Coke steht bei Schalke 04 vor dem Aus: Knapp eineinhalb Jahre nach der bejubelten Verpflichtung des Spaniers gibt es für ihn keinen Platz mehr im Team, Trainer Domenico Tedesco baut auf andere Spieler. Ein Wechsel im Winter scheint beschlossene Sache. Für den davor so erfolgreichen Rechtsverteidiger würde damit das bitterste Kapitel seiner Karriere enden.
Eigentlich ist er ja ein sehr ruhiger, sachlicher Typ. Aber innerlich wird Christian Heidel schon ein bisschen gefeixt haben, als er am 3. August 2016 den Transfer von Coke als perfekt vermeldete. Erst ein paar Monate war er als Sportdirektor vom FC Schalke 04 im Amt, da hatte er dem Tabellenfünften der vergangenen Saison einen neuen Leistungsträger beschert.
Zumindest hatte er allen Grund, davon auszugehen. Schließlich war mit Jorge Andújar Moreno der Kapitän des FC Sevilla zu den Königsblauen gewechselt. Ein Rechtsverteidiger mit Offensivdrang, mit 29 im besten Alter, ein mit allen Wassern gewaschener Veteran. Einer, der mit Sevilla davor dreimal in Folge die Europa League gewonnen hatte - und im Finale im Mai dem FC Liverpool dabei zwei Buden eingeschenkt hatte.
Diesen Coke hatte Heidel also in den Pott gelockt. Für die mehr als überschaubare Summe von etwa vier Millionen Euro, ausgestattet mit einem Dreijahresvertrag und durchaus angemessenen Lorbeeren. "Als Führungsspieler wird er für das Gefüge unserer Mannschaft sehr wichtig werden können", betonte Heidel. Vielleicht kein Raul, aber ganz sicher eine erhebliche Verstärkung.
Coke auf Schalke: Alles beginnt mit einer Verletzung
Knapp 16 Monate später ist aus diesem "Königstransfer" ein Spieler geworden, der auf Schalke einfach nur noch überflüssig ist. Die "tragische Figur des Trainerwechsels" sei Coke, erklärte Heidel unlängst gegenüber Reviersport, Veränderung nicht ausgeschlossen. Im Klartext: Coke darf im Winter gehen, ein Wechsel zu UD Levante soll schon fast in trockenen Tüchern sein.
Cokes Tragödie begann bekanntlich schon lange vor der Verpflichtung von Domenico Tedesco. Der Spanier hatte wahrscheinlich noch nicht alle Reisetaschen ausgepackt, da verletzte er sich nur zwei Tage nach seinem Wechsel im Testspiel gegen den FC Bologna schwer: Kreuzband. "Geschockt" reagierte Heidel, schon damals sprach er von "Tragik" - und wollte Gerüchte, wonach Coke bereits mit einem lädierten Knie angekommen war, nicht gelten lassen: "Ich kann ihm ja nicht ins Knie gucken. Aber es gibt keinerlei Anzeichen dafür."
Ein Schock war es auch für den frisch in Deutschland angekommenen Coke. Nun war plötzlich Reha angesagt. "Es war die erste schwere Verletzung in meinem Leben. Im ersten Moment fühlst du dich alleine in einem fremden Land. Ich hatte damals noch nicht einmal ein Haus gefunden", erzählte er. Kaum hatte er den "größten Schritt seines Lebens" gewagt, da war er erst einmal weg vom Fenster.
Coke kommt zurück - und dann kommt Tedesco
Über sieben Monate, um genau zu sein. Dann trat er endlich wieder gegen den Ball, feierte Ende März sein Comeback und traf prompt im Test gegen Hannover 96. Alles wieder gut: "Die viele harte Arbeit nach der Verletzung hat sich ausgezahlt. Jetzt bin ich einfach nur glücklich."
Glücklich war auch Trainer Markus Weinzierl, der in der Endphase der Saison auf seinen Rekonvaleszenten baute: Acht der letzten neun Ligaspiele bestritt Coke, sechs davon über die volle Distanz als Rechtsverteidiger oder Rechtsaußen. Nur eins davon ging verloren. Trotzdem landete Schalke abgeschlagen im Mittelfeld.
"Wir werden alles daran setzen, wieder in den Europapokal zu kommen. Da gehört Schalke hin", gab der Führungsspieler im August dieses Jahres die Richtung vor. Der zweite Akt seiner Schalke-Karriere stand bevor. Aber da hatte er mit Tedesco bereits einen neuen Übungsleiter - und der gab ihm ebenfalls eine Richtung vor. Nämlich eine, die auf die Ersatzbank führte.
Coke: zu klein und zu langsam?
In der Sommerpause hatte Coke noch entschieden, die Herausforderung auf Schalke anzunehmen, auch da stand bereits ein Wechsel zur Debatte. Als er sich dann aber für S04 entschied, war in der Formation Tedescos plötzlich kein Platz mehr für ihn frei.
Der Trainer baut hinten auf eine Dreierkette mit nominellen Innenverteidigern, da ist ein Mann mit 1,76 Meter Körpergröße "nicht ideal". Und auf dem Flügel? Da ist Caligiuri der richtige Mann, um "die komplette rechte Seite zu beackern", so Tedesco im Interview mit dem Kicker. Wenn Alessandro Schöpf wieder voll da ist, wird es noch enger. Für die Kette zu klein, für den Flügel zu langsam. Eigentlich gut genug - aber dann doch wieder nicht. "Wir haben auf diesen Positionen Spieler, die das richtig gut machen", sagte Heidel.
Es half natürlich nicht, dass beim mittlerweile 30-Jährigen ein "kraftloses" Trainingslager in der Saisonvorbereitung beobachtet worden war. Oder dass er, nachdem ihm Tedesco trotz aller Schwierigkeiten Einsätze garantiert hatte, erneut eine Verletzung davontrug: Ende September erwischte es das rechte Kniegelenk, wieder wochenlang Pause.
Coke als Musterprofi: Geht es zu Levante?
Danach war die Tür eigentlich zu. Und so blieb Coke nur die Rolle des Zuschauers. Einmal durfte er über die volle Distanz im Pokal ran, in der Bundesliga weist die Stechuhr bisher genau eine Minute Arbeitszeit auf. "Das ist schon sehr schwierig, wenn man nicht so viel spielt. Manchmal fühlst du dich natürlich traurig, manchmal ärgerst du dich auch über die Situation, weil du sie gerne ändern möchtest", gab er Ende Oktober zu. Blieb aber bei Reviersport trotzdem Musterprofi: Er habe die Gründe für den Bankplatz "zu verstehen": "[Der Trainer] nimmt dich beiseite und erklärt es dir - damit bin ich zufrieden, auch wenn ich natürlich mehr spielen möchte."
Diesem Wunsch - "alles andere wäre auch fatal" - will Heidel keine Steine in den Weg legen. Sportlich läuft es derzeit gut, mit einer Änderung des Systems ist nicht zu rechnen. Also wird es wohl auch zur Trennung kommen. Levante, derzeit auf Rang 14 der Primera Division abgerutscht, stünde ein Transfer mit bekanntem Namen gut zu Gesicht, auf der Position besteht derzeit ebenfalls Bedarf. Über die Ablöse dürfte man sich schnell einig werden.
Daheim in Spanien ist Coke quasi im Nebenjob erfolgreicher Theaterproduzent, hat eine eigene Firma. Wenn sich das Kapitel Schalke für ihn endgültig schließt, wird er damit professionell umgehen. Er weiß, dass es in diesem Stück keinen Bösewicht gab. Und auch keinen Helden. Sondern nur eine tragische Figur.