T-Fragen, Kniefall und ein geiles Spiel!

SPOX
16. Oktober 201715:29
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Der Hamburger SV kann sich nach dem erneuten Patzer von Christian Mathenia nicht mehr gegen die Torwart-Diskussion wehren. Diskutiert wird gleich an mehreren Standorten über den Trainer - mit unterschiedlicher Herangehensweise. Der Kniefall von Berlin drängt ein schwaches Spiel in den Hintergrund. Dortmund und Leipzig zeigen der Liga derweil, dass es Alternativen zu fußballerischer Magerkost gibt.

Der HSV hat eine Torhüter-Diskussion

Keine Frage, in der Endphase der vergangenen Saison war Christian Mathenia ein, wenn nicht sogar: DER, absolute Leistungsträger beim HSV und damit ein Garant für den Klassenerhalt. Entsprechend verständlich, dass ihm Trainer Markus Gisdol auch für diese Saison das Vertrauen schenkte. Und das trotz der namhaften und immerhin 3,5 Millionen Euro teuren Verpflichtung von U21-Europameister Julian Pollersbeck.

Langsam aber sicher kommt der HSV aber nun nicht mehr am Thema Torhüter vorbei. Mathenia sah bereits in den Spielen gegen Borussia Dortmund und RB Leipzig nicht glücklich aus. Nun hatte er nach dem entscheidenden Patzer gegen Hannover 96 auch am Wochenende gegen den 1. FSV Mainz 05 einen Flutschfinger-Anfall.

Ob gewollt oder nicht: Die Diskussionen sind nun da. Ist jetzt die Zeit für Pollersbeck?

Nein, sagt Gisdol. Mathenia werde auch am kommenden Wochenende gegen die Bayern zwischen den Pfosten stehen. Sein Torhüter brauche einfach noch Zeit, um sich nach dem Abgang von Rene Adler an die Rolle als klare Nummer eins zu gewöhnen, meint der Trainer: "Es ist eine große Aufgabe, die Nummer eins in Hamburg zu sein. Aber er ist selbstkritisch, trainiert tadellos. Er schafft das."

Das tadellose Training ist offenbar der Knackpunkt bei seinem Stellvertreter, der aktuell nicht wirklich ein Herausforderer ist. Zumindest lässt Gisdol das zwischen den Zeilen durchklingen: "Ich sehe momentan nichts anderes. Mathenia ist unsere Nummer eins."

Echte Überzeugung oder nur ein Schutz vor einem Torwartwechsel im Vorfeld des Spiels gegen den offenbar wiedererstarkten FC Bayern?

BVB gegen Leipzig - von wegen "kein großartiges Spiel"

Insgesamt 13 Torschüsse durften die Zuschauer im Berliner Olympiastadion beim 2:0-Sieg des FC Schalke "bestaunen". Müder geht's nimmer.

Das Kontraprogramm gab's im Signal Iduna Park: fünf Tore, zwei Elfmeter, Einsatz des Videoschiedsrichters, zwei Platzverweise, massenweise hochkarätige Chancen, eine emotionale und spannende Endphase - so kann ein Bundesligaspiel auch laufen. Borussia Dortmund und RB Leipzig lieferten sich den im Vorfeld der Partie von Ralph Hasenhüttl prophezeiten "offenen Schlagabtausch". Lothar Matthäus nannte das Spitzenspiel die besten 90 Minuten der aktuellen Bundesliga-Spielzeit.

Vor dem 8. Spieltag fielen gerade mal 2,44 Tore pro Spiel. Der bisherige Negativrekord der Bundesliga-Historie von der Saison 1989/90 liegt bei 2,58 Treffern. Kein Wunder, dass seit Wochen eine Debatte über die zu defensive Ausrichtung zahlreicher Bundesligisten lodert. Umso erfrischender, dass Peter Bosz und Hasenhüttl dieses Offensiv-Feuerwerk abbrannten.

Da kann Bosz noch so häufig sagen, dass es "kein großartiges Spiel war". Bei so viel fußballerischer Magerkost in dieser Saison nimmt der Fan so etwas gerne.

Donis ist das personifizierte VfB-Motto "jung und wild"

Bereits seit Wochen hat Sommerneuzugang Anastasios Donis beim VfB Stuttgart sein großes Potenzial angedeutet. Warum der Grieche als große Hoffnung für die krankende VfB-Offensive gilt, zeigte er mal wieder am Freitagabend. Die Partie gegen den 1. FC Köln war sein bisher nachhaltigstes Empfehlungsschreiben für mehr Einsätze von Beginn an.

Donis spielte gegen die Kölner Abwehr unzählige Male seine Geschwindigkeitsvorteile aus - mit 33,59 km/h zog er den deutlich schnellsten Sprint der Partie an.

Er hatte bei nahezu jedem Angriff seine Füße im Spiel und stellte mit zehn abgegebenen Torschüssen einen neuen Saisonrekord auf. Darunter war auch sein Treffer zum zwischenzeitlichen 1:0. Eine pure Willensleistung, wie er sich im Laufduell gegen Frederik Sörensen durchsetzte.

Mit seinen spielerischen Anlagen ist der 21-Jährige prädestiniert für die Rolle als Zehner bzw. Halbstürmer bzw. freie Radikale neben einem Brecher wie Simon Terodde oder Daniel Ginczek.

Allerdings zeigte sein zweifelsohne starker Auftritt gegen Köln auch, warum Donis das VfB-Jugendmotto "jung und wild" optimal personifiziert: In einigen Situationen agierte er nämlich wie ein 21-Jähriger, dem noch die Routine fehlt. Unbekümmert, sagen die einen, wild, könnten Kritiker sagen. Von seinen zehn Torschüssen brachte er nur vier aufs Tor. Eine Auswirkung dessen, dass er mehrfach den richtigen Moment für das Abspiel verpasste und stattdessen aus wenig vielversprechenden Positionen abzog. Zudem offenbarte er im Abschluss noch Luft nach oben.

All das ist nach Donis' Performance am Freitag Jammern auf hohem Niveau. Wenn am Ende die drei Punkte stehen, ist "jung und wild" ja auch ausschließlich positiv besetzt.

Die Krisenklubs stärken ihre Trainer

Beim 1. FC Köln, dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV will die Kurve einfach nicht nach oben zeigen. Die formschwächsten Teams der letzten Wochen verloren am Wochenende allesamt. Ihre Spiele wohlgemerkt, aber noch nicht die Nerven. Die Trainer Peter Stöger, Alexander Nouri und Markus Gisdol sitzen nämlich nach Aussage ihrer Vorgesetzten noch immer fest im Sattel.

Trotz der erneut unglücklichen 1:2-Niederlage beim VfB Stuttgart und der historisch schlechten Bilanz von nur einem Punkt nach acht Spielen stellte Kölns Geschäftsführer Jörg Schmadtke Stöger eine Jobgarantie aus: "Zum jetzigen Zeitpunkt stellt sich die Frage nicht. So lange ich ein gutes Gefühl habe, so lange gibt es keine Diskussion." Mindestens im Krisengipfel am kommenden Sonntag gegen Werder Bremen wird der Österreicher also noch auf der Bank der Domstädter sitzen.

Bei eben jenen Bremern droht die Stimmung derweil zu kippen. Während des schwachen Auftritts gegen Borussia Mönchengladbach häuften sich die Pfiffe im Weser-Stadion. Nouri ist nicht vorzuwerfen, nicht alles zu probieren. Gegen die Fohlen wechselte er in der Halbzeit sein System von einem 3-1-4-2 auf ein 4-4-2, er feilte an der Ausrichtung - und doch gab es erneut keine Punkte.

Für Sportdirektor Frank Baumann noch kein Grund, Nouri abzusägen: "Die Situation hat sich nicht verändert. Gegen Köln wird er definitiv auf der Bank sitzen." Erbsenzählerei, klar, doch zwischen den Zeilen klingt die Jobgarantie weniger überzeugend als die für Kollege Stöger.

Auch beim HSV haben sich die Mienen nach dem perfekten Start mit zwei Siegen aus zwei Spielen mittlerweile verfinstert. Logisch, schließlich kam der Dino seitdem in sechs Spielen nur noch auf einen Punkt und zwei magere Tore. Doch auch Gisdol ist noch nicht angezählt. Laut Bild sitzt er fest im Sattel. Ein Glück für ihn, dass Heribert Bruchhagen noch nie dafür bekannt war, einen lockeren Finger am Knopf für den Schleudersitz zu haben.

Hertha sorgt für Schlagzeilen - wenn auch nicht sportlich

Sportlich hat Hertha BSC am Wochenende nicht für Schlagzeilen gesorgt - zumindest nicht für positive. Die eigentlich so heimstarken Berliner zeigten gegen den FC Schalke 04 die schwächste Saisonleistung, gaben als erstes Team in dieser Saison in der ersten Halbzeit keinen einzigen Torschuss ab und kamen insgesamt nur auf zwei. Die 0:2-Niederlage war hochverdient.

Und doch war Hertha sogar in den internationalen Medien ein großes Thema. Der Grund: Vor der Partie gingen alle Spieler auf dem Platz und der Bank sowie die Verantwortlichen, unter anderem Trainer Pal Dardai und Geschäftsführer Michael Preetz, auf die Knie und hakten ihre Arme ein.

"Hertha BSC steht für Vielfalt, Toleranz und Verantwortung! Für ein Berlin, dass auch in Zukunft weltoffen ist", teilte der Verein im Zuge der Aktion mit. Eine Aktion, die zur vielfältigen und weltoffenen Hauptstadt passt. Und zum weltoffenen Image, um das der Klub bemüht ist. Preetz sagte dazu: "Seit 21 Jahren bin ich jetzt in Berlin, seitdem zeigen wir mit diversen Aktionen gegen Diskriminierung und Rassismus unsere Haltung. Berlin ist eine maximal weltoffene Stadt, die für Vielfalt und Toleranz steht. Diese Werte wollten wir in die Welt senden."

Mit der Geste schloss sich die Alte Dame kollektiv dem Protest amerikanischer Sportler gegen Diskriminierung und Rassismus an.

Die Reaktionen auf den Kniefall waren gemischt: Die Spieler äußerten sich kollektiv positiv, hatten den Vorschlag des Klubs zuvor schließlich auch angenommen, die Kurve blieb neutral, die DFL twitterte: "Großartige und wichtige Geste". Auch eine Strafe seitens des DFB (Religiöse und politische Botschaften sind verboten) droht nicht: "Wir sehen die Geste als allgemeines Eintreten für die Wahrung der Menschenrechte", teilte der Verband mit.

In den internationalen Medien thematisierten unter anderem die New York Times, die Washington Post oder die englische Sun die Aktion.

Die maximale Aufmerksamkeit jedenfalls erreichte die Hertha mit der Aktion. Marken-Boss Paul Keuter räumte jedoch mit einer Anschuldigung auf: "Wer aber glaubt, dass wir das aus marketingtechnischen Gründen gemacht haben, dem ist definitiv nicht mehr zu helfen."