Eine komplizierte Adduktorenverletzung beendete vor fünf Monaten eine schwierige erste Saison für Mark Uth beim FC Schalke 04. Nun steht er kurz vor seinem Comeback und spricht im Interview mit SPOX und Goal über seinen Weg vom aussortierten Stürmer zum Nationalspieler, den Zwist mit Domenico Tedesco in der vergangenen Saison und die Angst der Profis vor den Medien.
Außerdem äußert sich Uth zu seiner "brutalen Zeit" beim SC Heerenveen, seinem schwierigen Verhältnis zu Stale Solbakken und erklärt, warum er weder ein "Charakterschwein" noch ein Transferflop ist.
Herr Uth, welchen Titel würden Sie Ihrer ersten Saison beim FC Schalke 04 geben?
Mark Uth: Persönlich oder für die ganze Mannschaft?
Gerne erst einmal den persönlichen Titel.
Uth: Dann würde ich sagen: "Unter meinen Möglichkeiten."
Und für die Mannschaftsleistung? "Unter den Möglichkeiten Teil zwei?"
Uth: Zum Beispiel. Verbesserungswürdig würde es wohl auch treffen.
Einerseits lief es sowohl für Sie als auch für Schalke nicht rund, andererseits wurden Sie erstmals für die Nationalmannschaft nominiert - zu einem Zeitpunkt, an dem Sie noch keinen Treffer erzielt hatten. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Uth: Der Zeitpunkt war bestimmt für viele überraschend. Joachim Löw war aber nie jemand, der sich an den Erwartungen der Öffentlichkeit orientiert hat. Ich selbst war einfach nur sehr glücklich, dabei sein zu dürfen.
Wo waren Sie, als Joachim Löw Sie angerufen hat?
Uth: Ich hatte nach dem Training einen Anruf in Abwesenheit. Dann habe ich zurückgerufen und am anderen Ende war Jogi Löw. Das war schon außergewöhnlich. Danach habe ich direkt meine Eltern angerufen, dann meinen Bruder und meinen Berater.
imago imagesUth über sein Aus beim 1. FC Köln: "War Solbakken egal"
Elf Jahre zuvor war der Traum vom Fußball-Profi, der einmal für sein Land spielen will, eigentlich schon ausgeträumt. Beim 1. FC Köln wurden Sie in der U16 aussortiert. Sie sollen körperlich zu schwach und zu klein gewesen sein. Wie lief das damals ab?
Uth: Solche Gespräche gibt es nach jeder Saison mit jedem Spieler. Es geht darum, ob man in die nächste Jugendmannschaft übernommen wird oder nicht. Manfred Schadt, unser damaliger A-Jugend-Trainer, hat mir dann im Beisein von Dirk Lottner mitgeteilt, dass ich es nicht geschafft habe. So einfach ist das nun mal: Die einen kommen durch, die anderen nicht.
Nach zwei sehr erfolgreichen Jahren bei Viktoria Köln sind Sie zum Effzeh zurückgekehrt. Gab es da nochmal eine Begegnung mit Manfred Schadt?
Uth: Natürlich. Er hat mich rausgeschmissen, aber auch wieder zurückgeholt. Das sagt schon alles über seinen Charakter. Er hat damals gesagt, dass er einen Fehler gemacht hat, den er korrigieren wollte. Und dann war alles wunderbar.
Sie haben in der A-Jugend viele Tore gemacht und einige Einsätze in der zweiten Mannschaft bekommen. Chancen bei den Profis räumte man Ihnen aber nicht ein. Warum nicht?
Uth: In meiner ersten Saison bei den Profis war ich einfach noch nicht so weit. Ich war zu jung, zu nervös, alles war neu. Dennoch hatte ich unter unserem damaligen Trainer Zvonimir Soldo nie das Gefühl, komplett abgeschrieben zu sein. Für mich hat es sich damals so angefühlt, als wäre es nur eine Frage der Zeit, bis ich meinen ersten Einsatz bei den Profis bekomme. Leider wurde Soldo dann früh in der Saison entlassen. Am Ende der Spielzeit haben wir gerade so die Klasse gehalten.
Wie ging es dann für Sie weiter?
Uth: Ich habe meiner Meinung nach einen guten Eindruck im Training und in der Zweiten Mannschaft hinterlassen. Aber das war Stale Solbakken offenbar egal. Deshalb musste ich etwas verändern.
Sie sind zum SC Heerenveen in die Eredivisie gewechselt. Doch auch da lief es zunächst nicht rund.
Uth: Das stimmt. Am Anfang ging das klar auf meine Kappe. Ich war nicht fit, kam von einer Verletzung zurück und habe weder im Training noch in den Spielen gute Leistungen gezeigt. Nach ein paar Monaten habe ich mich gesteigert und in der zweiten Mannschaft einige Tore erzielt. Ich hatte aber das Gefühl, bei den Profis trotzdem keine echte Chance zu bekommen, weil Alfred Finnbogason gefühlt in jedem Spiel getroffen hat. Es hört sich immer so an, als seien nur die anderen schuld, aber der Trainer hat mir gesagt, dass ich nur spiele, wenn sich Alfred verletzt. Da kannst du nicht viel machen.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Uth: Es war eine brutale Zeit. Wenn du bei den Profis nicht zum Einsatz kommst, musst du automatisch am Montag mit der zweiten Mannschaft spielen. Das ist in den Niederlanden so üblich. Da bin ich zum Beispiel am Sonntagabend aus Eindhoven zurückgekommen, war frustriert, weil ich wieder nicht gespielt hatte und wusste, dass ich am nächsten Tag nach Arnheim reisen werde, um dort im Winter bei Minusgraden vor gefühlt 28 Zuschauern zu spielen. Das war wirklich hart, aber gehört am Ende auch dazu.
imago imagesUth bei 1899 Hoffenheim: "Mit der Truppe nach Ibiza"
Nochmal: Wie sind Sie damit umgegangen?
Uth: Ich habe weiterhin alles gegeben, das war auch genau die richtige Reaktion. Der Trainer von Heerenveens zweiter Mannschaft ist nach zwei Jahren bei Heracles Cheftrainer geworden und hat mich als Leihspieler dorthin mitgenommen. Hätte ich mich damals hängen lassen, wäre diese Chance sicher nicht da gewesen.
Ihr Trainer war Jan de Jonge. Was würden Sie ihm heute sagen?
Uth: Dass ich ihm unfassbar dankbar bin und dass er ein sehr wichtiger Trainer für mich war. Ich war direkt sein Stürmer Nummer eins. Wenn du dieses Vertrauen bekommst, spielst du automatisch besser. Es war nicht alles optimal in der Saison, ich habe aber immerhin acht Tore gemacht.
Das Selbstvertrauen haben Sie nach dem Jahr zurück nach Heerenveen mitgenommen. Dort waren Sie plötzlich der Top-Stürmer.
Uth: Die Jungs haben mir vertraut und mir das Gefühl gegeben, dass ich die erste Wahl bin. Als Stürmer ist es unfassbar wichtig, dass deine Teamkollegen deine Qualitäten kennen und dich entsprechend in Szene setzen wollen. Wenn du vorne rumstehst und keiner Bock auf dich hat, hast du ein Problem.
Ihre nächste Station war 1899 Hoffenheim. Wie sah das Mannschaftsgefüge dort aus?
Uth: Wir haben uns im ersten Jahr zu einem eingeschworenen Haufen entwickelt. Als Julian Nagelsmann Trainer wurde, waren wir gefühlt schon abgestiegen. Dann haben wir tatsächlich noch den Klassenerhalt geschafft. So etwas schweißt zusammen.
Gab es ein besonderes Erlebnis, das den Teamgeist gefördert hat?
Uth: Nachdem wir ein Jahr später die Europa-League-Qualifikation geschafft hatten, sind wir mit der ganzen Truppe nach Ibiza geflogen. Da war fast jeder dabei, das war schon richtig cool.
Wie erinnern Sie sich an Ihr erstes Gespräch mit Nagelsmann?
Uth: Im ersten Spiel saß ich gegen Bremen leider nur auf der Bank. Huub Stevens hatte mich zuvor aus dem Kader gestrichen. Ich habe dann zwar nicht gespielt, Julian hat mich aber nach dem Spiel in den Arm genommen und mir gesagt: "Deine Zeit wird kommen."
Und die kam schneller als gedacht.
Uth: Tatsächlich. Andrej Kramaric hatte gegen Bremen die Gelb-Rote Karte gesehen, ich habe in der Folgewoche gut trainiert, mich aufgezwungen und Julian hat mich dann gegen Mainz reingeworfen. In dem Spiel habe ich zwei Tore gemacht, wir haben 3:2 gewonnen und damit war das Thema eigentlich durch. Unser Verhältnis war vom ersten Moment an sehr, sehr gut.
Lag es auch daran, dass Nagelsmann nicht nur ein guter Trainer, sondern auch ein guter Mensch ist?
Uth: Auf jeden Fall. Er ist gedanklich sehr jung geblieben, das hast du immer wieder gemerkt. Julian hat in den Trainingsspielen regelmäßig mitgespielt, er ist nach den Einheiten noch auf dem Platz geblieben und hat ein paar Bälle aufs Tor gebolzt. Das war schon ein großer Unterschied zu anderen Trainern.
Ist Nagelsmann taktisch so gut wie sein Ruf?
Uth: Ja. Er sagt dir genau, wie du einen Gegner bespielen musst, um zu gewinnen. Am Anfang haben wir alle gedacht: Was erzählt der denn da jetzt? Aber in der Videoanalyse danach hat er uns bewiesen, dass er mit allem Recht hatte.
Brauchen Sie als Spieler eher klare taktische Vorgaben oder viele Freiheiten?
Uth: Eher die Freiheiten. Die Flexibilität zeichnet mich als Spielertyp aus.
Mark Uth: Statistiken bei S04, Hoffenheim und Heerenveen
Verein | Spiele | Tore | Torvorlagen |
FC Schalke 04 | 29 | 4 | 3 |
TSG 1899 Hoffenheim | 86 | 33 | 15 |
SC Heerenveen | 42 | 21 | 12 |
Heracles Almelo | 31 | 10 | 4 |
1. FC Köln II | 41 | 16 | 4 |
Uth: "Wurde vier Tage von der Presse angegangen"
Eine Verletzung beendete Anfang April Ihre erste Saison auf Schalke. Eine Saison, die für alle enttäuschend verlief. Besonders Manager Christian Heidel geriet für seine getätigten Transfers in die Kritik. Sie waren einer der Spieler, die er geholt hatte. Wie haben Sie die Diskussionen wahrgenommen?
Uth: Ich habe nie etwas Negatives über meinen Transfer gehört oder gelesen. Mir ist bewusst, dass ich keine gute Saison gespielt habe, aber das hat niemand von uns. Ich denke, man kann bei mir nicht von einem Transferflop sprechen. Ich bin noch lange nicht fertig auf Schalke.
Einer der Tiefpunkte für Sie persönlich war in der vergangenen Saison die Suspendierung im März, nachdem Domenico Tedesco zuvor vielsagend die "Charakterfrage" gestellt hatte. Sie sprachen danach von einem Verhältnis, das "sehr belastet" war. Haben Sie das mit ihm bereinigen können?
Uth: Kurz bevor er freigestellt wurde, haben wir uns über die ganze Geschichte unterhalten und das auch ad acta gelegt. Damit war das Thema durch.
Als Reaktion darauf, dass Sie Tedesco aus dem Kader gestrichen hatte, haben Sie das Training geschwänzt. Eine menschliche, aber keine professionelle Reaktion. Danach wurden Sie medial an den Pranger gestellt. Darf man als Fußballprofi Fehler machen?
Uth: Ich wurde vier Tage lang von der Presse hart angegangen. Ich hatte übrigens nicht mal eine komplette Trainingseinheit verpasst, sondern nur einen Teil davon. In dem Moment war mir einfach danach, ich bin ein sehr emotionaler Mensch und habe in diesem Moment dementsprechend reagiert. Aber natürlich war das ein Fehler und dass die Presse das dann aufgreift, ist auch klar.
Diskutiert man unter Profis, wie Medien mit den Fußballern umgehen?
Uth: Das ist schon ein Thema. Ich fand beispielsweise den Umgang mit Mario Götze schwierig, weil jeder auf ihn eingedroschen hat. Ich persönlich habe ja nur vier Tage etwas abbekommen und das hat schon an mir gekratzt, als - überspitzt gesagt - geschrieben wurde "Uth, das Charakterschwein, kommt nicht zum Training." Das ist echt nicht ohne. Man darf nicht vergessen, dass wir auch nur Menschen sind und auch Gefühle haben.
Was hilft in solchen Situationen?
Uth: Man hat Glück, wenn man eine Familie hat, die dann zu einem hält.
gettyMark Uth von S04: Medien? "Diese Angst schwingt mit"
An wen haben Sie sich in diesen vier Tagen gewandt?
Uth: An meine Eltern und Freunde. Ich habe auch viel mit meinem Berater gesprochen.
Inwiefern schwingt bei Begegnungen mit Medienvertretern die Angst mit, etwas Falsches zu sagen?
Uth: Diese Angst schwingt mit. Du machst dir schon Gedanken, was du sagen kannst und was eher nicht, du haust dann aus Vorsicht manchmal vielleicht eher ein paar Floskeln raus.
Als Sie sich vor Jahren für einen Wechsel zu Heerenveen entschieden haben, haben Sie mal gesagt, wie beeindruckt Sie von dem Publikum dort waren. Der Schalker Anhang gilt als sehr emotional, aber auch als sehr kritisch. Wie haben Sie das in Ihrer ersten Saison erlebt?
Uth: Die Fans auf Schalke sind überragend und natürlich möchte man die Erwartungen der Fans nicht enttäuschen.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Uth: Man ist demütig und nimmt es unterbewusst auf, auch wenn die Stimmung mal kippt und schlechter wird.
Gewöhnt man sich mit der Zeit daran?
Uth: Ich für meinen Teil schon. Es kann sich ja umgekehrt auch eine positive Energie entwickelt. Ich habe da das Spiel im Kopf, vor dem Rudi Assauer leider von uns gegangen ist. Das war das Pokalspiel gegen Fortuna Düsseldorf. Da haben wir in einer Szene Pressing gespielt, drei Leute sind dem Ball hinterhergejagt, einer ist reingegrätscht und plötzlich springen unsere Fans auf, schreien wie am Spieß und feuern uns an. Das ist das schönste Gefühl der Welt, da hatte ich Gänsehaut am ganzen Körper. Mit unseren Fans im Rücken können wir jeden schlagen.