht das Personal aus? Wer ist gegangen? Und wer könnte noch kommen? Und wie passt alles zusammen?
Tor
Das Personal: Bernd Leno, Ramazan Özcan, Niklas Lomb
Die Situation: Angesichts einer bevorstehenden Saison ohne internationales Geschäft schien sich der langjährige Stammtorwart Bernd Leno in diesem Sommer zwischendurch mit ernsthaften Wechselabsichten zu tragen, der SSC Neapel signalisierte reges Interesse an einer Verpflichtung.
Anfang Juli schob Rudi Völler den Spekulationen um einen Abgang des Nationaltorhüters jedoch einen Riegel vor. Leno geht damit in seine sechste Saison als Nummer eins bei Bayer, trotz gelegentlicher Aussetzer hat sich der 25-jährige im Elitekreis der deutschen Toptorhüter etabliert.
Dahinter nimmt Ramazan Özcan die Rolle als verlässlicher Ersatztorhüter ein, der zur Stelle ist, wenn er gebraucht wird. Mit Niklas Lomb steht zudem ein talentierter dritter Torhüter im Kader, der intern eine hohe Wertschätzung genießt und auf lange Sicht zum neuen Stammtorhüter aufgebaut werden soll, falls Leno in Zukunft doch noch den Verlockungen eines internationalen Spitzenklubs erliegt.
Abwehr
Das Personal: Sven Bender, Aleksandar Dragovic, Jonathan Tah, Andre Ramalho, Wendell, Tin Jedvaj, Benjamin Henrichs, Joel Abu Hanna
Wer könnte kommen: Panagiotis Retsos, Christopher Rocchia
Wer könnte gehen: Aleksandar Dragovic
Die Situation: Nach dem Abgang von Vize-Kapitän Ömer Toprak zu Borussia Dortmund galt die Innenverteidigung lange Zeit als größte Baustelle der Werkself. In Person von Sven Bender wurde die vakante Position gleichwertig besetzt, mit einer Ablöse von 12,5 Millionen Euro stellt der Abwehrspieler bislang den Königstransfer dieser Wechselperiode dar. Der 28-Jährige ist als feste Größe in der Innenverteidigung eingeplant, gilt jedoch auch als verletzungsanfällig und verpasste fast die komplette Vorsaison bei der Borussia.
Neben Bender gilt Jonathan Tah als erster Anwärter für die Zentrale. Trotz gelegentlicher Leistungsschwankungen behauptete sich Tah als einer der besten deutschen Innenverteidiger und steht im erweiterten Kreis der Nationalelf.
Im Zuge des Bender-Transfers wurde direkt über einen etwaigen Abgang von Aleksandar Dragovic spekuliert, der Österreicher wurde unter anderem bei Inter Mailand, der AS Roma sowie den türkischen Klubs Besiktas und Trabzonspor ins Gespräch gebracht. In seinem Premierenjahr in der Bundesliga konnte Dragovic nicht restlos überzeugen und könnte den Verein noch verlassen.
Auch aufgrund der Verletzungsproblematik wurde mit Andre Ramalho ein weiterer Backup vom FSV Mainz zurückgeholt, der jedoch nur schwer über die Rolle als Ergänzungsspieler hinauskommen dürfte. Kyriakos Papadoupoulos wurde hingegen fest an den Hamburger SV abgegeben, nachdem der Grieche bereits zuletzt ausgeliehen war und sich bei Bayer nicht mit der Rolle als Ersatzspieler begnügen wollte.
Auf den Außenverteidigerposten gehen Benjamin Henrichs und Wendell nahezu konkurrenzlos in die neue Saison. Roberto Hilbert wurde auch aufgrund von Querelen mit Ex-Trainer Roger Schmidt ablösefrei abgegeben, Danny da Costa verließ nach nur drei Einsätzen in der letzten Spielzeit den Verein Richtung Eintracht Frankfurt. Als erster Ersatz für Henrichs und Wendell gilt Tin Jedvaj, der in der Abwehrkette alle Positionen einnehmen kann. Der Kroate besitzt ohne Zweifel großes Potenzial, konnte dieses aufgrund von Verletzungen zuletzt aber nur selten dauerhaft unter Beweis stellen.
Aufgrund der Verletzungsanfälligkeit der Abwehrspieler würde Bayer vor allem auf den Außenverteidigerpositionen ein weiterer Neuzugang gut zu Gesicht stehen. Nach Informationen des kicker steht dabei Panagiotis Retsos von Olympiakos Piräus im Fokus, der für rund 15 Millionen Euro zu haben wäre. Der Transfer könnte nach dem Champions-League-Playoff-Rückspiel des griechischen Serienmeisters gegen HNK Rijeka über die Bühne gehen und wäre als perspektivische Neuverpflichtung zu sehen. Ähnlich wie Jedvaj ist der 18-Jährige in der Verteidigung flexibel einsetzbar und kann bei Ausfällen der Stammspieler einspringen.
Neben Retsos wurde auch Christopher Rocchia zuletzt als Neuzugang gehandelt. Der Linksverteidiger von Olympique Marseille wäre ebenfalls als perspektivischer Vorgriff auf die Zukunft zu sehen und könnte behutsam an die Mannschaft herangeführt werden.
Defensives Mittelfeld
Das Personal: Lars Bender, Julian Baumgartlinger, Charles Aranguiz, Dominik Kohr, Kevin Kampl, Marlon Frey, Vladen Yurchenko, Atakan Akkaynak
Wer könnte gehen: Kevin Kampl, Julian Baumgartlinger, Marlon Frey, Vladen Yurchenko
Die Situation: Auf der Position vor der Viererkette herrscht ein Überangebot an qualifizierten Akteuren. Zum Ende der letzten Saison hatten unter Interimstrainer Tayfun Korkut hier Charles Aranguiz und Julian Baumgartlinger die Nase vorne, das Duo brachte im Endspurt der Saison die zuvor vermisste defensive Stabilität ins Spiel der Werkself zurück. Unter Neu-Trainer Heiko Herrlich werden die Karten nun aber neu gemischt, im Pokalspiel in Karlsruhe bildeten Kevin Kampl und Dominik Kohr die Doppel-Sechs.
Kampl wurde lange Zeit mit einem Wechsel nach China zu seinem Förderer und Ex-Trainer Schmidt in Verbindung gebracht, Mitte Juli platzte der scheinbar sichere Wechsel dann aber. Zwar steht nach wie vor ein Abgang des Slowenen im Raum, Bayer sieht jedoch keinen dringenden Bedarf an einem Verkauf. Im Gegensatz zu seinen Konkurrenten auf dieser Position hat Kampl seine ausgewiesenen Stärken in der Offensive und weiß vor allem gegen defensiv eingestellte Gegner als dynamischer Antreiber zu überzeugen.
Trotz des großen Gedränges auf dieser Position wurde per Rückkaufoption überraschend Dominik Kohr vom FC Augsburg nach Hause geholt. Der U21-Europameister gilt als Paradebeispiel des oft zitierten Mentalitätsspielers, die bei Bayer zuletzt vermisst wurden. Kohr wurde nur eine Außenseiterrolle im Kampf um die Mittelfeldplätze bescheinigt, stand jedoch prompt im Pokalspiel beim KSC in der Startelf und erzielte das vorentscheidende 1:0.
Kohrs Einsatz kann auch als deutlicher Fingerzeig in Richtung Baumgartlinger gewertet werden, der zuletzt ins Hintertreffen geriet. Bei einem etwaigen Angebot würde Bayer dem Kapitän der österreichischen Nationalelf wohl keine Steine in den Weg legen. Neben der TSG Hoffenheim und Atalanta Bergamo wurde auch der VfB Stuttgart als Abnehmer gehandelt, dem Baumgartlinger nach Medienberichten aber abgesagt haben soll.
Zu Aranguiz, Baumgartlinger, Kampl und Kohr gesellt sich nicht zuletzt auch noch Kapitän Lars Bender, der aufgrund von Fersenproblemen sowie einer Sprunggelenksverletzung fast die komplette Vorsaison verpasste, im fitten Zustand jedoch ebenfalls eine unumstrittene Größe im Mittelfeld darstellt. Angesichts des großen Konkurrenzkampfes dürften die bereits erprobten Youngster Marlon Frey und Vladen Yurchenko nur schwer auf Einsatzzeiten kommen und gelten als Kandidaten für eine Ausleihe.
Offensives Mittelfeld
Das Personal: Julian Brandt, Leon Bailey, Kai Havertz, Karim Bellarabi, Sam Schreck
Die Situation: Standardspezialist Hakan Calhanoglu verabschiedete sich für 22 Millionen zum AC Mailand, aufgrund der Spielsperre des Türken konnte die Werkself bereits in den vergangenen Monaten den Ernstfall proben. Trotz des Abgangs des türkischen Nationalspielers verfügt Leverkusen über ein hochkarätiges Aufgebot für die freien Plätze auf den Flügeln.
Als legitimer Nachfolger des türkischen Nationalspielers gilt dabei Kai Havertz, der sich bereits in der vergangenen Saison nahezu unverzichtbar machte. Wie Rudi Völler betonte, erfolgte Calhanoglus Verkauf nicht zuletzt, um dem Youngster weiterhin ausreichend Spielzeit zu gewährleisten.
gettyDer bereits im Winter verpflichtete Leon Bailey galt damals auf Vorgriff auf den Sommer und ist nach halbjähriger Zeit der Akklimatisierung nun als Leistungsträger auf dem linken Flügel eingeplant. Zusammen mit Karim Bellarabi, der nach einem Muskelbündelriss in der vergangenen Saison wieder voll angreifen will, könnte der Jamaikaner ein absolutes Hochgeschwindigkeits-Duo auf den Flügeln bilden.
Für beide Positionen kommt auch Julian Brandt in Frage, der im Hinblick auf die WM 2018 seinen Stammplatz nicht ohne weiteres abgeben möchte. Bei Bedarf kann nicht zuletzt auch Kampl auf der vorgezogenen Position auflaufen, mit Sam Schreck steht zudem das nächste Talent aus der U19 vor dem Sprung in die Profimannschaft.
Angesichts des hochkarätigen Angebots erscheint eine Verpflichtung von Barcelonas Munir, über die in den Medien spekuliert wurde, als unwahrscheinlich. Auch durch die vermeintliche Ablöseforderung von 30 Millionen Euro soll die Werkself bereits Abstand von einer Verpflichtung genommen haben.
Sturm
Das Personal: Kevin Volland, Admir Mehmedi, Joel Pohjanpalo, Stefan Kießling, Marc Brasnic
Offene Positionen: evtl. ein treffsicherer Torjäger (Lucas Perez)
Nach zwei Jahren im Rheinland zog es Chicharito für knapp 18 Millionen Euro zurück in die Premier League zu West Ham United. In Lucas Perez wurde sogleich ein direkter Ersatz für den Mexikaner ins Gespräch gebracht, doch der Abgang des Torjägers könnte auch mit dem vorhandenen Personal aufgefangen werden. Dazu müssen die Sturmkandidaten jedoch an ihrer Treffsicherheit arbeiten, auch an schlechten Tagen besaß Chicharito so etwas wie eine eingebaute Torgarantie.
Im von Herrlich favorisierten 4-4-2-System ist Kevin Volland als Fixpunkt in vorderster Front eingeplant. Der Königstransfer des letzten Sommers offenbarte in der vergangenen Saison zunächst Anpassungsprobleme, befand sich jedoch bereits unter Korkut im Aufwind und soll seine ansteigende Form nun dauerhaft unter Beweis stellen. Daneben streiten sich Mehmedi, Pohjanpalo und Havertz um den freien Platz neben bzw. hinter Volland.
gettyMehmedi galt bereits als Wechselkandidat, avancierte dann aber zu einem der Gewinner der Vorbereitung und war mit einem Tor und einer Vorlage bester Mann bei der Saisoneröffnung gegen Celta Vigo. Das Plus des Schweizers ist zudem dessen Variabilität, er kann sowohl zentral als auch auf den Flügeln agieren. Daneben macht sich auch Joel Pohjanpalo Hoffnungen auf regelmäßige Einsatzzeiten. Der Finne konnte vor allem als Joker in der vergangenen Spielzeit überzeugen.
Aufgrund seiner anhaltenden Hüftprobleme kann Stefan Kießling hingegen nicht als verlässliche Größe eingeplant werden. Der Ex-Nürnberger würde das Leverkusener Offensiv-Portfolio bei körperlicher Fitness mit seiner Kopfballstärke und kampfbetonten Spielweise um eine weitere Komponente bereichern.
In Abwesenheit von Kießling gilt auch Havertz als Anwärter auf die Position in vorderster Front, hat der Youngster mit einer Körpergröße von 1,88 Metern doch vergleichbare Stärken im Kopfballspiel. Talent Marc Brasnic, der zuletzt an Fortuna Köln verliehen war, dürfte erneut bei einem anderen Verein Spielpraxis sammeln.