Wäre dieser verflixte 25. November nicht gewesen, es wäre wohl der 10. Dezember, der als herausragendste Aufholjagd der 55. Bundesligasaison in die Annalen eingegangen wäre.
Doch gab es eben diesen 25. November, an dem sich die krisengebeutelte Borussia aus Dortmund ein todsicheres 4:0 noch abjagen ließ. Das im Derby gegen Schalke, und im eigenen Stadion! Geschichtsträchtig ging es zu, bei diesem 4:4.
Zwei Wochen später war es ein um ein vielfaches krisengebeutelterer 1. FC Köln, der es fertig brachte, einen todsicheren Vorsprung zu verspielen. Sofern man beim in der Liga noch immer sieglosen Effzeh überhaupt von todsicher sprechen kann. 3:0 lagen die Kölner in einer denkwürdigen Schneeschlacht am Rande der Legalität vorne, spielten die besten 30 Minuten ihrer bisherigen Bundesligasaison.
Doch es kam die 39. Minute. Und es kam ein Freistoß von Yoric Ravet, der in hohem Bogen durch das Kölner Schneegestöber Nils Petersen suchte - und fand. Der wuchtete das Spielgerät volley dermaßen humorlos unter das Dach, dass nicht nur der Neuschnee vom Kölner Tor, sondern auch das fragile Selbstvertrauen der Kölner Mannschaft versprengt zu Boden rieselte. Und das sollte nur der Anfang sein.
Petersen sorgt mit Interview für Aufsehen
Keine zwei Tage zuvor war Petersen schon einmal in die Schlagzeilen geraten. "Salopp gesprochen, verblöde ich seit zehn Jahren, halte mich aber über Wasser, weil ich ganz gut kicken kann", hatte sich der 29-Jährige im Focus nicht nur über seinen eigenen, sondern den allgemeinen intellektuellen Zustand der Liga gesorgt. "Insgesamt wohl intellektueller und schlauer als ich" sei das Publikum im Stadion.
Dass dem nicht zwangsläufig so ist, bewiesen viele Stimmen, die Petersens reflektierte Aussagen tadelten: Ein Fußballprofi habe ja eh nichts zu tun und zudem Geld ohne Ende, dann solle er sich eben Bücher kaufen.
"Die Fußballbranche", sagte Petersen weiter, "ist oberflächlich und wir Fußballer sind nicht so belesen. Manchmal schäme ich mich, weil ich so wenig Wissen von der Welt besitze." Am Sonntagnachmittag war es kein "Wissen von der Welt", sondern eine gute Schusstechnik und noch bessere Nerven, die Petersen zum Matchwinner in einem der verrücktesten Spiele der jüngeren Ligageschichte machten.
Ihn, der bis vor Kurzem noch ein eher unglamouröses Dasein als Bankdrücker fristete, weil sein Trainer Christian Streich am liebsten mit einem Stürmer spielt und dieser meistens Tim Kleindienst, Janik Haberer und Florian Niederlechner heißt.
Nils Petersen: "Wenn man Tabellenletzter ist..."
Doch dann geriet das Freiburger Personalkonstrukt ordentlich aus den Fugen, als sich Niederlechner im Training Anfang November die Kniescheibe brach. Plötzlich war Dauerjoker Petersen wichtig. In allen fünf Spielen seither stand der Stürmer in der Startelf, viermal spielte er durch, so auch gegen den 1. FC Köln.
Aus Freiburger Sicht war das dienlich, sonst hätte er zwischen der 90. und der 95. Minute nicht zweimal da stehen können, wo Schiedsrichter Dr. Robert Kampka in der ersten Halbzeit im Schnee noch den Elfmeterpunkt gesucht und schließlich per Schrittmaß bestimmt hatte. Jetzt stand da Petersen, ausgerechnet der, der im August vergangenen Jahres im Finale der Olympischen Spiele den entscheidenden Elfmeter für Deutschland gegen Brasilien vergeben und im Anschluss gesagt hatte: "Die Kunst wird es sein, jetzt wieder aufzustehen."
Doch ist das RheinEnergieSTADION nicht das Maracana, und das Spiel gegen den 1. FC Köln war auch eigentlich schon verloren ("Das war das Gute für uns"). Die selbst nicht von Selbstvertrauen und Erfolgserlebnissen heimgesuchten Freiburger hatten ihre Chance gewittert. "Wenn man Tabellenletzter ist", erklärte Petersen nach dem Spiel, "braucht es nur eine negative Sache, dann wird man unruhig, das haben wir für uns genutzt".
In der 90. Minute verlud er Timo Horn und traf rechts unten. In der 95. Minute verlud er Horn und traf links unten. Zweimal hatte er zumindest den Keeper gut gelesen. "Der Fußball schreibt die Geschichten", sagte Co-Autor Petersen. "Und heute war's eine."