Alessandro Schöpf wechselte mit 15 Jahren aus Österreich in die Jugendabteilung des FC Bayern München. Über die Station 1. FC Nürnberg landete er im Januar 2016 beim FC Schalke 04. Der 23-Jährige spricht im Interview über seine Zeit bei Bayern, einen Beinahe-Wechsel nach Gladbach, sein Essverhalten und die Probleme des ÖFB-Teams.
SPOX: Herr Schöpf, Sie kommen aus dem österreichischen Ötztal, einer klassischen Skifahrer-Gegend. Im Oktober startet dort der Ski-Weltcup. Wieso eigentlich ohne Sie?
Alessandro Schöpf: Das war in unserer Familie fast undenkbar. Mein Vater war früher auch Fußballprofi. Ich bin als Kind zwar auch Ski gefahren, aber Fußballspielen hat mir schon immer mehr Spaß gemacht. Ich bin auch sehr früh Fan von Manchester United geworden, das hat bis heute Bestand. Und bei den Spielern hat mich Andres Iniesta frühzeitig begeistert. Der Weg war also irgendwie vorgezeichnet. (lacht)
SPOX: Sie erzählten einmal, wie Ihr Vater Bertram einst bei den nationalen Meisterschaften in Bregenz auf einer zusätzlichen Bahn die 100 Meter lief und das Rennen in 10,85 Sekunden gewann. Wie kam es dazu?
Schöpf: Er hat bei Schwarz-Weiß Bregenz in der zweiten Liga gespielt. Da er sehr schnell war, ist der Verein auf den Veranstalter zugegangen und hat gefragt, ob er nicht inoffiziell mitlaufen könne. Er durfte dann barfuß auf dem Rasen neben den Bahnen starten und ist vor allen anderen ins Ziel gerannt. Somit ist er quasi inoffizieller österreichischer Staatsmeister.
SPOX: Sie selbst haben ab dem Alter von fünf Jahren für den SV Längenfeld und die Akademie Tirol gespielt. Im März bestritten Sie gegen Finnland Ihr allererstes Profi-Spiel in Ihrem Heimatbundesland Tirol. Wie wichtig ist Ihnen der Bezug nach Hause?
Schöpf: Sehr. Meine gesamte Familie lebt noch dort, ich bin in Tirol aufgewachsen und groß geworden. Ich freue mich immer sehr, wenn ich es schaffe, nach Hause zu kommen. Deshalb war es für mich auf jeden Fall eine riesengroße Ehre, mit der Nationalelf dort zu spielen. Da ist eine ganze Karawane aus dem Ötztal rausgefahren, um sich die Sache nicht entgehen zu lassen - ein super Erlebnis.
spoxSPOX: Ist es jetzt im Westen Deutschlands ein Problem, dass Sie nicht mehr wie früher aus Bayern schnell mal in die Heimat reisen können?
Schöpf: Es ist jetzt einfach noch weniger Zeit da. Ich fliege im Sommer und Winter nach Hause, sonst nicht mehr. Wir schauen aber, dass mich Familie und Freunde an den Wochenenden besuchen, wenn für alle ausreichend Zeit vorhanden ist.
SPOX: In den letzten beiden Winterpausen haben Sie die Familie für ein paar Tage verlassen und sind mit Kumpels nach Manchester gereist, um Heimspiele der Red Devils im Old Trafford zu besuchen.
Schöpf: Stimmt. Das waren meine ersten beiden Male im Old Trafford. Gerade der Boxing Day ist ja richtig geil, da ist die Hölle los. Im letzten Jahr haben wir noch einen Schlenker über London gemacht und haben bei der Darts-WM im Ally Pally vorbeigeschaut. Mit Phil Taylor und Michael van Gerwen haben wir auch zwei relativ gute Sessions erwischt.
SPOX: 2009 wechselten Sie mit 15 ins Nachwuchsleistungszentrum des FC Bayern. Zwei Jahre zuvor wollte Sie RB Salzburg für die Akademie verpflichten. Lag das ausschließlich daran, dass es mit 13 noch zu früh war, die Heimat zu verlassen?
Schöpf: Ja, damals hat es sich für mich zu früh angefühlt, Familie und Freunde komplett hinter mir zu lassen. Im Nachhinein gesehen habe ich diese zwei Jahre auch gebraucht, um mich darauf vorzubereiten, eines Tages wegen des Fußballs zu gehen. Erst hatte ich ein Probetraining beim VfB Stuttgart, dort wollte man mich aber erst für die U17 haben. Das war mir allerdings zu spät. Dass dann die Bayern kamen und ich dort auf Anhieb in der U16 spielen konnte, habe ich mir natürlich nicht einmal erträumen lassen. Diese Chance konnte ich nicht ausschlagen.
SPOX: Jugendtrainer Peter Wenniger hatte Sie entdeckt. Wo war das genau?
Schöpf: Mein Berater hatte zuvor schon ein paar Kontakte in die Richtung geknüpft. Wir spielten dann den Cordial Cup in St. Johann, ein ziemlich renommiertes internationales Jugendturnier. Die Bayern waren auch vertreten. Nach einem unserer Spiele kam Peter Wenninger auf mich zu und lud mich zu einem Probetraining ein. Wir tauschten Nummern aus und er schaute sich zusammen mit Hermann Hummels später noch zwei weitere meiner Spiele an. Kurz darauf war ich in München und schaute mir alles an, von da an ging alles recht schnell - und auf einmal bist du dann Spieler beim FC Bayern.
SPOX: In München durchliefen Sie ab der B-Jugend alle Nachwuchsmannschaften und unterschrieben im November 2013 einen Profivertrag - etwas mehr als ein halbes Jahr vor Ihrem Wechsel zum 1. FC Nürnberg. Welche Hoffnungen haben Sie mit der Unterschrift verbunden?
Schöpf: Es war auf der einen Seite eine große Ehre, einen Profivertrag von den Bayern vorgelegt zu bekommen. Da dachte ich schon, ich bin wirklich nah dran. Damals hätte nicht damit gerechnet, kurz darauf den Verein zu verlassen. Man merkt aber genauso schnell, dass es in meinem jungen Alter und mit dieser Erfahrung fast unmöglich ist, irgendwie sinnvoll in die erste Mannschaft hineinzurutschen. Notfalls besteht für den Verein ja auch die Möglichkeit, 30 bis 40 Millionen in die Hand zu nehmen und einen neuen Spieler zu verpflichten. Bei den Bayern herrscht ständiger Druck, so dass man auch wenig Zeit und Geduld mit jungen Spielern hat.
SPOX: Und Ihre Geduld war am Ende?
Schöpf: Ich wäre mit den Bayern-Amateuren in das dritte Jahr Regionalliga gegangen. Ich hatte aber das Gefühl, dass das nicht förderlich für mich ist und wollte den nächsten Schritt gehen. Die Zwischenlandung in der 2. Liga bei Nürnberg ergab mehr Sinn, der Sprung war nicht so riesig. Letztlich konnte ich mich beim Club durch die permanente Spielpraxis fußballerisch sehr weiterentwickeln.
SPOX: Bevor es der Club geworden ist, waren Sie sich mit Borussia Mönchengladbach einig, der Verein aber nicht mit den Bayern. Woran haperte es denn da genau?
Schöpf: Im Winter kam Max Eberl nach München und hat sich das Amateurderby zwischen Bayern und 1860 angeschaut. Nach dem Spiel haben wir uns getroffen und er meinte: Vor dem Spiel wollten wir dich zu 90 Prozent, jetzt zu 100 Prozent. Es hieß, man sei absolut überzeugt von mir. Die Bayern wiederum wollten Sinan Kurt aus Gladbach verpflichten, doch er hatte sich ohne Absprache mit Max Eberl schon mit Matthias Sammer getroffen. So hat sich das dann zerschlagen, zwischen den Vereinen passte es auf politischer Ebene in diesem Fall nicht mehr so richtig. Das Gladbacher Präsidium entschied dann auch, für meine Position nur einen statt zwei Spieler zu holen. Am Ende holte man Thorgan Hazard und ich wurde in Nürnberg glücklich.
SPOX: Nach eineinhalb Spielzeiten in Franken wechselten Sie im Januar 2016 zu Schalke. Dort erlebten Sie bislang wechselhafte Zeiten, Domenico Tedesco ist bereits Ihr dritter Trainer. Was Schalke auch in dieser Hinsicht ausmacht, müssten Sie also schon begriffen haben?
Schöpf: Ja, längst. (lacht) Drei Trainer in dieser kurzen Zeit, das ist schon ziemlich ungewöhnlich. Hier sind aber eben die Erwartungen sehr hoch. Wenn die Mannschaft diese dann nicht vollends erfüllt, muss leider immer der Trainer dran glauben. Es gab Phasen, in denen eher die Mannschaft als der Trainer Schuld war, doch wir Spieler können es im Endeffekt nie beeinflussen, ob ein Trainer ein Jahr oder fünf Jahre bleibt.
SPOX: Tedesco gilt als besonders kommunikativ im Umgang mit der Mannschaft. Wie kommt das an?
Schöpf: Er ist auf fußballerischer Ebene wirklich herausragend gut. Er geht nach jedem Spiel auf den Einzelnen ein und analysiert individuell, was man am Vortag gut und schlecht gemacht hat. In der Gruppe sprechen wir anhand von Videobildern viel über Theorie und anschließend zeigt er uns, wie wir das idealerweise auf dem Trainingsplatz umsetzen. Das ist wichtig, weil man Situationen im Spiel häufig anders wahrnimmt als beim Blick von außen. Sein Feedback ist sehr detailliert und ausgewogen, er legt auch viel Wert auf die Sicht der Spieler. Momentan sind wir an dem Punkt, dass jeder Spieler den Plan des Trainers und die Aufgaben auf der jeweiligen Position komplett versteht, damit das letztlich automatisch funktioniert und niemand mehr großartig nachdenken muss.
SPOX: Im 3-5-2-System von Markus Weinzierl haben Sie häufig die Flügelposition eingenommen, was Ihre große Laufarbeit zum Tragen kommen ließ. Auch Tedesco sagte schon, er sehe Sie langfristig als idealen Spieler für die Flügelverteidiger-Position. Bis zu Ihrer Zeit auf Schalke waren Sie eher ein Spieler, der über das Zentrum kam. Wo sehen Sie sich langfristig?
Schöpf: Ich sehe mich eher als Offensiv- denn als Defensivspieler. Die Position auf dem Flügel kombiniert beides, das passt also ziemlich gut. Ich sehe mich jetzt aber nicht unbedingt ausschließlich auf dieser Position, sondern möchte mir meine Flexibilität erhalten und auch eine Reihe weiter vorne eine Option sein. Meine Lieblingsposition bleibt hinter den Spitzen im Zentrum, da fühle ich mich einfach am wohlsten. Ich habe aber keine Probleme damit, mich unterzuordnen. Hauptsache ist, dass ich spielen darf.
SPOX: Das konnten Sie zuletzt mehrere Monate nicht. Im vergangenen Mai haben Sie sich in Leverkusen das Kreuzband angerissen, Ihre erste große Verletzung. Wie denken Sie jetzt darüber?
Schöpf: Ich hätte nie gedacht, dass es sich als so schlimm herausstellt. Ich kann eigentlich gut mit Schmerzen umgehen. Am Morgen nach dem Spiel ging ich ganz normal zum Frühstück, von selbst hätte ich gar nicht beim Arzt vorbeigeschaut. Er hat mich dann aber einbestellt und es wurde schnell klar, was Sache ist. Da brach schon eine Welt für mich zusammen. Es war anfangs schwer zu verdauen, wenn man weiß, man muss jetzt vier Monate richtig kämpfen, um überhaupt wieder Anschluss ans Team zu finden.
SPOX: Ihr Heilfleisch scheint immerhin genauso gut zu sein wie Ihre Gene, dank derer Sie zu den laufstärksten Spielern der Bundesliga gehören. Welche Rolle spielt dabei für Sie Ihre Zusammenarbeit mit einem Ernährungsberater?
Schöpf: Unser Physiotherapeut Thomas Kühn arbeitet mit ihm schon lange zusammen. Alle zwei Monate kommt er bei uns vorbei, dann kann man sich von ihm beraten lassen. Er nimmt einem Blut ab und erklärt, welcher Typ man ist und an was es einem fehlt. Ich glaube daher, dass es die Gesundung solcher Verletzungen um ein paar Prozent beschleunigen kann, wenn man sich gut ernährt.
SPOX: Was kommt bei Ihnen denn auf den Teller und was nicht?
Schöpf: Ich esse kein Schweinefleisch und nur wenig rotes Fleisch, stattdessen viel Hühnchen und Fisch. Weizenprodukte lasse ich komplett weg und greife auf Roggen und Hafer zurück. Ich trinke auch ausschließlich pflanzliche Milch und Wasser. Manchmal muss man sich auch ein bisschen dazu nötigen, um beispielsweise nach zwei Trainingseinheiten an einem Tag auf die richtige Wassermenge zu kommen. Aber es ist wichtig und ich fühle mich wohl damit.
SPOX: Die richtigen Nahrungsmittel zu kaufen und zu kochen bleibt aber Ihre Aufgabe?
Schöpf: Genau. Ich kaufe das ganz normal mit meiner Freundin im Supermarkt. Beim Kochen lasse ich ihr den Vortritt und feuere sie an, ich schneide nebenher aber ein bisschen vor mich hin. (lacht)
SPOX: Zum Schluss noch ein weiteres sportliches Thema: Marcel Koller muss das österreichische Nationalteam zum Ende des Jahres verlassen. Er ist einer der erfolgreichsten Teamchefs in der Verbandsgeschichte. Wie konnte es denn so weit kommen?
Schöpf: Ich möchte zunächst einmal festhalten, dass Marcel Koller wirklich sehr viel für den österreichischen Fußball geleistet hat. Wir waren zwischenzeitlich Zehnter der Weltrangliste, so gut wie nie zuvor. Leider haben wir bei der EM 2016 ein sehr schlechtes Bild abgegeben. Auch die WM-Qualifikation war schnell dahin. Dass der ÖFB nun aber so durchgreift, war doch überraschend.
SPOX: Ist es in gewisser Weise zu kurz gegriffen, wenn Koller und Sportdirektor Willi Ruttensteiner die Alleinschuld für die zuletzt schwache Phase gegeben wird?
Schöpf: Als Spieler macht man sich schon Gedanken und Vorwürfe. Wir haben eine sehr gute Mannschaft beisammen, doch daraus kann man nicht automatisch ableiten, dass wir uns künftig für jedes Turnier qualifizieren. Man sollte es auch akzeptieren können, wenn es einmal nicht so gut läuft.