Armin Veh vom 1. FC Köln im Interview: "Wir können natürlich auch alles abschaffen"

Jochen Tittmar
11. Mai 201808:16
Armin Veh arbeitet als Geschäftsführer beim 1. FC Köln.getty
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Nach der längsten Pause seiner Karriere wurde Armin Veh im Dezember 2017 Geschäftsführer Sport beim 1. FC Köln und Nachfolger von Jörg Schmadtke. Doch auch Veh konnte den Abstieg aus der Bundesliga nicht mehr verhindern.

Im SPOX-Interview spricht Veh über seine Tierliebe, die Zeit ohne Job, lustige Kommentare auf der Tribüne und drei aktuelle Themen: das Niveau der Bundesliga, die Diskussion um 50+1 und die Kritik an Montagsspielen.

SPOX: Herr Veh, hat Ihr Hund Balou auch zweimal gebellt, als Sie das Angebot vom 1. FC Köln erhielten?

Armin Veh: Nein. Das Traurige daran ist, dass mein großer Schatz Jerry vor einem Jahr gestorben ist. Balou ist erst acht Monate alt und zu klein, um solche Dinge zu verstehen. Ihn will ich aktuell noch nicht mit meinen Gedanken überfordern. Mit Jerry, der sieben Jahre alt geworden ist, hätte ich mich in der Phase der Entscheidungsfindung sicherlich länger unterhalten - und vielleicht auch abgewartet, ob und wie er bellt. (lacht)

SPOX: Sie besaßen schon als Kind einen Dackel. Woher kommt die Leidenschaft für Hunde?

Veh: Damals war das meine eigene Initiative. Bei Kindern kann es vorkommen, dass sie sich ein Haustier wünschen, sich nach einer Weile aber nicht mehr darum kümmern. Bei mir war das von klein auf anders, ich habe die Hunde als meine Freunde betrachtet. Ich habe zu Tieren generell ein besonderes Verhältnis, nicht nur zu Hunden. Früher hatte ich auch einen Kater. Ich liebe Tiere.

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar sprach mit Armin Veh in dessen Büro am Geißbockheimspox

SPOX: Ihr Hund George wurde stolze zwölf Jahre alt. Fiel es Ihnen schwer, sich anschließend den nur acht Wochen alten Jerry zuzulegen?

Veh: Ein Hund gehört für mich einfach zum Leben dazu. Deshalb war für mich klar, dass es einerseits einen großen Verlust bedeutet, ich mich aber auch bald nach einem neuen Hund sehnen würde. Zwölf Jahre alt zu werden ist für einen Hund toll, daher war das in Ordnung. Trotzdem fühlte es sich an wie der Tod eines Familienmitglieds. Ich habe sehr gelitten.

SPOX: Wie erging es Ihnen beim Tod von Jerry?

Veh: Als er urplötzlich an einem Tumor starb, musste ich raus aus meinem Haus, weil ich dort in dem Moment nicht mehr sein wollte. Ich habe meine Familie eingepackt und wir sind zehn Tage weggefahren. Das war wirklich ganz, ganz bitter - einer der schlimmsten Momente in meinem Leben.

SPOX: Träumen Sie noch immer von einem eigenen Bauernhof mit vielen Tieren?

Veh: Ja. Das ist ein interessanter Gedanke für mich und ich kann mir das durchaus vorstellen. Ob es aber so kommt, weiß ich aktuell nicht.

Veh über die Zeit ohne Job und das Problem in Stuttgart und Frankfurt

SPOX: Theoretisch hätten Sie dieses Projekt vor Ihrem Einstieg in Köln vorantreiben können. Sie waren über eineinhalb Jahre ohne Job, das war Ihre längste Pause bislang. In dieser Zeit waren Sie unter anderem als TV-Experte tätig. Was haben Sie sonst noch gemacht?

Veh: Ich habe mein geregeltes Leben, das ich zuvor als Trainer hatte, auch privat erhalten. Ich bin vier Mal die Woche zum Training ins Fitnessstudio gegangen und habe meinen Sport-Rückstand aufgeholt. Wenn ich gearbeitet habe, kam das immer zu kurz. Das ist hier in Köln auch wieder so. Ansonsten habe ich zahlreiche Länder bereist oder meine Freunde besucht, die ich glücklicherweise auf meinen früheren Trainerstationen kennengelernt habe. Mir war auch ohne Job nie langweilig. Das hätte auch bis zu meinem Lebensende so weitergehen können. (lacht)

SPOX: Haben Sie die Dinge, die Ihnen unmittelbar davor auf den Stationen in Stuttgart und Frankfurt widerfahren sind, irgendwie aufgearbeitet?

Veh: Ja, die Analyse war relativ einfach für mich und dauerte auch nicht lange. Entscheidend für einen Job als Trainer war und ist für mich die Leidenschaft, die man dazu zwingend benötigt. Ich habe gemerkt, dass ich die beim jeweils zweiten Engagement in Stuttgart und in Frankfurt nicht mehr hatte. Wenn du die Leidenschaft nicht mehr spürst, nutzt dir auch die ganze Erfahrung nichts.

SPOX: Kam diese Erkenntnis erst in der Pause?

Veh: Nein, ich habe es schon währenddessen gespürt. Ich dachte aber, es geht und dass ich aufgrund der Liebe zu diesen Vereinen darüber hinwegkomme. Wenn die Leidenschaft aber von Anfang an gar nicht da ist, dann ist es ein Trugschluss zu glauben, sie käme automatisch wieder zurück. Es reicht schon, dass dir zwei oder drei Prozent fehlen, dann bist du nicht mehr gut genug, um zu führen und den Job komplett auszufüllen.

SPOX: Inwiefern gibt es denn einen Zusammenhang zwischen der fehlenden Leidenschaft und der Tatsache, dass Ihnen die bei Klubs fehlte, bei denen Sie schon einmal gearbeitet haben?

Veh: Mag sein, dass es den gibt. Ich wollte 2014 nach drei Jahren in Frankfurt eigentlich erstmal eine Pause einlegen. Ich war nach Frankfurt ziemlich ausgebrannt. Wäre der VfB nicht gekommen, hätte ich das auch durchgezogen. Da hat letztlich mein Herz entschieden. Das zweite Mal Frankfurt war ähnlich. Thomas Schaaf hörte überraschend auf, man hat mich gefragt und ich habe zugesagt. So läuft es eben im Leben, man weiß nicht immer alles vorher.

SPOX: Hat es Sie amüsiert, dass Sie nach dem Aus von Peter Bosz als BVB-Trainer gehandelt wurden, während Sie offenbar parallel mit Köln verhandelt haben?

Veh: Ich kenne ja das Geschäft, deshalb war das nichts Außergewöhnliches. Aus Dortmund hat sich aber niemand gemeldet. Kurze Zeit vorher war ich ja auch in Köln als Trainer im Gespräch. Ich hatte immer wieder Anfragen, wollte aber kein Trainer mehr sein. Das habe ich nur nicht öffentlich gemacht. Deshalb sind solche Gerüchte immer mal wieder aufgekommen.

Armin Veh: Seine Stationen als Trainer

AmtszeitVerein
2015 - 2016Eintracht Frankfurt
2014VfB Stuttgart
2011 - 2014Eintracht Frankfurt
2010 - 2011Hamburger SV
2009 - 2010VfL Wolfsburg
2006 - 2008VfB Stuttgart
2003 - 2004FC Augsburg
2002 - 2003Hansa Rostock
1998 - 2001SSV Reutlingen
1996 - 1997SpVgg Greuther Fürth
1990 - 1995FC Augsburg

SPOX: Wieso also nun also Geschäftsführer?

Veh: Ich brauchte einfach eine neue Herausforderung. Ich habe schon als Trainer in Reutlingen, Fürth, Augsburg oder Wolfsburg Manageraufgaben übernommen. Beides auf einmal zu erledigen, schaffst du aber nicht zu 100 Prozent. Deshalb wollte ich nach 27 Jahren als Trainer etwas machen, bei dem ich auf andere Weise im Tagesgeschäft eingespannt bin. Das hat mich gereizt und es macht mir jetzt wieder Spaß.

SPOX: War Köln das erste Angebot für solch einen Posten, das Sie erhielten?

Veh: Ja. Denn kaum einer wusste, dass das für mich überhaupt in Frage kommen könnte. Und ich selbst habe nicht aktiv danach gesucht.

Veh über die Wucht des 1. FC Köln und lustige Kommentare auf der Tribüne

SPOX: Sie kennen Ihren Geschäftsführer-Kollegen Alexander Wehrle gut und haben mit ihm schon in Stuttgart zusammengearbeitet. Wären Sie ohne eine solche Verbindung nirgends mehr eingestiegen?

Veh: Das weiß ich nicht. Es war in diesem Fall natürlich hilfreich, jemanden seit Jahren zu kennen, dem ich vertraue und von dem ich weiß, dass er ein Guter ist. Wäre Alex bei einem Verein angestellt gewesen, der mich nicht interessiert, hätte das keine Rolle gespielt. Köln war entscheidend. Der Klub hatte schon immer eine Wucht - und nach meinen ersten Monaten merke ich, dass diese Wucht viel größer ist, als ich annahm. Ich gehe da meist absolut gefühlsabhängig vor. Trotz des Abstiegs bin ich froh, dass ich diese Entscheidung so getroffen habe.

SPOX: Sie haben bei Ihrer Vorstellung noch gesagt, Sie werden nicht neben dem Trainer auf der Bank sitzen. Lange hat dies nicht gehalten. Wieso haben Sie es auf der Tribüne nicht ausgehalten?

Veh: Anfangs war mir wichtig zu betonen, dass ich nicht wie ein Oberlehrer neben Stefan Ruthenbeck sitze möchte. Jetzt kennen wir uns eine ganze Weile, so dass es mir lieber ist, wieder dort unten zu sitzen. Auf der Tribüne fallen hin und wieder Kommentare, bei denen ich mir schwer tue oder die mir zu lustig sind. Auf der Bank kann ich mich einfach voll auf das Spiel konzentrieren.

SPOX: Im letzten Sommer sorgten Sie für Schlagzeilen, weil Sie sagten, es sei noch nie so leicht wie heute, Bundesliga-Trainer zu werden. Was meinten Sie damit?

Veh: Auf jeden Fall nicht das, was daraus gemacht wurde. Das war ein Interview, in dem es inhaltlich um mich persönlich ging. Ich habe gesagt, dass es früher viel schwieriger war, so schnell im höherklassigen Profibereich eine Chance zu bekommen. Das wurde dann leider arg verdreht, so dass es aussah, als wäre ich ein Gegner junger Trainer.

SPOX: Vor 20 Jahren wäre es noch vollkommen undenkbar gewesen, dass Klubs auf Trainer setzen, die um die 30 Jahre alt sind. Wieso hat sich das verändert?

Veh: Es hat auch früher schon immer ein Mischverhältnis bestanden. Christoph Daum oder Peter Neururer waren damals auch sehr jung. Diese Debatte wird mir daher viel zu hoch gehängt. Heutzutage ist es aufgrund der veränderten Anforderungen an das Spiel allerdings definitiv erforderlich, ausgebildet zu werden und den Trainerberuf zu erlernen. Früher gab es Trainer, die auf den Platz kamen und nicht wussten, was sie in der nächsten Minute trainieren. Das geht heute glücklicherweise nicht mehr. Manchmal habe ich allerdings das Gefühl, dass ein ehemaliger Profi, der gerne Trainer werden möchte, schon durch das Raster fällt.

SPOX: Muss man denn idealerweise Profi gewesen sein?

Veh: Selbstverständlich nicht. Es kommt darauf an, wie man Menschen und eine Mannschaft führt, wie man methodisch arbeitet, welcher Typ man ist, wie viel Charisma man hat und ob man sich auch mal autoritär präsentieren kann. Früher gab es gefühlt einen Kreis von 18 Trainern und wenn einer rausgeschmissen wurde, bekam er woanders sofort einen neuen Job. Da gefällt mir die heutige Mischung viel besser. Die müssen wir beibehalten, anstatt sie zu hinterfragen oder nur schwarz-weiß zu sehen.

SPOX: Bekommen die Trainer heute deshalb früher eine Chance, weil sie schlichtweg besser sind als zu Ihrer Anfangszeit?

Veh: Sie sind vor allem besser ausgebildet. Heute gibt es viele, die schon mit 20 Jahren anfangen, eine Trainerausbildung zu machen. Das geht aber nur, wenn du in dem Alter nicht selbst auf Profi-Niveau spielst. Methodisch werden sie daher sicherlich besser arbeiten als jemand, der bis 33 Fußball spielt und dann erst in den Trainerjob einsteigt. Letztlich ist es wichtig, dass man das Erlernte - in welchem Alter auch immer - entsprechend an eine Mannschaft weitergeben kann.

SPOX: Damit kommen wir direkt zu der Frage, ob sich das Niveau in der Bundesliga verschlechtert habe?

Veh: Ich sehe jedenfalls nicht, dass der Fußball qualitativ besser geworden ist. Deshalb wäre ich vorsichtig zu behaupten, jüngere Trainer seien besser als ältere. Das spiegelt sich in der Qualität der Spiele aktuell nicht wider. In diesem Jahr ist die Qualität der Bundesligapartien nicht sehr hoch.

SPOX: Welche Liga ist in Ihren Augen die beste?

Veh: Spanien ist in der Gesamtheit immer noch führend. Da Geld Tore schießt und verhindert, sind in England einige Teams aufgrund ihrer herausragenden Spieler befähigt, tollen Fußball zu spielen. Und auch wenn die Bundesligaspiele in dieser Saison nicht besonders attraktiv waren, haben wir hier immer noch ein ausgezeichnetes Produkt. Wir müssen allerdings aufpassen, dass wir dieses Niveau halten.

Veh über die Diskussion um 50+1 und die Kritik an Montagsspielen

SPOX: Was muss dafür getan werden?

Veh: Wir machen viele Dinge richtig gut, gerade in den Nachwuchsleistungszentren und der Ausbildung. Wir müssen aber auch mal wieder Fünfe gerade sein lassen, zumindest ab und an. Wenn ein Spieler im Jugendbereich individuell Dinge tut, die dem Spiel vielleicht nicht auf den ersten Blick dienlich sind - zum Beispiel drei Spieler auszudribbeln und auch noch am vierten vorbei zu wollen -, dann sollte man demjenigen diese Freiheit lassen, damit solche Qualitäten für später erhalten bleiben. Ich habe den Eindruck, dass wir gut passen und verschieben können, aber nach vorne keine Eins-gegen-eins-Situationen mehr gewinnen. Das sollte man im Jugendbereich wieder mehr zulassen. Wenn einer mal über die Stränge schlägt, weil er eben noch ein Jugendlicher ist, muss man ihn nicht gleich aus dem Internat schmeißen. Wir müssen darauf achten, den vermeintlich schwierigeren Spieler nicht gleich zu eliminieren.

SPOX: Wo auch etwas getan werden muss, ist das Thema 50+1. Die erste Sitzung lief relativ verheerend, unter anderem bekriegten sich Karl-Heinz Rummenigge und Andreas Rettig vom FC St. Pauli. Es gibt sehr viele unterschiedliche Meinungen in dieser Debatte, die offenbar sehr emotional geführt wird.

Veh: (unterbricht) Gott sei Dank.

SPOX: Aber auf was wird das am Ende alles hinauslaufen?

Veh: Von einer Reform bis zu einer Abschaffung der Regel ist alles möglich. Ich finde, dass wir bis jetzt grundsätzlich gut mit 50+1 leben. Ob das in Zukunft so bleibt, steht aber auf einem anderen Blatt. Denn 50+1 gibt es bei einigen Vereinen gar nicht, andere dagegen halten die Regel ein. Eine Lösung zu finden, die allen gerecht wird, ist eine große Herausforderung. Letztlich müssen alle damit leben können - nicht nur die Vereine, sondern gerade auch die Fans.

SPOX: Wie aber soll eine gemeinschaftliche Lösung gefunden werden, wenn es bereits nach der ersten Sitzung dazu schon derart eskaliert?

Veh: Man muss sich ausreichend Zeit dafür nehmen und vielleicht tatsächlich mal in Klausur gehen, um ernsthaft und in Ruhe darüber zu diskutieren.

SPOX: Was halten Sie davon, die Handhabe letztlich jeden Verein selbst regeln zu lassen beziehungsweise seine Mitglieder darüber abstimmen lassen?

Veh: Das klingt nach einem sehr vernünftigen Gedanken. Bravo! (lacht)

SPOX: Auch das Thema Montagsspiele sorgt für Kontroversen. Müssen die Fußballfans begreifen, dass ihre favorisierte Mannschaft bei der heutigen Belastung größere Chancen auf einen Sieg hat, wenn sie nach einem Europa-League-Spiel am Donnerstag erst montags wieder ran muss?

Veh: Wenn die fünf Montagsspiele, die wir in dieser Bundesligasaison hatten, ein riesengroßes Problem für die Fans sind, dann können wir sie wieder abschaffen, den Mannschaften weniger Pause geben und nach einem EL-Spiel eben wieder samstags spielen. Dann darf sich aber auch niemand über die kurzen Pausen zwischen den Spielen beschweren, dann müssen auch die Vereine in den sauren Apfel beißen.

SPOX: Ist die Befürchtung der Fans für Sie nachvollziehbar, dass Dinge wie Halbzeitshows im DFB-Pokal-Finale oder GoPro-Kameras an Biergläsern nur der Anfang seien?

Veh: Wir sind in Deutschland den Fans am nächsten, im europäischen Vergleich sind wir da wirklich der letzte Dinosaurier. Das muss man ganz klar feststellen und festhalten. Deshalb kann ich das nicht so richtig nachvollziehen. Wenn man vernünftig ist, muss man auch verstehen, dass man Geld einnehmen muss, um konkurrenzfähig zu sein - anders funktioniert dieses System nicht. Wir können natürlich auch alles abschaffen und jede Mannschaft nur noch mit Spielern aus der Region auflaufen lassen, aber dann schaffen wir uns eben sportlich ab. Das ist die Realität.