Die Bundesligasaison ist noch keine vier Wochen alt, schon knarzt es wieder im Gebälk beim FC Schalke 04: Manager Christian Heidel und der neue Trainer Domenico Tedesco haben einen allenfalls durchschnittlichen Start in ihre Zusammenarbeit erwischt. Das bewusst eingegangene Risiko wird bereits früh auf die Probe gestellt.
Als Markus Weinzierl beim FC Schalke vor die Tür gesetzt wurde, traten einige Zyniker auf den Plan und behaupteten: Wenigstens das Thema Trainerentlassung bekommen sie auf Schalke besser erledigt als der Erzrivale aus Dortmund.
S04 hatte eine merkwürdig farblose Saison hinter sich und erstmals seit Jahren das internationale Geschäft verpasst. Während beim BVB unwürdige Grabenkämpfe um die Zukunft von Thomas Tuchel tobten, beendete der neue Manager Christian Heidel ziemlich geräuschlos die Zusammenarbeit mit seinem Wunschtrainer.
Und so dauerte es nicht lange, bis die zynischen Stimmen im Schalker Umfeld zurückkehrten. Nämlich dann, als wenige Tage später mal wieder ein neuer Trainer vorgestellt wurde. Diesmal hieß es über den jungen Domenico Tedesco, er sei genau derjenige, den Schalke nun brauche. Oft gehört, selten geklappt.
Heidel und Tedesco mit durchschnittlichem Start
Dass die Installierung eines 31-jährigen Trainers mit der Erfahrung von zehn gecoachten Profispielen an einem traditionellen Fußballstandort wie Gelsenkirchen viele Blicke, verwunderte wie begeisterte, auf sich ziehen würde, kam für Heidel nicht überraschend. Das Wort Risiko geistert seitdem auf Schalke umher und es kann garantiert werden, dass davon im Laufe der Spielzeit noch häufig Gebrauch gemacht wird.
Gute acht Wochen arbeiten Heidel und Tedesco nun zusammen, nach dem Ende der Länderspielpause kommt die Bundesliga erstmals in dieser Saison ins Rollen. Dann zählt es für das neue Duo, das bislang einen allenfalls durchschnittlichen Start in seine Zusammenarbeit erwischt hat.
Das war nach den ersten Tagen gar nicht mal so zu prognostizieren, denn Tedesco kam im Vergleich zu seinem Vorgänger deutlich zugänglicher daher, trumpfte mit auch für den Kopf anstrengenden Trainingsmethoden auf, führte zahlreiche (Einzel-)Gespräche und kassierte in den Testspielen mit seiner Mannschaft kaum ein Gegentor.
Tedesco scheut sich nicht vor unpopulären Maßnahmen
Den Gegenwind, der trotz dieser Umstände jetzt schon auf Schalke weht, haben sich Tedesco und Heidel selbst eingebrockt. Ähnlich kurz und schmerzlos, wie Weinzierl seinen Aufgaben entbunden wurde, gab man per Pressemitteilung einen neuen Spielführer bekannt.
Das Vereinsidol Benedikt Höwedes abgesetzt, so ganz ohne Vorwarnung, das kam für viele äußerst überraschend. Auch die Frage nach der Notwendigkeit ließ sich bereits früh stellen, schließlich musste man kein Hellseher sein, um die sich anschließenden Entwicklungen und Diskussionen zu antizipieren.
Tedesco bewies damit, dass er sich vor unpopulären Maßnahmen nicht drückt und seine Ideen mit aller Konsequenz verfolgt. Der Coach hat sich seinen Kader in der Zeit der Vorbereitung genau angeschaut, anschließend mehrere Entscheidungen getroffen und dafür auch das eine oder andere unbequeme Gespräch mit seinen Spielern führen müssen. Neben Höwedes bekamen beispielsweise auch Johannes Geis, Coke, Donis Avdijaj oder der wiedergenesene Atsuto Uchida kein allzu gutes sportliches Zeugnis ausgestellt.
Heidel bislang ohne glückliches Händchen
Es ähnelt einem Spiel mit dem Feuer, das die Schalker Verantwortlichen gerade betreiben. Die aktuelle Spielzeit muss sitzen, Europa muss wieder erreicht werden. Ansonsten könnte die Luft vor allem für Heidel schnell dünn werden. Der Manager ist sich dessen auch vollständig bewusst.
Der Ex-Mainzer weiß um die Gefahren, die in dieser Spielzeit und der Personalie Tedesco stecken. Heidel hatte beim FSV mit Entscheidungen, die auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig daher kamen, viel Erfolg. Sein oftmals glückliches Händchen hat er auf Schalke aber noch nicht beweisen können - wenngleich vom Umfeld positiv bewertet wird, dass er sich nicht davor scheut, alte Zöpfe abzuschneiden und der Mannschaft frisches Blut zuzuführen.
Dennoch ist es für Schalker Verhältnisse beinahe schon fatal, dass die Außendarstellung bereits so früh in diesem Sommer erste Risse erlitten hat. Dass sich Schalke schnell zu einem Pulverfass entwickeln kann, kennt Heidel nicht nur aus der Ferne, er hat es letztes Jahr bereits in Teilen erlebt.
Höwedes und Geis: "Außerplanmäßige Wechsel"
Ohne internationalen Wettbewerb musste der 54-Jährige den Kader verkleinern, nur mehr 20 Feldspieler kommen aber etwas mager daher. Viel passieren darf nicht. Umso erstaunlicher klingt es, wenn Tedesco im Falle von Höwedes und Geis von "außerplanmäßigen Wechseln" spricht: "Wir hatten mit zwei Spielern mehr gerechnet, müssen die Situation nun aber so annehmen und hoffen, dass die Verletztenliste bis zum Jahresende kurz bleibt", sagte der Trainer im kicker.
Seine Art der Mannschaftsführung, ob sie in manchen Fällen nun rigoros war oder nicht, wird auf Schalke nur dann funktionieren, wenn sich zügig erste Erfolge einstellen. Ansonsten wird er schnell gegen Windmühlen kämpfen.
Der ihm in Richtung Höwedes ausgelegte Satz, man solle Reisende nicht aufhalten, hatte zwar erkennbar grundsätzlichen Charakter. Tedescos zügige Relativierung wird ihm aber verdeutlicht haben, wie schnell sich der Wind bei den Knappen drehen kann.
Bekommt Schalke jeden kaputt?
Und dies ist ja die entscheidende Frage, die in Gelsenkirchen seit langer Zeit über allem schwebt: Bekommt Schalke - mal zügiger, mal gemächlicher - irgendwann jeden sportlich Verantwortlichen kaputt?
Heidel und Tedesco kamen wie ihre zahlreichen Vorgänger mit großen Vorschusslorbeeren an, die grundsätzlichen Problematiken haben sich allerdings kaum verändert: Die fehlende sportliche Konstanz, die mangelnde Charakterstärke der Mannschaft, der ausbleibende Durchbruch eigens ausgebildeter Talente - in den wechselwilligen Max Meyer und Thilo Kehrer stehen die beiden nächsten "Problemfälle" schon vor der Tür. Auch ein langfristiger Verbleib des umworbenen Leon Goretzka scheint nahezu ausgeschlossen.
In der gerade angelaufenen Saison hat S04 bereits wieder beide Seiten von sich gezeigt, so wie in all den Jahren zuvor: Einer kämpferisch geschlossenen Mannschaftsleistung gegen RB Leipzig folgte ein blutleerer Auftritt beim Aufsteiger aus Hannover.
Die Schalker Wankelmütigkeit scheint unabhängig von aktuellen Entscheidungsträgern. Das bewusst eingegangene Risiko wird bereits früh auf die Probe gestellt.