Der ehemalige Nationalspieler Mehmet Scholl hat mit seinen polemischen Äußerungen über junge Trainer und Spieler Kritik und Unverständnis hervorgerufen. "Ich mag ihn sehr, seine Kreativität, seinen Humor. Aber dass er sich als Ex-Profi über Trainer stellt, die selbst keine Profis waren, ist grenzwertig. Und ich glaube, das weiß er auch", sagte Stuttgarts Aufstiegstrainer Hannes Wolf.
Scholl hatte in seiner Radiosendung "Mehmets Schollplatten" im Bayerischen Rundfunk die sogenannten "Systemtrainer" wie Wolf oder Domenico Tedesco (Schalke 04) kritisiert. "Die Tedescos, die Wolfs - sie sprießen aus dem Boden, und der deutsche Fußball wird sein blaues Wunder erleben", sagte er. Die Trainer-Ausbildung des DFB bezeichnete er als "elfmonatige Gehirnwäsche".
Scholl bemängelte zudem, dass der Einzelne heutzutage keine Rolle mehr spiele. Die jungen Trainer seien "nicht wirklich an den Menschen und den Fußballern interessiert. Viel schlimmer: Diese ganzen Trainer gehen jetzt in den Nachwuchs, weil oben die Plätze begrenzt sind". In Bild ergänzte er tags darauf. "Studenten haben die Nachwuchsleistungszentren und unsere große Liebe, den Fußball, übernommen."
Keine Förderung des Individuums im Nachwuchsbereich
Vor allem in der Nachwuchsarbeit hätten Trainer wie Wolf oder Tedesco nichts zu suchen, findet Scholl, sie würden das Individuum nicht mehr fördern. "Wir verlieren die Basis. Die Kinder müssen abspielen, sie dürfen sich nicht mehr im Dribbeln ausprobieren. Sie bekommen auch nicht mehr die richtigen Hinweise, warum ein Pass oder ein Dribbling nicht gelingt. Stattdessen können sie 18 Systeme rückwärts laufen und furzen."
Während Tedesco behauptete, dass ihn das Thema "nullkommanull" beschäftigen würde, konterte DFB-Chefausbilder Frank Wormuth in Bild: "Inhaltlich entbehren diese Aussagen jeglicher Grundlage. Ich sehe nur einen Hilferuf eines Enttäuschten." Für VfB-Sportchef Michael Reschke sind Scholls Angriffe schlicht "Unsinn. Ich hoffe, dass er selber weiß, was für eine Grütze er da erzählt hat."
Auch Heynckes und Heidel springen Trainern zur Seite
Auch Bayern Münchens Trainer Jupp Heynckes ergriff Partei für Wolf, Tedesco und Co. "Man sollte jungen Trainern eine Chance geben und auch Fehler zugestehen", auch wenn dies in der heutigen Zeit "wahnsinnig schwierig" sei, etwa bei Schalke 04. Aber Tedesco mache das "gut", er verhalte sich unter anderem "unaufgeregt an der Seitenlinie, das gefällt mir".
Scholl solle doch mal alle Profis von Schalke fragen, "wie sie zu unserem Trainer stehen, wie unser Trainer mit ihnen umgeht, das ist Sozialkompetenz. Da wird er sich wundern, dass es bei diesen Trainern nicht nur um Taktik und Systeme geht", sagte S04-Manager Christian Heidel bei Sky. Den Ansatz, "Trainer auch namentlich zu kritisieren, hätte er sich verkneifen sollen".
"Wir fahren gegen die Wand" - Beistand von Magath
Scholl unterstellte, die Folgen der von ihm bemängelten Entwicklung seien doch schon zu erkennen. "Was wir jetzt in den Europapokalspielen erlebt haben, ist erst der Anfang. Wir fahren gegen die Wand." Oben werde künftig nur noch eine "weichgespülte Masse ankommen, die erfolgreich sein, aber niemals das Große gewinnen wird".
Scholl hatte letztmals 2013 selbst als Trainer gearbeitet - bei der 2. Mannschaft des FC Bayern. Immerhin sprang ihm Trainer-Routinier Felix Magath zur Seite. "Ich glaube nicht", kritisierte der 64-Jährige in der Welt am Sonntag, "dass die sportliche Entwicklung besser wird, wenn man nur noch junge Trainer von Nachwuchsmannschaften in der höchsten Spielklasse einsetzt."