Yussuf Poulsen wechselte 2013 vom dänischen Erstligisten Lyngby BK zu RB Leipzig. Inzwischen fühlt er sich in Sachsen heimisch und ist bei den Roten Bullen einer der Leistungsträger.
Seite 1: Poulsen über Klopp, den Videoschiedsrichter und ungesundes Essen
SPOX und DAZN trafen den Mittelstürmer zum Interview. Ein Gespräch über seine Entwicklung, die Vorliebe für ungesundes Essen, die Arbeit mit einem Mentaltrainer und den Videoschiedsrichter.
Herr Poulsen, Sie haben als Kind im Verein Basketball gespielt. Sind Sie hobbymäßig immer noch aktiv?
Yussuf Poulsen: Ja, in Kopenhagen bin gibt es zwei schöne Basketballfelder. Wenn ich im Heimaturlaub bin, gehe ich dort gerne hin und spiele einfach mit. Die Plätze sind direkt neben dem Kanal. Hinterher kann man reinspringen und sich abkühlen.
Gibt es Aspekte, die man sich als Fußballer von Basketballern abschauen kann?
Poulsen: Bei beiden Sportarten gibt es viel Körperkontakt. Oft geht es darum, seinen Gegenspieler aus dem Gleichgewicht zu bringen. Diesbezüglich kann man sich also schon was abschauen.
Sie haben mal gesagt, dass Sie als Kind am liebsten dem FC Barcelona zugeschaut haben, sich jedoch nicht vorstellen können, dort mitzuhalten. Hat sich das mittlerweile geändert?
Poulsen: Nein, weil ich immer noch nicht gut genug für Barca bin. Ich kann mich selbst sehr gut einschätzen.
Hinsichtlich Ihrer Spielweise würden Sie wohl eher zum FC Liverpool passen.
Poulsen: Das stimmt. Ich mag den Fußball von Jürgen Klopp. Der ist einfach geil. Das muss man sogar anerkennen, wenn man eigentlich kein Liverpool-Fan ist. Das ist wie mit Barcas Tiki-Taka von vor ein paar Jahren. Diesen Fußball muss man einfach mögen.
Liverpool hat gerade die Champions League gewonnen. Wie emotional verfolgen Sie so ein Finale?
Poulsen: Ein Champions-League-Finale packt mich schon. Ich liebe es, unterhaltsamen Fußball anzuschauen. Gleichzeitig gibt es nichts Schlimmeres als ein langweiliges 0:0. Nach so einem Spiel frage ich mich immer: Warum habe ich gerade 90 Minuten verschwendet?
Eine mögliche europäische Superliga, die zunehmende Kommerzialisierung, der Videoschiedsrichter: Viele Fans spüren eine zunehmende Entfremdung vom Fußball im eigentlichen Sinne. Wie empfinden Sie das?
Poulsen: Es kann schon sein, dass es ein bisschen in diese Richtung geht - aber das muss man differenzieren. Zu einer möglichen Einführung einer Superliga kann ich aktuell wenig sagen. Den Videoschiedsrichter finde ich aber gut. Der VAR wird immer als böse dargestellt, er macht den Fußball aber nicht kaputt, sondern entwickelt ihn weiter.
Zu Ihnen persönlich: Viele sagen, dass Sie sich in der vergangenen Saison technisch weiterentwickelt haben. Sehen Sie das auch so?
Poulsen: Nein, diesen Schritt habe ich schon vorletztes Jahr gemacht. In der vergangenen Saison habe ich mich vor allem im mentalen Bereich verbessert. Viele Kollegen aus dem Verein und aus der Nationalmannschaft haben mir empfohlen, mit einem Mentaltrainer zu arbeiten. Dann habe ich das einfach mal ausprobiert und es funktioniert super.
Wie läuft das genau ab?
Poulsen: Wir arbeiten gemeinsam daran, dass ich der Spieler und Mensch werde, der ich sein will. Das betrifft sowohl sportliche als auch private Situationen. Zuerst habe ich dem Mentaltrainer gesagt, wie ich mich sehe. Dann hat er mir seine Sicht geschildert. Wir waren uns beide einig, dass ich ein Leader bin, ein Mensch, der gerne vorangeht und Verantwortung übernimmt. Jetzt versuchen wir, die entsprechenden Charakterzüge herauszuarbeiten. So lerne ich mich selbst immer besser kennen.
Was macht einen Leader aus?
Poulsen: Ein Leader hat keine Angst, Leute anzusprechen, und sagt auch in unangenehmen Situationen seine Meinung. Wenn es mal nicht läuft, stellt er die Interessen der Mannschaft über seine eigenen. Natürlich muss man in so eine Rolle hineinwachsen, das geht nicht von heute auf morgen. Ein 19-Jähriger sollte nicht zu einem 30-Jährigen sagen: "Leg mal dein Handy weg!"
Stichwort Handy: Im Herbst vergangenen Jahres wurden Jean-Kevin Augustin und Nordi Mukiele bei RB Leipzig zeitweise aus dem Kader gestrichen, weil sie sich auf der Auswechselbank angeblich mit ihren Handys beschäftigt hatten. Hat diese Strafe bei dem Duo etwas ausgelöst?
Poulsen: Speziell Nordi Mukiele hat sich das sehr zu Herzen genommen. Vielleicht hat er den Fehler nicht gleich verstanden, aber sicherlich ein paar Wochen später. Er hat gemerkt, dass sich etwas ändern muss, damit er wieder auf dem Platz stehen darf. Mittlerweile verhält er sich ganz anders. Solche Entwicklungen bringen eine ganze Mannschaft voran.
Was lenkt Sie persönlich vom Stress des Profifußballs ab?
Poulsen: Ungesundes Essen! Ganz egal, was: Ich mag ungesundes Essen übertrieben gern. Aber ich versuche natürlich, das im Rahmen zu halten. Aktuell geht es ohnehin kaum anders. Im Verein gibt es nur gesundes Essen, und seit meine Freundin schwanger ist, achtet sie auch noch stärker auf eine entsprechende Ernährung.
Sie werden im Herbst Vater. Wie stellen Sie sich das vor?
Poulsen: Ich denke nicht viel darüber nach und bereite mich auch gar nicht darauf vor. Das ist die beste Herangehensweise. Wenn man sich zu viel vorstellt, kann man nur enttäuscht werden, sollte es doch in eine andere Richtung gehen. Wenn man nichts erwartet, kann man nur positiv überrascht werden. Das sage ich auch immer meiner Freundin.
Sie wohnen mittlerweile seit sechs Jahren in Leipzig. Ist die Stadt ein zweites Zuhause für Sie?
Poulsen: Auf jeden Fall. Während meiner ersten Saison habe ich es noch nicht genossen, hier zu sein. Damals bin ich an jedem freien Tag nach Kopenhagen gereist. Das hat sich mittlerweile aber komplett geändert, dieses Bedürfnis habe ich nicht mehr. Für mich ist ein Ort dann ein Zuhause, wenn ich mich an diesem Ort an einem freien Tag nicht langweile. So ist das mittlerweile in Leipzig.
Gab es einen Moment, in dem Sie alles hinschmeißen und zurück nach Kopenhagen wollten?
Poulsen: Nein, diesen Moment gab es nie. Wenn ich mir irgendetwas vornehme, dann ziehe ich das voll durch. Das ist oft ein Vorteil, kann aber auch zum Nachteil werden. Nämlich dann, wenn es lange schlecht läuft, man das nicht wahrhaben will und letztlich zu spät reagiert. Ich habe aber einen Kreis an Vertrauten, der mir Ratschläge gibt.
Hilft es, Freunde außerhalb des Fußballs zu haben?
Poulsen: Ich unterhalte mich gerne mit Menschen, die nichts mit Fußball zu tun haben, um andere Aspekte zu sehen. Als Person, die in der Öffentlichkeit steht, ist es aber sehr schwierig, neue Freundschaften mit Leuten zu knüpfen, die das nicht kennen, weil sie spezielle Probleme nur sehr schwer nachvollziehen können.
Viele Leute, die in der Öffentlichkeit stehen, inszenieren sich über die sozialen Medien. Was halten Sie davon?
Poulsen: Ich persönlich verbringe sehr wenig Zeit mit sozialen Medien. Meiner Meinung nach gibt es dabei ein großes Problem: Wenn zum Beispiel ein bekannter Fußballer zwei coole Fotos postet, denken die Leute, dass es auch zwischen den Fotos cool läuft. Vor allem junge Leute haben dann den Eindruck, dass das normal ist - aber das ist es natürlich nicht. Als öffentliche Person sollte man eigentlich auch zeigen, was zwischen solchen Fotos passiert. Vielen ist nicht bewusst, was sie für eine Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen tragen.
Sie selbst mussten früh Verantwortung übernehmen. Ihr Vater starb, als Sie noch ein Kind waren, weswegen Sie oft allein mit Ihren Geschwistern waren. Inwiefern hat Sie das geprägt?
Poulsen: Dadurch habe ich gelernt, Verantwortung zu übernehmen, egal was passiert. Ich habe fünf Geschwister. Wenn unsere Mutter nicht zuhause war und etwas passiert ist, mussten wir uns untereinander helfen. Zunächst trug meine ältere Schwester die größte Verantwortung, aber als sie 16 war, ging sie für zwei Jahre nach Tansania. Dann war ich der Älteste. Das hat mich geprägt.
In Tansania wohnen große Teile Ihrer Familie väterlicherseits. Wie eng ist der Draht?
Poulsen: Bevor mein Vater gestorben ist, waren wir jedes Jahr dort. Dann wurde es nach und nach weniger. Wir sind eine große Familie und es ist sehr teuer, dorthin zu fliegen. Aktuell versuche ich, so oft wie möglich in Tansania zu sein. Mir bedeutet der Kontakt mit meinen Verwandten dort sehr, sehr viel.
Inwiefern?
Poulsen: Er zeigt mir eine ganz andere Lebensart als unsere europäische. Während wir uns in Europa über Kleinigkeiten ärgern, zum Beispiel weil wir einen Zug verpassen oder kein Benzin mehr im Auto haben, vergessen wir, zu schätzen, was wir alles haben. Es prägt einen, wenn man miterlebt, wie lebensfroh die Leute in Tansania sind, obwohl sie vergleichsweise wenig haben. Ich kann jedem nur empfehlen, in andere Teile der Welt zu reisen. Das setzt vieles in eine andere Perspektive.