BVB und die Trainerdiskussion um Lucien Favre: Warum eine Entlassung fatal für Borussia Dortmund wäre

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© getty

Borussia Dortmund hat in Person von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vor der Saison bewusst den Druck auf alle Beteiligten erhöht - und das merkt man ihnen jetzt an. Die Formkurve zeigt deutlich nach unten, Lucien Favre steht in der Kritik. Aber eine weitere vorzeitige Trainerentlassung wäre für den BVB fatal.

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Auf der einen Seite ist die Sache ganz einfach: Borussia Dortmund hat nach einem Viertel der laufenden Bundesligasaison drei Punkte Rückstand auf den anvisierten Platz an der Tabellenspitze. Der BVB ist noch im Pokal vertreten und hat auch in der Champions League weiterhin alle Trümpfe in der Hand, um das Ziel Achtelfinale zu erreichen. In dieser Hinsicht läuft also eigentlich alles nach Plan.

Was den bloßen Blick auf momentane Platzierungen und Zwischenstände auf der anderen Seite jedoch vehement erschwert, sind die spielerischen Darbietungen der Westfalen. Dort zeigt der Pfeil doch recht deutlich nach unten. Da tut auch der Einwand von Sportdirektor Michael Zorc nichts zur Sache, dass er bei der Berichterstattung den Eindruck bekommen habe, der BVB befände sich derzeit im Abstiegskampf.

Fakt ist vielmehr: Dortmunds teure und für viel Geld im Sommer verstärkte Mannschaft strahlt in den Partien keine Dominanz mehr aus, agiert uninspiriert und harmlos, spielt nur mit wenig Selbstvertrauen und wirkt bisweilen verunsichert. Kurz gesagt: Beim BVB befindet sich das Gros des Kaders weit entfernt von der Topform. Kritischer gesagt: Im gesamten Jahr 2019 ist kaum eine nennenswerte spielerische Entwicklung zu erkennen.

Traut man Favre einen baldigen Leistungsumschwung zu?

Es liegt daher in der Natur der Sache, dass bei solch stagnierenden Leistungen der Blick nicht nur auf die Spieler, sondern auch auf den Trainer gerichtet wird. Erst recht, weil Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke vor der Saison die Ansage machte: "Wir werden in die Saison mit der Maßgabe gehen, dass wir ohne Wenn und Aber um die deutsche Meisterschaft spielen wollen!"

Es ist richtig, dass dieses Ziel weiterhin zu erreichen ist. Spielt der BVB jedoch so bieder weiter, wie er sich schon seit Saisonbeginn präsentiert, wird es nicht annähernd zu erreichen sein. Die Frage, die Klub wie Umfeld beschäftigt, lautet: Traut man es Trainer Lucien Favre zu, für einen baldigen Leistungsumschwung zu sorgen und die Spieler wieder in die Spur zu bringen?

Die Verantwortlichen der Borussia beantworteten sie öffentlich mit einem eindeutigen Ja. Zorc stellte sich zuletzt gleich mehrfach hinter den Coach und empfahl, stattdessen lieber "die Mannschaft und das Spielerische" in den Fokus zu rücken. Doch Zorc weiß natürlich genau, dass damit Favres Verantwortungsbereich exakt umschrieben ist.

BVB nur zwei Punkte von Platz zehn entfernt

Zorc und auch Watzke werden genauso gut wissen, dass sie derzeit auch deshalb derart deutlich zu ihrem Trainer stehen können, weil in der Bundesliga kein einziges Team souverän auftritt oder tabellarisch enteilt ist. Wichtig wird nur sein, dass dies nicht so lange den Blick auf die Tatsachen vernebelt, bis plötzlich alle Felle davongeschwommen sind. Schließlich ist auch aktuell Platz zehn lediglich zwei Punkte entfernt.

Der Gegenwart übergeordnet steht die Tatsache, dass Favre letztlich das Gesamtpaket verkörpert, das von ihm schlichtweg zu erwarten war: Der Schweizer ist kein sprudelnder Vulkan, der emotionale Motivationsreden in der Kabine hält, sondern ein nüchterner Analytiker und fleißiger Workaholic, der seit Jahren kontrollierten Ballbesitzfußball predigt und seine Spieler siezt. Und der bei seinen vorherigen Stationen zunächst immer positiv überraschte, aber in der Folge Probleme damit hatte, den dadurch ausgelösten Erwartungen gerecht zu werden.

Hinzu kommt, was Watzke unmittelbar nach Saisonschluss im Mai verkündete. Man wolle "die Kommunikationsstrategie etwas mehr akzentuieren", ließ der BVB-Boss damals verlauten. "Auf alle Beteiligten soll der Druck ein bisschen erhöht werden."

Der Druck hat sich erhöht - und man merkt es allen an

Auch wenn Watzke während der USA-Reise im Juli schelmisch grinsend anmerkte, ihm sei klar gewesen, dass er in Sachen Titelwunsch "in der Folge jahrelang falsch zitiert werde", ist nun genau das eingetreten: Der Druck auf alle Beteiligten hat sich erhöht - und das merkt man ihnen an.

Man merkt es Favre an, der trotz aller Beteuerungen der Vereinsführung ganz offensichtlich eine andere Losung präferiert hätte. Man merkt es der Mannschaft an, die schon in der Rückrunde der Vorsaison nicht mit der Last umgehen konnte, den Vorsprung in der Tabelle nach Hause zu bringen.

Nicht zuletzt merkt man es auch Zorc und Watzke an, die sich entweder dünnhäutig in bissige Medienschelten versteigen oder zu einem fragwürdigen Zeitpunkt öffentlich kundtun, der BVB werde nie mehr einen solchen Trainer wie Jürgen Klopp bekommen.

Dessen Erbe langfristig zu regeln, dazu war man in Dortmund in den seither vier vergangenen Jahren nicht in der Lage. Auch spielphilosophisch nicht: Nach einem Ballbesitztrainer wie Thomas Tuchel erst Favre zu wollen, aber schließlich Peter Bosz zu verpflichten und dessen Offensivansatz zu propagieren, um ein Jahr später wieder Richtung Favres Fußball umzuschwenken, erscheint jedenfalls wenig stringent.

Nächste Trainerentlassung wäre für BVB fatal

Eine weitere vorzeitige Trainerentlassung nach der enttäuschenden Spielzeit unter Bosz und Interimscoach Peter Stöger 2017/2018 wäre für die Außenwirkung des Klubs daher fatal. Vor allem, wenn sie so zügig nach der Fast-Meistersaison vollzogen würde - nach einem Jahr, in dem der BVB allseits dafür gelobt wurde, auf dem Transfermarkt und in der Führungsstruktur durch die Hinzunahme von Sebastian Kehl und Matthias Sammer die richtigen Schlüsse gezogen zu haben.

Ein vorzeitiges Favre-Aus würde somit auch unweigerlich einen kritischen Blick auf die Entscheidungsträger lenken. Deren mögliche Alternativen zu Favre scheinen zudem beschränkt. Wie die Süddeutsche Zeitung zuletzt schrieb, kommen für Watzke keine aktuell unter Vertrag stehenden Trainer in Frage.

Der Watzke-Freund Jose Mourinho, der laut eigener Aussage derzeit deutsch lernt, ist sicherlich keine bloße Erfindung der Medien. Seine Herangehensweise an den Fußball stünde diametral zu der von Ralf Rangnick, den die Dortmunder Fanszene als ähnliches Feindbild auserkoren hat wie Dietmar Hopp und der deshalb als unvermittelbar gilt.

BVB hat sich fürs Erste an Favre gebunden

Rangnicks emotional-intensiver Spielstil wiederum würde besser zum Klopp-Sehnsuchtsort Dortmund passen als der eher defensiv orientierte, jedoch alles andere als unerfolgreiche Ansatz des Portugiesen. Frei wären auch Ex-Dortmunder Hannes Wolf oder der bei Feyenoord Rotterdam ziemlich erfolgreiche Giovanni van Bronckhorst, selbst Arsene Wenger ließe sich in die letztlich doch recht kurze Kandidatenliste aufnehmen.

Dass niemand dieser Übungsleiter wirklich in das Dortmunder Anforderungsprofil passt, liegt recht deutlich auf der Hand. Der BVB hat sich vielmehr, auch durch die Aussagen der letzten Tage, fürs Erste gewissermaßen an Favre gebunden. Ein baldiger Trainerwechsel scheint im Moment unrealistisch.

Tritt die Mannschaft in der unerbittlichen Abfolge wichtiger Spiele in nächster Zeit allerdings weiterhin so ungefährlich auf, wird das die bereits bestehenden internen Zweifel an Favre, mit dem erst im Juni bis 2021 verlängert wurde, freilich weiter verstärken.

Lucien Favre: Seine Statistik als Trainer beim BVB

WettbewerbSpieleSiegeUnentschiedenNiederlagenTorverhältnisPunkte
Bundesliga4327115101:5592
Champions League1152412:817
DFB-Pokal430112:109
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