Das Spiel seines Lebens

Von Oliver Wittenburg
Ihlas Bebou war nicht zu halten, nicht einmal von BVB-Abwehrchef Sokratis
© getty

Ihlas Bebou war der Matchwinner beim furiosen 4:2-Erfolg von Hannover 96 über Borussia Dortmund. Der 23-Jährige erzielte zwei Treffer und ermöglichte seinem Trainer Andre Breitenreiter taktische Spielereien. Bebou blieb danach - wie immer - bescheiden, könnte sich jedoch in ganz anderen Sphären bewegen.

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Dass Ihlas Bebou über jede Menge Talent verfügt, war schon länger bekannt. Der Ruf begleitet ihn, seit er gegen das runde Leder tritt. So stark aber, wie er bei Hannovers 4:2-Sieg gegen Tabellenführer Borussia Dortmund aufspielte, hätte ihn vermutlich niemand eingeschätzt.

Am wenigsten wohl der 23-jährige Togolese selbst: "Zwei Tore gegen einen solchen Gegner, das ist unglaublich. Vielleicht sogar das Spiel meines Lebens."

Last-Minute-Transfer Bebou ist angekommen

Es scheint, als sei der vielseitig einsetzbare Offensivspieler bei seinem neuen Arbeitgeber angekommen. Auf den letzten Drücker hatte ihn Aufsteiger Hannover Ende August verpflichtet, was sich die Niedersachsen rund vier Millionen Euro kosten ließen. Vier Spiele hatte Bebou da schon für Zweitligist Düsseldorf absolviert und zwei Treffer erzielt.

Im Anschluss führte ihn Trainer Andre Breitenreiter behutsam an seine gut eingespielte Mannschaft heran. Ein Kurzeinsatz zum Debüt gegen Wolfsburg, eine erneute Einwechslung gefolgt von seinem ersten Bundesligator gegen den Hamburger SV und am sechsten Spieltag schließlich sein Debüt in der Startelf gegen den 1. FC Köln.

Sieben Mal durfte er auf seiner angestammten Position, dem rechten offensiven Flügel ran, bis das Spiel gegen den BVB kam. Das Thema im Vorfeld war weniger die Entwicklung Bebous, sondern vielmehr die Erkrankung von Martin Harnik. Der zuverlässigste Scorer war der Österreicher bis dahin gewesen, doch ausgerechnet beim Härtetest gegen den Spitzenreiter zwang ihn eine Grippe auf die Bank.

Bebou zog mehr Sprints an als Aubameyang

Breitenreiter musste erstmals in dieser Saison auf seinen erfahrensten Stürmer verzichten und nutzte die Gelegenheit gleich, um sein System vom bevorzugten 4-3-3 auf ein 5-3-2 umzustellen. Die beiden Sturmspitzen: Jonathas und eben Bebou.

Und diese beiden erwischten einen Sahnetag, wobei Bebou seinen brasilianischen Kollegen noch übertrumpfte. Seine Attribute: gute Laufwege, hervorragende Ballverarbeitung, trickreich im Dribbling und - zum Leidwesen einer abermals alles andere als gut verteidigenden BVB-Mannschaft - unglaublich schnell.

37 Sprints zog er an, die meisten aller Spieler und 17 mehr als BVB-Superstar Pierre-Emerick Aubameyang. Und neben zahlreichen atemberaubenden Tempoverschärfungen glänzte er mit einer für einen Bundesliganeuling herausragenden Kaltschnäuzigkeit im Abschluss.

Bei beiden Toren guckte er trotz höchster Geschwindigkeit Roman Bürki aus und vollstreckte eiskalt. Einen möglichen dritten Treffer vereitelte der BVB-Keeper in höchster Not. "Wir wussten, dass wir in ihren Rücken spielen müssen. Der Matchplan vom Trainer ist voll aufgegangen", sagte Bebou.

Bebou ist "demütig und bescheiden"

Doch selbst wenn er den Dreierpack geschnürt hätte - Angst um die Bodenhaftung hätte man sich bei Ihlas Bebou nicht machen müssen. Demut und eine realistische Einschätzung der Gegebenheiten zeichnen ihn aus - und eine für einen so jungen Spieler erstaunliche Professionalität.

Wohin man auch hört, ehemalige Weggefährten und frühere Trainer singen wahre Loblieder auf den jungen Mann.

Düsseldorf-Trainer Friedhelm Funkel nannte ihn gegenüber dem Express einen "super Menschen" und nahm ihm den Wechsel nach Hannover offenbar kein bisschen übel: "Anders als viele junge Spieler heutzutage hat er bis zur letzten Sekunde seine Knochen für Fortuna hingehalten - ohne Rücksicht darauf, ob er sich im letzten Spiel verletzt. Das muss man ihm ganz hoch anrechnen."

Und Mike Büskens, der Bebou 2013 erstmals in den Profikader der Fortuna berief, lobte schon damals nicht nur seine Schnelligkeit und technische Veranlagung, sondern auch seine charakterlichen Eigenschaften: "Ihlas ist sehr zurückhaltend, dazu demütig und bescheiden."

Ohne Verletzungspech in ganz anderen Sphären

Zurückhaltung und Bescheidenheit lehrten Bebou wohl seine Jahre in Togo, wo er bis zu seinem zwölften Lebensjahr in einfachsten Verhältnissen lebte, ehe er mit Vater und Schwester der Mutter nach Düsseldorf folgte.

Geprägt haben ihn aber auch herbe Rückschläge. Rückschläge einer Schwere, die durchaus schon Karrieren beendeten.

Kaum von Büskens "befördert" erlitt er im Trainingslager im Sommer 2013 in der Schweiz in einem Testspiel einen Schädelbruch. "Sehr, sehr kritisch" nannte Teamarzt Ulf Blecker die Situation damals. Bebou hatte das Bewusstsein verloren, drohte seine Zunge zu verschlucken, sein rechter Arm war vorübergehend komplett gelähmt. Die Genesung ging allerdings schneller als erwartet vonstatten. Gute zwei Monate nach dem schrecklichen Unfall, debütierte Bebou in der zweiten Liga.

Doch nach dem Spiel ereilt ihn der nächste Schicksalstag: Knorpelschaden im Knie. Es dauert zwei Jahre, bis er erstmals für Düsseldorfs Startelf aufläuft. Mit Dankbarkeit quittiert er die Chance und spielt sich Stück für Stück in die Herzen der Fortuna-Fans und schließlich in die Bundesliga.

Sein früherer Trainer Taskin Aksoy sagte einmal, Bebou würde sich ohne seine schweren Verletzungen schon in ganz anderen Sphären bewegen. In einem Interview vor über zwei Jahren darauf angesprochen, antwortete Bebou ausweichend. Er könne damit nicht so viel anfangen und wisse nicht wirklich, was der Trainer gemeint habe. Spätestens seit Samstag sollte er schlauer sein.

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