BVB-Boss Hans-Joachim Watzke über...
...den Umbruch im BVB-Kader zur neuen Saison: "Er wird sicher mehr als zwei bis drei Positionen betreffen, das ist klar. Wir können uns jetzt aber nicht limitieren und auf eine konkrete Zahl festlegen. Wir haben relativ klare Vorstellungen davon, was wir wollen. Aber da gehören am Ende immer zwei Parteien dazu. Ganz wichtig: Wir werden Verträge akzeptieren, es wird hier niemand weggemobbt. Es wird keine Trainingsgruppe II geben. Jeder Spieler bekommt von uns eine ehrliche Einschätzung und eine klare Aussage, wie die Chancen stehen, wer ins Konzept passt und wer es schwer haben wird, Teil des Kaders zu sein. Natürlich auch in Rücksprache mit dem neuen Trainer. Das werden wir klar kommunizieren, und dann müssen die Spieler entsprechend mit ihrem Berater Ableitungen treffen. Ob es jetzt sechs, acht oder neun von 26 oder 28 Spielern im Kader betrifft, kann ich natürlich nicht sagen. Das ergibt sich, aber der Umbruch wird deutlich ausfallen. [...] Ich glaube, dass wir in allen Mannschaftsteilen Handlungsbedarf haben."
...die Ausbootung von BVB-Kapitän Marcel Schmelzer: "Man sollte nicht alles auf Schmelle abladen. Ich muss mal eine Lanze für ihn brechen: Es gibt kaum einen Spieler, der eine so hohe Identifikation mit dem Verein aufweist wie er. Ich würde mir wünschen, dass das bei den Fans auch honoriert wird und einen gewissen Einfluss hat. Man darf nicht verkennen, was in einem Jungen vorgeht, der seit zehn Jahren alles für den Verein gibt und sich dem Verein total verbunden fühlt, aber teilweise so unfassbar beleidigt wird wie in den vergangenen Wochen. Da müssen sich einige mal hinterfragen. Ich kann nicht auf der einen Seite Identifikation einfordern und dann den Spielern, die es leben, ständig "auf die Fresse hauen". Marcel Schmelzer hat bei uns, auf Basis dessen, was er hier geleistet hat, einen deutlich größeren Kreditrahmen als andere Spieler. Er hat Meisterschaften gewonnen und war im Champions-League-Finale - immer als Stammspieler! Bei aller Liebe, da wissen wir schon, was wir an Marcel Schmelzer haben."
...seine Verantwortung für die Auf-und-ab-Saison des BVB: "Ich spüre gerade eine sehr große Verantwortung. Die vergangenen zehn Jahre waren von enormen Erfolgen geprägt, das habe ich mir am vergangenen Wochenende erstmal wieder vor Augen geführt. Das war schon nicht so schlecht, was wir in diesem Zeitraum geschafft haben. In der vergangenen Saison sind wir Vierter geworden und haben oft nicht den besten Fußball gespielt. Das ist für Veränderungen ehrlich gesagt immer noch ein guter Ausgangspunkt. Michael Zorc hat es treffend formuliert: Wir müssen ein Stück weit einen Neustart wagen, da dürfen wir uns nichts vormachen. Wir müssen sehr viel ändern. Teilweise haben wir bereits damit angefangen, teilweise kommt das noch. Aber es ist sehr viel zu tun, und das löst natürlich ein starkes Verantwortungsgefühl bei mir aus."
...die Gründe für die abgelaufene BVB-Saison: "Als erstes muss man anführen, dass wir in den vergangenen zwei Jahren fünf absolute Klassespieler verloren haben: Mats Hummels, der unersetzlich ist, weil er in allen Bereichen einfach top ist. Er ist einer der besten Innenverteidiger der Welt und eine herausragende Persönlichkeit. Aber auch Mkhitaryan, Gündogan, Dembele und Aubameyang - die haben wir verloren und konnten sie nicht eins zu eins ersetzen. Das geht wahrscheinlich auch gar nicht, es sei denn, du bist dauerhaft außergewöhnlich kreativ und hast auch noch das nötige Glück. Das ist aber nicht so einfach. Wenn man einen Spieler für 50 Millionen Euro verkauft, dann muss man Steuern zahlen und dem Spieler meistens auch noch ein paar Prozent der Ablösesumme abgeben. Dann bleiben vielleicht 2/3 der Ablösesumme zum Reinvestieren. Das heißt: Du wirst eigentlich nie besser durchs Verkaufen. Deswegen sind am Ende auch meistens die Klubs ganz oben, die selten verkaufen - das ist kein Zufall."
BVB: Die Bilanz der Saison 2017/2018
1. Bundesliga | Spiele | Siege | Remis | Niederlagen |
Heimbilanz | 17 | 9 | 4 | 4 |
Auswärtsbilanz | 17 | 6 | 6 | 5 |
Gesamtbilanz | 34 | 15 | 10 | 9 |
...die Entscheidung zugunsten von Trainer Peter Bosz: "Es ist offensichtlich, dass wir bei der Trainerentscheidung im Sommer nicht richtig gelegen haben. Wenn wir den Trainer im Dezember wechseln mussten, weil wir vorher in acht Spielen drei Punkte geholt haben, dazu noch zwei Unentschieden gegen Nikosia, ist das eine dramatische Situation. Wir müssen Peter Stöger sehr dankbar sein, dass er für die Aufgabe zur Verfügung stand. Ich denke, dass er die richtige Entscheidung war. Unser Fehler liegt natürlich im Sommer. Peter Bosz ist ein sehr guter Trainer und ein außergewöhnlich guter Mensch, aber manchmal passt es eben nicht. Wir haben das zum Beispiel bei Ciro Immobile gesehen, der jetzt wieder alles kaputt schießt. Aber hier und auf seiner nächsten Station passte es eben nicht."
...den BVB-Kader: "Wir haben unter dem Einfluss der vorherigen Trainer das Augenmerk zu stark auf das spielerische Element der Mannschaft gelegt und zu wenig auf die anderen Dinge. Im Zweifel haben wir immer versucht, den technisch besten Spieler zu holen, aber nicht den mit der besten Mentalität oder Führungsstärke. Das ist einfach so, der Kader ist am Ende des Tages mehr auf Fußballspielen zugeschnitten worden und die anderen Dinge haben wir ein bisschen vernachlässigt - was ich aber nicht als Vorwurf an Michael Zorc und das Scouting verstanden wissen möchte. Es ist immer ein Zusammenspiel mit dem Trainer. Wenn man Trainer hat, die nicht so großen Wert auf diese Eigenschaften legen und zum Beispiel einen Mentalitätsspieler wie Sven Bender für absolut verzichtbar halten, dann muss man ihnen auch Entscheidungsbefugnisse zugestehen. Vielleicht hätten wir uns hier und da aber stärker durchsetzen sollen."
...die Auswirkungen des Anschlags auf den BVB-Bus: "Wir haben massiv unter den Folgen des Anschlags gelitten. Für den Umgang damit und die Folgen gab es keine Blaupause, weil es sowas im Fußball noch nicht gegeben hat. Wenn du das miterlebt hast, dann vergisst du das so schnell nicht. Wir waren im Viertelfinale der Champions League sogar leicht favorisiert. Ab dem Halbfinale ist alles möglich - und dann wird den Spielern dieser Traum genommen. Dadurch ist einiges kaputt- und einiges an Vertrauen auf dieser Reise verloren gegangen. Das war auch für mich sehr schwierig. Experten hatten uns früh davor gewarnt, und dementsprechend ist es auch eingetroffen: Das Trauma kam. Bei einigen Spielern war das Erlebte irgendwann kein Problem mehr, bei anderen wurde es schwierig, und durch den Gerichtsprozess kam alles wieder hoch. Die Mannschaft wurde stark kritisiert, auch von den Fans. Weil wir aber wussten, was diese Mannschaft alles durchgemacht hatte, fiel es uns als Verantwortlichen natürlich schwer, die Mannschaft in dem einen oder anderen Moment härter anzufassen.