Martin Hinteregger im Interview: "Ich hatte Mitspieler, die vor Spielen kotzten"

Seit dem Sommer 2016 spielt Martin Hinteregger für den FC Augsburg.
© getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Mit diesen Hobbies sind Sie im Profifußball eher eine Ausnahme. Viele junge Spieler verbringen ihre Freizeit lieber mit Social Media.

Hinteregger: Darin sehe ich ein großes Problem. Letztens stand ein Nachwuchsspieler zum ersten Mal im Profikader. Und was ist seine erste Reaktion? Er macht ein Foto von seinem Dress, postet es auf irgendeiner Seite und möchte dadurch Anerkennung bekommen. Wer am Anfang seiner Karriere aber zu viel öffentliche Anerkennung bekommt, glaubt schnell, dass er schon etwas erreicht hat - obwohl dem nicht so ist. Nach dem ersten Hype geht die Leistungskurve oft schnell nach unten. Das liegt aber nicht am Sportlichen, sondern am Mentalen. Ich versuche jungen Spieler mit meinen Erfahrungen im Umgang damit zu helfen. Kevin Danso zum Beispiel, denn er postet oft auf Instagram oder Snapchat und schaut dann, was seine Fans dazu sagen. Das ist gefährlich.

SPOX: Sie helfen damit aber Ihrem direkten Rivalen im Verein und Nationalteam.

Hinteregger: Derzeit ist er noch etwas von meinem Niveau entfernt, aber irgendwann wird er meinen Platz einnehmen. Ich will ihm dabei helfen und wenn es soweit ist, freue ich mich, dass ich einen Anteil daran hatte. Als ich mit 18 Jahren zu den Profis von Salzburg kam, halfen mir Ibrahim Sekagya, Rabiu Afolabi und Franz Schiemer. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft.

SPOX: Hatten Sie auch mit älteren Spielern zu tun, die nicht helfen, sondern nur auf sich schauen?

Hinteregger: Natürlich gibt es welche, die egoistisch denken, aber daran sind manchmal auch die jungen Spieler selbst schuld. Wenn einer kommt, der keinen Respekt zeigt und glaubt Messi zu sein, würde ich auch sagen: "Leck mich am Arsch und zieh' dein Ding alleine durch."

SPOX: Ist Ihnen das schon einmal widerfahren?

Hinteregger: In Augsburg und in Gladbach nicht, in Salzburg gab es aber schon den einen oder anderen Kandidaten. Die trainierten alle ein paar Mal mit - und sind dann gescheitert.

SPOX: Zurück zum Thema Social Media. Sehen Sie darin für sich gar keinen Mehrwert?

Hinteregger: Nein. Es kann aber sicherlich Vorteile haben, wenn man sich als Marke präsentiert. Christian Fuchs ist ein gutes Beispiel dafür. Er nutzt das, um sich während seiner Karriere etwas für danach aufzubauen. Er designt alles von Caps bis Unterhosen und vermarktet das über Social Media. Das finde ich voll okay.

Martin Hinteregger: Wahrheit? "Funktioniert im Profifußball offenbar nicht"

SPOX: Wieso haben Sie keine Social-Media-Accounts?

Hinteregger: Ich habe meine Freunde, von denen ich weiß, dass sie meine echten Freunde sind. Die sagen mir schon, was ich gut mache und was nicht. Dafür brauche ich mir nicht hunderte Kommentare durchlesen.

SPOX: Gab es einen Moment, in dem sie gerne einen Social-Media-Account gehabt hätten?

Hinteregger: Ja, als ich im Zuge meines Transfers zu Augsburg bei meiner Kritik am Verhalten von RB Leipzig falsch zitiert wurde. Da wurden entscheidende Worte meiner Aussagen einfach weggelassen. In diesem Moment wäre es cool gewesen, einen Twitter-Account zu haben und das mit einem Satz klarzustellen. Ich habe kurz überlegt, aber es dann doch gelassen.

Martin Hintereggers Leistungsdaten in den nationalen Ligen

SaisonVereinSpieleToreAssistsGelbe KartenPlatzverweise
2010/11RB Salzburg22-12-
2011/12RB Salzburg21-12-
2012/13RB Salzburg24237-
2013/14RB Salzburg322-10-
2014/15RB Salzburg311252
2015/16RB Salzburg8--3-
2015/16Borussia Mönchengladbach10--0-
2016/17RB Salzburg5--0-
2016/17FC Augsburg313-5-
2017/18FC Augsburg29--2-

SPOX: Hat dieses Erlebnis Ihre Sinne im Umgang mit Medien geschärft?

Hinteregger: Ich bin viel ruhiger geworden und überlege länger, wie ich mich äußere. Es wird gerne beklagt, dass Fußballer immer das gleiche sagen, aber wenn einer etwas anderes sagt, dann wird es sofort aufgebauscht und es heißt: "Mega-Kritik von Hinteregger an Leipzig!" Es wäre schön, wenn alle immer die Wahrheit sagen würden und diese dann auch so dargestellt wird. Das funktioniert im System Profifußball aber offenbar nicht.

Martin Hinteregger: "Red Bull half dem toten Verein Austria Salzburg"

SPOX: Wie lief der Abschied aus Salzburg aus Ihrer Sicht?

Hinteregger: Im Herbst 2015 zerstritt ich mich mit dem damaligen Salzburg-Trainer Peter Zeidler, dann kam der unglückliche Wechsel zu Gladbach. Im Sommer spielte ich nochmal für zwei Monate in Salzburg, in denen uns fast die Champions-League-Qualifikation gelangen. Der Wechsel nach Augsburg kurz vor Transferschluss hätte auch reibungslos geklappt - wenn da nicht Leipzig gewesen wäre, das mitgeredet hat.

SPOX: Haben Sie im Nachhinein betrachtet etwas falsch gemacht?

Hinteregger: Sowohl ich als auch der Verein hätten besser kommunizieren müssen. Es ist schade, dass die Salzburger Fans bei mir jetzt als erstes an den turbulenten Abschied denken. Ich kam ein Jahr nach der Übernahme von Red Bull in den Klub, schmiss als Balljunge dem Marc Janko Kugeln zu, absolvierte über 200 Spiele für den Verein. Über eine offizielle Verabschiedung hätte ich mich sehr gefreut. Das Ende hinterließ ein schlechtes Bild meiner Zeit im Klub.

SPOX: Wie nah ist Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz in Salzburg an der Mannschaft?

Hinteregger: Nach manchen Spielen kam er in die Kabine und gratulierte uns. Jeder im Verein - von der Putzfrau bis zum Sportdirektor - hat unheimlichen Respekt vor ihm und ist stolz, ihn als Chef zu haben. Menschlich ist Mateschitz der Beste der Welt: Er ist sympathisch, bodenständig und hat es nicht verdient, wie er manchmal von ein paar Idioten beleidigt wird.

SPOX: Verstehen Sie die Kritik am Konstrukt RB Salzburg?

Hinteregger: Ich kann die Kritik nicht nachvollziehen. Red Bull half dem toten Verein Austria Salzburg, lediglich die Farben wurden geändert. Wegen der guten Arbeit kann der Klub mittlerweile wieder alleine und ganz ohne Sponsoren überleben. Die Anzahl der Fans wird noch extrem wachsen und die Unterstützung irgendwann so emotional sein wie in Gladbach oder Augsburg.