SPOX: Herr Kornetka, bevor Sie im Fußball landeten, studierten Sie an der Sporthochschule Köln auf Diplom mit dem Schwerpunkt Journalismus. Wie kam es dazu?
Lars Kornetka: Mein Bruder absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann und war so ein bisschen mein Vorbild. Ich konnte es ihm aber nicht gleichtun, weil in unserem Heimatkreis nur ein Familienangehöriger bei derselben Bank arbeiten darf. In der Oberstufe hatten wir einen Referendar in der Schule, der Sport studierte. Über ihn bin ich überhaupt erst auf den Trichter gekommen, dass das auch etwas für mich sein könnte.
SPOX: Wann kam der Fußball ins Spiel?
Kornetka: Ich habe selbst in der Verbands- und Landesliga gespielt und mich immer dafür interessiert. Mit vielen meiner alten Trainer stehe ich noch in Kontakt. Ich war aber der Meinung, dass es in Deutschland letztlich zu wenige Vereine gibt, um damit irgendwie Geld verdienen zu können. Ein paar meiner Kommilitonen trainierten beim 1. FC Köln die E-Jugend. Ich hatte großen Respekt davor, war aber immer überzeugt davon, dass das wenig Perspektive hat. Es war für mich komplett abwegig, ich habe diese Möglichkeit für mich nicht als realistisch eingeschätzt und mich deshalb auf die Journalismus-Schiene begeben.
SPOX: Dabei absolvierten Sie Praktika beim DSF und Sky und waren lange freier Mitarbeiter beim WDR - mit dem Schwerpunkt Fußball.
Kornetka: Boris Notzon, der mittlerweile Sportdirektor in Kaiserslautern ist, kannte ich durch den WDR. Er hat damals für den 1. FC Köln Highlight-Videos produziert. Bei der Hockey-WM 2006 kam der damalige Bundestrainer Bernhard Peters auf ihn zu und fragte, ob er nicht ein solches Video auch für ihn machen könne. Ich hatte einen engen Draht zu Boris und habe ihn dabei ein bisschen unterstützt. Zu diesem Zeitpunkt kam dann das Thema Analyse und die Frage auf, warum man das eigentlich nicht im Fußball einsetzt. In vielen anderen Sportarten war es über Jahre erfolgreich etabliert, nur eben im Fußball nicht.
SPOX: Haben Sie den Umgang ausschließlich im Studio erlernt?
Kornetka: Nein, ich habe mich schon immer fürs Schreiben und besonders für den Film interessiert. Gerade für die Hollywood-Streifen, wie man so etwas dreht und wie die Regiearbeit funktioniert - das hat mich fasziniert. Ich lieh mir schon als junger Kerl Kameras aus und sparte auf eine eigene. Auch Schnittprogramme habe ich mir besorgt und dann einfach für mich herumgewerkelt.
SPOX: Peters ging 2007 zum Regionalligisten Hoffenheim. Dort arbeitete Ralf Rangnick als Trainer - und nach dem Aufstieg in die 2. Liga auch Sie.
Kornetka: Bernhard Peters wollte das Thema Analyse in Hoffenheim aufbauen und etablieren und jemanden dafür einstellen. Es gab ein Treffen mit ihm, Ralf Rangnick und Jan Schindelmeiser. Ich sagte ihnen, dass ich technisches Knowhow mitbringe und auch schneiden kann, ich hatte aber wenig Ahnung von den Abläufen im Profifußball und wusste nicht, wie ein Trainingsalltag funktioniert.
SPOX: Und trotzdem hat man Sie genommen!?
Kornetka: Ein wenig Fußball-Sachverstand hatte ich dann schon und strategisches Denken fiel mir leicht. Letztlich war meine fehlende Prägung im Leistungsfußball sogar hilfreich. Ralf Rangnick brachte dazu mal einen coolen Spruch: "Das Gute an dir ist, dass deine Festplatte noch leer ist und man sie bespielen kann." Diese Denke hat mir später sehr geholfen. Meine Arbeit hat sich etabliert, die Abteilung wuchs und ich stellte erste Mitarbeiter ein - nach ganz konkreten Gesichtspunkten: Sie mussten jung, hungrig und wissbegierig sein.
SPOX: So ganz ohne Ahnung vom Profifußball.
Kornetka: Aber mit dem Glück, Ralf Rangnick als Trainer zu haben. Er war mein Lehrer und ich sein fußballerischer Ziehsohn. (lacht) Er ist total schlau, hat enorm viel drauf und als ausgebildeter Pädagoge kann er einem ziemlich gut etwas beibringen. An seiner Seite war sein Mentor Helmut Groß, für mich einer der größten Fußball-Fachmänner Deutschlands. Er ist extrem innovativ, an allem interessiert und hat sich viel um mich gekümmert. Anfangs hatte ich viele Sieben-Tage-Wochen, doch ich musste auch einiges lernen.
SPOX: Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Spiel, das Sie für Rangnick zusammengeschnitten und ihm präsentiert haben?
Kornetka: Das weiß ich noch genau. Ich ließ das Video laufen und erklärte, was ich in dieser Partie gesehen habe. Dann zeigten mir Rangnick und Groß auf, was wirklich wichtig und unwichtig ist. Am Ende war die Hälfte meines Videos Müll, andere wichtige Aspekte hatte ich komplett übersehen. Es war letztlich learning by doing, um die Analyseinhalte bis ins Training transportieren zu können.
SPOX: Wie haben Sie sich antrainiert, Auffälligkeiten im Spiel direkt live zu sehen, damit Sie in der Halbzeitpause bereits einen entsprechenden Clip präsentieren konnten?
Kornetka: Helmut Groß war anfangs bei allen Spielen dabei. Ich nahm das Spiel auf, er stand neben mir und beschrieb die Szenen: Hier machen wir dieses richtig, hier hätten wir lieber das machen sollen. Irgendwann kam er nicht mehr zu den Spielen, weil er meinte, dass ich das jetzt alleine könne.