SPOX: Herr Schöpf, Sie kommen aus dem österreichischen Ötztal, einer klassischen Skifahrer-Gegend. Im Oktober startet dort der Ski-Weltcup. Wieso eigentlich ohne Sie?
Alessandro Schöpf: Das war in unserer Familie fast undenkbar. Mein Vater war früher auch Fußballprofi. Ich bin als Kind zwar auch Ski gefahren, aber Fußballspielen hat mir schon immer mehr Spaß gemacht. Ich bin auch sehr früh Fan von Manchester United geworden, das hat bis heute Bestand. Und bei den Spielern hat mich Andres Iniesta frühzeitig begeistert. Der Weg war also irgendwie vorgezeichnet. (lacht)
SPOX: Sie erzählten einmal, wie Ihr Vater Bertram einst bei den nationalen Meisterschaften in Bregenz auf einer zusätzlichen Bahn die 100 Meter lief und das Rennen in 10,85 Sekunden gewann. Wie kam es dazu?
Schöpf: Er hat bei Schwarz-Weiß Bregenz in der zweiten Liga gespielt. Da er sehr schnell war, ist der Verein auf den Veranstalter zugegangen und hat gefragt, ob er nicht inoffiziell mitlaufen könne. Er durfte dann barfuß auf dem Rasen neben den Bahnen starten und ist vor allen anderen ins Ziel gerannt. Somit ist er quasi inoffizieller österreichischer Staatsmeister.
SPOX: Sie selbst haben ab dem Alter von fünf Jahren für den SV Längenfeld und die Akademie Tirol gespielt. Im März bestritten Sie gegen Finnland Ihr allererstes Profi-Spiel in Ihrem Heimatbundesland Tirol. Wie wichtig ist Ihnen der Bezug nach Hause?
Schöpf: Sehr. Meine gesamte Familie lebt noch dort, ich bin in Tirol aufgewachsen und groß geworden. Ich freue mich immer sehr, wenn ich es schaffe, nach Hause zu kommen. Deshalb war es für mich auf jeden Fall eine riesengroße Ehre, mit der Nationalelf dort zu spielen. Da ist eine ganze Karawane aus dem Ötztal rausgefahren, um sich die Sache nicht entgehen zu lassen - ein super Erlebnis.
SPOX: Ist es jetzt im Westen Deutschlands ein Problem, dass Sie nicht mehr wie früher aus Bayern schnell mal in die Heimat reisen können?
Schöpf: Es ist jetzt einfach noch weniger Zeit da. Ich fliege im Sommer und Winter nach Hause, sonst nicht mehr. Wir schauen aber, dass mich Familie und Freunde an den Wochenenden besuchen, wenn für alle ausreichend Zeit vorhanden ist.
SPOX: In den letzten beiden Winterpausen haben Sie die Familie für ein paar Tage verlassen und sind mit Kumpels nach Manchester gereist, um Heimspiele der Red Devils im Old Trafford zu besuchen.
Schöpf: Stimmt. Das waren meine ersten beiden Male im Old Trafford. Gerade der Boxing Day ist ja richtig geil, da ist die Hölle los. Im letzten Jahr haben wir noch einen Schlenker über London gemacht und haben bei der Darts-WM im Ally Pally vorbeigeschaut. Mit Phil Taylor und Michael van Gerwen haben wir auch zwei relativ gute Sessions erwischt.
SPOX: 2009 wechselten Sie mit 15 ins Nachwuchsleistungszentrum des FC Bayern. Zwei Jahre zuvor wollte Sie RB Salzburg für die Akademie verpflichten. Lag das ausschließlich daran, dass es mit 13 noch zu früh war, die Heimat zu verlassen?
Schöpf: Ja, damals hat es sich für mich zu früh angefühlt, Familie und Freunde komplett hinter mir zu lassen. Im Nachhinein gesehen habe ich diese zwei Jahre auch gebraucht, um mich darauf vorzubereiten, eines Tages wegen des Fußballs zu gehen. Erst hatte ich ein Probetraining beim VfB Stuttgart, dort wollte man mich aber erst für die U17 haben. Das war mir allerdings zu spät. Dass dann die Bayern kamen und ich dort auf Anhieb in der U16 spielen konnte, habe ich mir natürlich nicht einmal erträumen lassen. Diese Chance konnte ich nicht ausschlagen.
SPOX: Jugendtrainer Peter Wenniger hatte Sie entdeckt. Wo war das genau?
Schöpf: Mein Berater hatte zuvor schon ein paar Kontakte in die Richtung geknüpft. Wir spielten dann den Cordial Cup in St. Johann, ein ziemlich renommiertes internationales Jugendturnier. Die Bayern waren auch vertreten. Nach einem unserer Spiele kam Peter Wenninger auf mich zu und lud mich zu einem Probetraining ein. Wir tauschten Nummern aus und er schaute sich zusammen mit Hermann Hummels später noch zwei weitere meiner Spiele an. Kurz darauf war ich in München und schaute mir alles an, von da an ging alles recht schnell - und auf einmal bist du dann Spieler beim FC Bayern.
SPOX: In München durchliefen Sie ab der B-Jugend alle Nachwuchsmannschaften und unterschrieben im November 2013 einen Profivertrag - etwas mehr als ein halbes Jahr vor Ihrem Wechsel zum 1. FC Nürnberg. Welche Hoffnungen haben Sie mit der Unterschrift verbunden?
Schöpf: Es war auf der einen Seite eine große Ehre, einen Profivertrag von den Bayern vorgelegt zu bekommen. Da dachte ich schon, ich bin wirklich nah dran. Damals hätte nicht damit gerechnet, kurz darauf den Verein zu verlassen. Man merkt aber genauso schnell, dass es in meinem jungen Alter und mit dieser Erfahrung fast unmöglich ist, irgendwie sinnvoll in die erste Mannschaft hineinzurutschen. Notfalls besteht für den Verein ja auch die Möglichkeit, 30 bis 40 Millionen in die Hand zu nehmen und einen neuen Spieler zu verpflichten. Bei den Bayern herrscht ständiger Druck, so dass man auch wenig Zeit und Geduld mit jungen Spielern hat.
SPOX: Und Ihre Geduld war am Ende?
Schöpf: Ich wäre mit den Bayern-Amateuren in das dritte Jahr Regionalliga gegangen. Ich hatte aber das Gefühl, dass das nicht förderlich für mich ist und wollte den nächsten Schritt gehen. Die Zwischenlandung in der 2. Liga bei Nürnberg ergab mehr Sinn, der Sprung war nicht so riesig. Letztlich konnte ich mich beim Club durch die permanente Spielpraxis fußballerisch sehr weiterentwickeln.
SPOX: Bevor es der Club geworden ist, waren Sie sich mit Borussia Mönchengladbach einig, der Verein aber nicht mit den Bayern. Woran haperte es denn da genau?
Schöpf: Im Winter kam Max Eberl nach München und hat sich das Amateurderby zwischen Bayern und 1860 angeschaut. Nach dem Spiel haben wir uns getroffen und er meinte: Vor dem Spiel wollten wir dich zu 90 Prozent, jetzt zu 100 Prozent. Es hieß, man sei absolut überzeugt von mir. Die Bayern wiederum wollten Sinan Kurt aus Gladbach verpflichten, doch er hatte sich ohne Absprache mit Max Eberl schon mit Matthias Sammer getroffen. So hat sich das dann zerschlagen, zwischen den Vereinen passte es auf politischer Ebene in diesem Fall nicht mehr so richtig. Das Gladbacher Präsidium entschied dann auch, für meine Position nur einen statt zwei Spieler zu holen. Am Ende holte man Thorgan Hazard und ich wurde in Nürnberg glücklich.
SPOX: Nach eineinhalb Spielzeiten in Franken wechselten Sie im Januar 2016 zu Schalke. Dort erlebten Sie bislang wechselhafte Zeiten, Domenico Tedesco ist bereits Ihr dritter Trainer. Was Schalke auch in dieser Hinsicht ausmacht, müssten Sie also schon begriffen haben?
Schöpf: Ja, längst. (lacht) Drei Trainer in dieser kurzen Zeit, das ist schon ziemlich ungewöhnlich. Hier sind aber eben die Erwartungen sehr hoch. Wenn die Mannschaft diese dann nicht vollends erfüllt, muss leider immer der Trainer dran glauben. Es gab Phasen, in denen eher die Mannschaft als der Trainer Schuld war, doch wir Spieler können es im Endeffekt nie beeinflussen, ob ein Trainer ein Jahr oder fünf Jahre bleibt.