Zum Ende der Hinrunde ist bei Borussia Dortmund ein Aufwärtstrend zu verzeichnen, doch für mehr fehlen weiterhin Souveränität und Kontinuität über 90 Minuten. Der BVB hat die Kurve noch nicht gekriegt - im Duell bei der TSG 1899 Hoffenheim (20.30 Uhr live auf DAZN und im LIVETICKER) könnte die Stimmungslage aber bedeutend positiv beeinflusst werden.
Beinahe seit sie bei Borussia Dortmund öffentlich gesagt haben, in dieser Saison gerne Deutscher Meister werden zu wollen, tun sie bei Borussia Dortmund alles, um diese Aussage einzuordnen. Man werde alles versuchen, dieses Ziel zu erreichen, lautet immer wieder der Einwand vonseiten des Klubs. Gerade in den tristen Wochen des Herbstes, als zwischen Oktober und November nur sechs Siege in zwölf Pflichtspielen gelangen.
Jetzt ist Winter und die Hinrunde endet für den BVB mit einem Gastspiel bei der TSG 1899 Hoffenheim am Freitag. Dorthin reisen die Schwarzgelben mit zuletzt vier Siegen aus fünf Partien, also mit neu aufgebautem Selbstvertrauen, aber nach dem verschenkten Sieg beim mitreißenden Spitzenspiel gegen Leipzig (3:3) auch mit dem Druck, im Kraichgau gewinnen zu müssen.
Zwar gastiert mit dem FC Augsburg so etwas wie die Mannschaft der Stunde bei Tabellenführer RB Leipzig, im schlimmsten Fall droht der Borussia zu Weihnachten allerdings ein Rückstand von stattlichen sieben Zählern auf Platz eins. Mehr als sechs waren es in dieser Spielzeit noch nie.
BVB: Eher Jäger als Gejagter?
Doch wer weiß, vielleicht ist dieses permanente Hinterherhecheln in der Tabelle eine Ausgangslage, mit der die Dortmunder besser umgehen können als mit der glänzenden Position, die sie vor genau einem Jahr innehatten. Damals stand der hochgelobte BVB nach 17 Partien mit sechs Punkten Vorsprung an der Spitze. Als im Kopf der Spieler jedoch immer mehr ankam, dass man nun etwas verlieren könnte, ließ der ansteigende Druck die Leistungen schwanken und die Titelträume zerplatzen.
Es scheint daher irgendwie eher zur Identität des BVB zu passen, sich wie im bald abgelaufenen Jahrzehnt quasi ständig geschehen im Understatement zu üben und in die Jägerrolle zu begeben, als forsche Ziele öffentlich auszugeben und Tabellenführungen mit Vehemenz und Konstanz zu verteidigen.
Letztlich steht am Ende dieser Hinrunde ein nach den zuvor teils mauen Leistungen beachtlicher Aufwärtstrend, der spieltaktisch mit der Umstellung des Systems auf ein 3-4-3 einhergeht. Das Dortmunder Aufgebot kommt nun viel ausbalancierter und strukturierter daher, auch wenn zwei Kantersiege gegen Düsseldorf (5:0) und Mainz (4:0) sowie ein Erfolg mit viel Dusel gegen Slavia Prag (2:1) nicht Auslöser vorzeitiger Jubelarien sein dürfen.
Was dem BVB fehlt: Souveränität und Kontinuität
Das hätte vielmehr die Partie gegen Leipzig sein können. Doch was in diesen spektakulären 90 Minuten am vergangenen Dienstag ablief, könnte auch als Abziehbild der bisherigen Ära von Trainer Lucien Favre beim BVB durchgehen. Erst lieferten die Schwarzgelben nämlich die mit den zweiten 45 Minuten im Heimspiel gegen Inter beste Halbzeit der Saison ab - ehe sie sich mit grotesken Patzern und einer fehlerhaften Entscheidungsfindung vor dem Leipziger Tor leichtfertig um den verdienten Lohn brachten.
Bricht man es herunter, sind es diese beiden Gesichter, die Dortmund unter Favre immer wieder zeigt: auf der einen Seite teils atemberaubender Offensivfußball, auf der anderen unerklärliche individuelle Aussetzer. Was fehlt, sind Souveränität und Kontinuität über 90 Minuten - und dies braucht es weniger gegen Düsseldorf und Mainz, sondern beispielsweise in den Duellen mit den Tabellennachbarn.
Der Mut in der Spieleröffnung, die gesunde Aggressivität gegen den Ball, die Passschärfe unter Gegnerdruck, die dynamischen Offensivrochaden, die häufigen Tiefenläufe oder die Zielstrebigkeit vor dem Kasten: All das war gegen RBL 45 Minuten lang nahe am Optimum und muss für diese Mannschaft des BVB der Maßstab sein, wenngleich es utopisch ist, eine solch tadellose Leistung alle drei Tage wiederholen zu können.
Dortmund hat die Kurve noch nicht gekriegt
Dass Dortmund seit den mahnenden Worten von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke auf der Jahreshauptversammlung vor drei Wochen, die Mannschaft müsse sich dringend straffen, nun endgültig die Kurve in dieser Saison bekommen hat, wäre allerdings eine verfrühte Diagnose.
Die Ergebnisse seitdem sind zweifelsfrei genauso positiv zu bewerten wie beispielsweise der von Favre bejubelte Umstand, dass der BVB auf das bittere Leipziger 2:2 eine prompte Antwort parat hatte und nicht in sich zusammenfiel, wie das noch im Herbst denkbar gewesen wäre.
Doch alle drei Treffer der Sachsen, für die Borussia auch schon die Gegentore Nummer 20 bis 22 in dieser Saison, waren Folge eklatanter Böcke einzelner Spieler. Das war bereits im Vorjahr zu beobachten, man erinnere sich exemplarisch nur an die lange Zeit ähnlich dominant geführten Partien gegen Hoffenheim (3:3) oder Bremen (2:2), als Drei- und Zwei-Tore-Führungen verdaddelt wurden.
BVB in Hoffenheim seit sechs Spielen sieglos
Auch wenn nicht von der Hand zu weisen ist, dass sich die zuletzt gezeigten spielerischen Darbietungen von denen des Herbstes um Längen positiv abheben, bleibt die stets anfällige Defensive Dortmunds Achillesferse. Ihre Stabilität steht in Hoffenheim ein letztes Mal in diesem Jahr auf dem Prüfstand. Seit sechs Spielen hat Dortmund nicht mehr bei der TSG gewonnen, sich dort immer schwergetan.
Gelingt zum Abschluss ein Dreier, hält Schwarzgelb in der Rückrunde noch alle Trümpfe in der Hand. Es wird ein Spiel, das die über weite Strecken der Vorrunde angekratzte Stimmungslage bedeutend positiv beeinflussen kann.