Zieler im Interview über den Trainerwechsel beim VfB: "Der frische Wind hat uns gutgetan"

Ron-Robert Zieler wechselte vor der Saison von Leicester City zum VfB Stuttgart.
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SPOX: In England soll es zum Teil etwas lockerer zugehen.

Zieler: Das kann ich bestätigen. Der Fokus liegt auf dem Spieltag, da musst du Leistung bringen. In einer Trainingswoche dürfen zum Beispiel ältere Spieler auch mal weniger machen. Das liegt aber auch daran, dass noch weniger Zeit ist als in der Bundesliga. Die Premier League hat zwei Mannschaften mehr, dazu kommen die beiden Pokalwettbewerbe und wann man dann noch wie Leicester vergangene Saison in der Champions League spielt, geht es zwischen den Spielen fast nur um Regeneration.

SPOX: Nicht ganz so genau nehmen es die Engländer offenbar auch beim Feiern. Didi Hamann hat immer wieder von wilden Partys im Mannschaftskreis berichtet. Das Video von der Meisterfeier in Vardys Wohnzimmer ging um die Welt. Gab es zu Ihrer Zeit auch solche Teamabende?

Zieler: Didi Hamann kann etwas offener reden, weil er seine Karriere hinter sich hat. (lacht) Ich kannte das Video auch und es gab auch Teamabende, bei Jamie Vardy zuhause war ich aber nicht. Aber ich kann bestätigen, dass die Engländer zum richtigen Zeitpunkt auch gut feiern können.

SPOX: In der Meistersaison wurde viel über Leicesters Teamgeist berichtet.

Zieler: Die Charaktere der Spieler verändern sich nicht, aber für die Stimmung innerhalb einer Mannschaft ist es schon entscheidend, ob man erfolgreich ist oder nicht. Wir sind schwer in die Saison gekommen, es gab Unruhe und einen Trainerwechsel, immerhin haben wir uns hinten raus wieder stabilisiert.

Die Karrierestationen von Ron-Robert Zieler

ZeitraumVerein
07/17-heuteVfB Stuttgart
07/16-07/17Leicester City
07/10-07/16Hannover 96
02/09-07/10Manchester United
11/08-02/09Northampton Town
07/05-11/08Manchester United
07/04-07/051. FC Köln
07/99-07/04Viktoria Köln

SPOX: Sie waren bei Leicester die Nummer zwei, trotzdem sagen Sie, es sei kein verlorenes Jahr gewesen. Was haben Sie mitgenommen?

Zieler: Es war von vorherein klar, dass es schwer werden würde. Das Team war gerade Meister geworden und Kasper Schmeichel hatte eine starke Saison gespielt. Aber ich wollte die Chance wahrnehmen, zum englischen Meister zu wechseln. Natürlich hätte ich gerne öfter gespielt, aber Kasper hat auch richtig gut gehalten. Das muss man auch ehrlich anerkennen. Aber immerhin kam ich in allen Wettbewerben zum Einsatz. Ich habe in dieser Zeit mein Englisch wieder aufgebessert, viel vom Land gesehen und ich bin in Leicester demütiger geworden. Ich kann jetzt besser einschätzen, was ich in den Jahren zuvor in Hannover erlebt habe. Dort habe ich 180 Spiele am Stück gemacht, das ist nicht selbstverständlich. Deshalb fühle ich mich aktuell auch beim VfB sehr wohl.

SPOX: Hat Ihnen dieses gute Gefühl, auch über die irrsinnigen Anfeindungen in Köln hinweggeholfen?

Zieler: Natürlich habe ich mit meiner Familie gesprochen, die gibt mir Rückhalt. Aber ich habe mich direkt nach dem Spiel klar positioniert und ich will dem Thema auch nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken, um diese Leute in ihrem Vorgehen nicht noch zu bestätigen. Der 1. FC Köln hat sich öffentlich dafür entschuldigt und auch Maßnahmen ergriffen.

SPOX: Eine Nachfrage sei noch erlaubt: Es waren widerliche Worte, die da gefallen sind. Die SZ hat in einem Beitrag gefragt: Wie kaputt kann man sein? Haben Sie sich diese Frage auch gestellt?

Zieler: Das ist sicherlich ein allgemeines Problem der Gesellschaft, nicht nur des Fußballs. Ich habe nichts dagegen, wenn einer kritisch ist, aber es muss auf einem normalen Niveau bleiben. Ich glaube, diese Entwicklung hängt auch ein bisschen mit den sozialen Netzwerken zusammen. Dort kann man anonym seine Meinung äußern und dabei auch unter der Gürtellinie Leute attackieren. Das senkt vielleicht auch die Hemmschwelle in der realen Welt.

SPOX: Gerade vor dem Hintergrund der von Per Mertesacker ausgelösten Debatte über Druck im Fußball und dem Umgang damit waren diese Szenen fürchterlich.

Zieler: Per ist eine beeindruckende Persönlichkeit, er hat unheimlich viel geleistet während seiner Karriere und große Erfolge gefeiert. Ich finde es ehrlich und mutig, dass er sich so geäußert hat. Er hat das ausgesprochen, was der eine oder andere vielleicht nur denkt. Wie einer mit Druck umgeht, sagt nichts über seine Leistung aus.

SPOX: Lothar Matthäus hat Mertesacker die Eignung für seinen Job im Nachwuchsbereich des FC Arsenal abgesprochen. Wie sehen Sie das?

Zieler: Er ist für diesen Job im Nachwuchs absolut geeignet. Per bringt die nötige Intelligenz mit und besitzt einen tollen Charakter. Er kann vielen Spielern eine große Hilfe sein.

SPOX: Wie wurde dieses Thema zu Ihrer Zeit gehandhabt? Sie sind mit 16 Jahre vom 1. FC Köln in die Jugendabteilung zu Manchester United gewechselt.

Zieler: Wir haben nicht mit Psychologen zusammengearbeitet, aber das Thema war schon auf der Agenda. Insgesamt bin ich bei Manchester United sehr gut auf die Profikarriere vorbereitet worden. Das war eine echte Ausbildung. Der Verein fordert gewisse Eigenschaften wie Disziplin, Respekt und Bescheidenheit, unterstützt einen aber auf der anderen Seite auch.

SPOX: Wie sieht das konkret aus?

Zieler: Wir durften mit keinem Auto über 90 PS aufs Trainingsgelände fahren. Außerdem war es den Verantwortlichen wichtig, dass mein Englisch schnell besser wurde. Wir haben in der Jugend auch den kleinsten Trainer- und Schiedsrichterschein gemacht, um zu verstehen, was in diesen Bereichen gefordert ist. Gleichzeitig hat mich der Verein bei einer Gastfamilie untergebracht, die mich sehr gut aufgenommen und sich um mich gekümmert hat. ManUnited hat mir als Jugendspieler ein gutes Gesamtpaket mit auf den Weg gegeben.