Klaassen erklärte dabei außerdem, warum Europa die richtige Zielsetzung für Werder ist und in welcher Disziplin Florian Kohfeldt neben dem Fußball noch "besessen" ist.
Herr Klaassen, wissen Sie noch, was Sie am Abend des 8. Mai gemacht haben?
Davy Klaassen: Keine Ahnung. Da müssen Sie mir auf die Sprünge helfen.
An dem Abend fand das Rückspiel zwischen Ajax Amsterdam und Tottenham in der Champions League statt.
Klaassen: Achso! Da saß ich natürlich vorm Fernseher und habe Ajax angefeuert. Ich fiebere immer mit der Mannschaft mit, mit vielen Spielern der letzten Saison habe ich ja auch noch zusammengespielt, da passiert das automatisch. Ich werde immer ein Fan von Ajax sein.
Sie hatten bis 2017 beispielsweise noch mit Matthijs de Ligt oder Frenkie de Jong zusammengespielt, bevor Sie selbst die Mannschaft verließen. Wie war es für Sie, aus der Ferne diese magische Saison mitzuverfolgen?
Klaassen: Das hat schon wirklich Spaß gemacht. Als es gegen Real Madrid ging, hat Ihnen eigentlich schon keiner das Weiterkommen zugetraut. Aber dann schlugen sie im Viertelfinale auch noch Juve und gegen die Spurs waren sie auch nah dran, auch wenn es leider nicht ganz gereicht hat. Aber das war natürlich für jeden Ajax-Fan eine großartige Saison. Das hatte niemand so kommen sehen.
Davy Klaassen über Ajax: "Die Philosophie ist die größte Stärke"
Mit vielen jungen Spielern und Eigengewächsen hat Ajax dabei mal wieder die Klasse der eigenen Jugendarbeit unter Beweis gestellt. Sie haben diese legendäre Schule ja auch durchlaufen - können Sie beschreiben, warum Ajax immer wieder so erfolgreich junge Spieler hervorbringen kann?
Klaassen: Für mich persönlich war es einfach ein sehr angenehmes und gutes Umfeld, um mich zu entwickeln, als ich dort mit elf Jahren hinkam. Das entscheidende Merkmal der Ajax-Schule ist die Tatsache, dass im ganzen Verein von Jung bis Alt und von Trainer zu Trainer die Philosophie die gleiche ist. Im Herrenbereich wird natürlich schneller gespielt als bei den Jugendlichen, aber man bekommt von klein auf diesen spielerischen Ansatz, diese Idee vermittelt, wie das Ajax-Spiel auszusehen hat. Und dadurch kann man intern auch leichter aufsteigen und sich etwas leichter für die erste Mannschaft qualifizieren als bei anderen Vereinen, die nicht diesen allumfassenden Ansatz verfolgen.
Könnte ein Verein mit den nötigen finanziellen Mitteln ein ähnliches Modell etablieren?
Klaassen: Ich glaube nicht. Die Philosophie ist meiner Meinung nach die größte Stärke von Ajax. Das ist ein riesiger Vorteil, weil der Ruf über die Jahre entwickelt wurde und viele junge Spieler genau deshalb zum Verein kommen wollen. Sie wissen, was sie dort lernen oder bekommen. Das bleibt auch so, weil die Trainer dort nur dann funktionieren, wenn sie diese Idee verfolgen. Deshalb bleibt Amsterdam immer attraktiv, selbst wenn die erste Mannschaft mal eine Weile nicht so erfolgreich spielt.
Für Sie ging es bei Ajax sehr geradlinig nach oben. 2011 das A-Debüt in der Champions League, 2013 wurden Sie zum Stammspieler, 2014 übernahmen Sie die Nr. 10 von Siem de Jong, eine legendäre Nummer bei Ajax. Sind Sie mit der Wahl einem bestimmten Idol gefolgt?
Klaassen: Mehreren. Als ich jung war, waren Jari Litmanen und Dennis Bergkamp meine Lieblingsspieler. Deswegen wollte ich die Nummer, als sie frei wurde.
Davy Klaassen schwärmt von Dennis Bergkamp
Erstmals damit bei den Profis aufzulaufen war wahrscheinlich eine große Ehre.
Klaassen: Ja, natürlich. Und Bergkamp war dann bei Ajax sogar für mehrere Jahre mein Trainer. Das war etwas ganz Besonderes.
Wie muss man sich Bergkamp im Training vorstellen?
Klaassen: Das war schon unglaublich. Er hat nie bei Trainingsspielen mitgemacht, aber bei einigen Einheiten hat er dann ab und zu mal einen Pass gespielt, den Ball gestoppt, geschossen und wir dachten nur: "Wow"! (lacht) Dieses Ballgefühl bleibt für immer. Für mich ist Bergkamp einer der größten Spieler, die es je gegeben hat.
In Ihren letzten beiden Ajax-Saisons waren Sie Kapitän der Mannschaft, das letzte Pflichtspiel für Ajax war das verlorene Europa-League-Finale 2017 gegen Manchester United. Warum sind Sie damals weggegangen von Ihrem Lieblingsverein?
Klaassen: Ich hatte nie eine genaue Vorstellung, wie meine Karriere verlaufen soll. Bei mir war es so, dass ich in den Jahren zuvor einfach das Gefühl hatte, dass ich noch etwas mit Ajax erreichen und bleiben wollte, aber in der Saison änderte es sich dann. Es gab Spiele, in denen ich dachte: "Ach, vielleicht ist es auch mal gut, wenn heute jemand anderes das Tor macht". Das kannte ich so nicht und dadurch habe ich gemerkt, dass ich mal etwas anderes brauchte.
Hatte die Eredivisie für Sie ein wenig den Reiz verloren?
Klaassen: So hart will ich das nicht sagen, aber es war schon so, dass ich eine neue Herausforderung gesucht habe. Für mich war dann der Wechsel zu Everton ein logischer Schritt.
Die Karriere-Stationen von Davy Klaassen
Verein | Von | Bis | Pflichtspiele | Tore | Assists |
Ajax Amsterdam | 2011 | 2017 | 180 | 55 | 38 |
FC Everton | 2017 | 2018 | 16 | 1 | |
Werder Bremen | 2018 | heute | 42 | 8 | 7 |
Es war offensichtlich ein schwieriges Jahr bei Everton. Sie kamen damals für 27 Millionen Euro Ablöse, wurden dann aber in der Premier League bloß siebenmal eingesetzt und mussten zeitweise sogar zur U23. Wie sehen Sie den Wechsel heute?
Klaassen: Es hatte schon auch etwas Positives. Ich wäre sonst wahrscheinlich heute nicht hier. Und wie gesagt: Ich hatte nicht diesen klaren Plan, weil ich mir meinen großen Traum da schon erfüllt hatte - ich hatte ja bei Ajax gespielt. Und dann wollte ich mich eben woanders ausprobieren, sehen, ob ich mich da auch so durchsetzen kann.
Warum hat es bei Everton nicht geklappt?
Klaassen: Eigentlich ist von Anfang an alles schiefgelaufen. Es kam viel zusammen ... [Everton tauschte in der Saison 17/18 dreimal den Trainer, d. Red.] Es hat irgendwie einfach nicht gepasst. Ich hatte trotzdem ein schönes Jahr dort, habe nette Leute kennengelernt, aber sportlich war das natürlich kein glückliches Jahr.
Davy Klaassen: Marco Silva gab mir keine Chance
War Ihnen schnell klar, dass Sie nur eine Saison dortbleiben würden?
Klaassen: Nein, ich hatte eigentlich Hoffnung. In der Sommerpause kam damals ein neuer Trainer [Marco Silva, d. Red.] und ich dachte, dass ich vielleicht eine Chance bekomme, aber schon nach wenigen Tagen wurde mir klar gesagt: "Wir haben zu viele Spieler und ich vertraue anderen." Das war aber eigentlich gut so. Ich wusste dann zumindest, woran ich war, und konnte mir den nächsten Schritt überlegen.
Wann haben Sie vom Interesse Werders erfahren?
Klaassen: Das war ziemlich bald nach diesem Gespräch erstmals ein Thema. Aber ich habe mir dann zweieinhalb Wochen genommen, in denen ich wirklich ein bisschen nachdenken musste, wie es jetzt weitergeht und was ich tun soll. Das ging gar nicht in erster Linie um Werder, sondern um mich. Ich habe ein bisschen gezweifelt und wusste nicht, was ich machen soll. Ich habe einfach nur weiter trainiert und auch noch Testspiele absolviert, dabei aber viel nachgedacht. Und dann habe ich mich irgendwann mit Florian Kohfeldt getroffen - und dann war ich mir auch ziemlich sicher.
Das klingt, als habe Ihr Selbstvertrauen unter dieser Saison ziemlich gelitten.
Klaassen: Hinterher lässt sich so etwas immer leicht mit ja oder nein beantworten. In diesem Fall ist das nicht einfach. Ich hatte eigentlich immer Selbstvertrauen, ich dachte mir immer: So wird es nicht bleiben, das wird auch wieder besser. So ist es dann ja auch gekommen. Mir fehlte eher die Richtung als das Selbstvertrauen.