16.30 Uhr in der Frankfurter Commerzbank-Arena: Das Spitzenspiel zwischen der Eintracht und Tabellenführer Borussia Dortmund ist nach der Pause etwas verflacht. Nicht mehr ganz so temporeich, nicht mehr so atemberaubend, so spektakulär. Die Frankfurter überlassen dem BVB den Ball, der geduldiger agiert als noch im vom "Vollgasfußball" geprägten ersten Durchgang.
Doch plötzlich explodiert der Schwarz-Gelbe Fanblock am Ost-Ende der Frankfurter Heimspielstätte. Und das, obwohl der BVB überhaupt nicht in Ballbesitz ist. Es ist der Moment, an dem Lucien Favre nach eigener Aussage "einmal für zehn Sekunden" seine Konzentration auf das Spiel verliert. "Das war das Tor zum 1:1 in Leverkusen", erklärte Favre nach der Partie.
Zwei weitere Male gerät der Gästeblock in Frankfurt an diesem Nachmittag noch in Ekstase: als das 2:1 der Leverkusener gegen den FC Bayern durchgegeben wird, dann nach Schlusspfiff, als die 1:3-Niederlage des ärgsten Dortmunder Verfolgers feststeht.
Den vierten Sieg in Folge darf der BVB-Anhang in Frankfurt jedoch nicht mehr bejubeln.
Roman Bürki: Pleite des FC Bayern "ein schwacher Trost"
Das liegt einerseits daran, dass der amtierende Pokalsieger dem Tabellenführer über 90 Minuten einen großen Kampf bietet, aggressiv in die Zweikämpfe geht und blitzschnelle Konter fährt. Andererseits betreiben die Dortmunder nach dem Führungstreffer durch Marco Reus (22.) in der wohl stärksten BVB-Phase einen ungewohnten Chancenwucher.
Ungewohnt deshalb, weil der BVB statistisch gesehen eigentlich die effizienteste Mannschaft der Bundesliga ist, wenn es darum geht, das Tor zu treffen (41,8 Prozent genutzte Chancen). Reus hätte die SGE binnen zehn Minuten im Alleingang abschießen können, schob den Ball jedoch erst freistehend am Tor vorbei und traf Minuten später nur die Latte. Luka Jovic bestrafte mit seinem 14. Saisontor den BVB noch vor der Pause und traf zum Endstand.
Ein Endstand, den man laut Favre nun einmal akzeptieren müsse. Zumal Frankfurt besonders in der Schlussphase frischer wirkte als der BVB. "Vielleicht war es deshalb die richtige Entscheidung, den Punkt zu retten", sagte Roman Bürki im Anschluss an das Spiel, in dem er für die Schwarz-Gelben mehrfach glänzend pariert hatte.
Von Freude über den erneuten Patzer des ärgsten Konkurrenten im Kampf um die Meisterschaft wollte der Torhüter jedoch erstmal nichts wissen. "Das ist ein schwacher Trost", sagte Bürki, dem ein eigener Sieg zu einem persönlichen "top Wochenende" fehlt. Doch auch er weiß, dass "sieben Punkte natürlich besser als sechs" sind.
Der verbale Zwiespalt, der sich bei Bürki angesichts der Ereignisse an diesem Bundesliga-Samstag auftat, fasst die Gefühlslage aller Dortmunder treffend zusammen. Sieben Punkte Vorsprung sind schön und gut. Es hätten aber auch neun Punkte sein können, wenn man selbst geliefert hätte.
Das obere Tabellendrittel nach 20 Spieltagen
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | Borussia Dortmund | 20 | 51:20 | 31 | 49 |
2. | Borussia M'gladbach | 20 | 41:18 | 23 | 42 |
3. | Bayern München | 20 | 44:23 | 21 | 42 |
4. | RB Leipzig | 20 | 38:18 | 20 | 37 |
5. | Eintracht Frankfurt | 20 | 40:27 | 13 | 32 |
6. | Wolfsburg | 20 | 29:27 | 2 | 31 |
BVB-Sportdirektor Michael Zorc: "Es hat sich nichts geändert"
Von einer Vorentscheidung im Kampf um die deutsche Meisterschaft wollte Sportdirektor Michael Zorc auch angesichts der vierten Saisonniederlage des Rivalen aus dem Süden Deutschlands nichts wissen. "Es hat sich nichts geändert", stellte Zorc klar und stapelte dabei trotz der vielzitierten "frühen Phase" der Saison mit noch 14 ausstehenden Spielen vielleicht etwas tiefer als nötig.
Denn durch den Punktgewinn der Dortmunder und die Niederlage des FC Bayern steht fest, dass sich der BVB nun sogar zwei Niederlagen mehr in diesen 14 Spielen erlauben dürfte als die Münchner oder Borussia Mönchengladbach, und trotzdem die neunte Deutsche Meisterschaft feiern würde. Eine Tatsache, die vielleicht doch mehr ist, als der von Bürki bemühte "schwache Trost".
Wie der satte Vorsprung auf die Münchner und den Rest der Liga zustande gekommen ist, hatte zumindest an diesem Samstag auch etwas Bayern-eskes an sich. Denn ausgerechnet dann, wenn der BVB mal Punkte liegen lässt, patzt auch der ärgste Konkurrent. Eine glückliche Fügung, die in der Vergangenheit gerade dem deutschen Rekordmeister immer wieder zuteilwurde, von der nun aber die Dortmunder profitierten.
Ob der BVB nun angesichts der sieben Punkte Vorsprung endgültig der klare Meisterschaftsfavorit sei, interessierte Zorc indes nicht, denn dadurch "haben wir ja auch keinen Punkt mehr auf dem Konto". Zumindest in dieser Hinsicht lag der BVB-Sportdirektor an diesem Samstag richtig.