Peter Knäbel war viele Jahre in der Schweiz tätig, ehe er im April 2018 in seine Heimat in den Ruhrpott zurückkehrte. Dort arbeitet er seither als Technischer Direktor Knappenschmiede und Entwicklung beim FC Schalke 04, um die Jugendarbeit des Bundesligisten zu fördern.
Im Interview mit SPOX und Goal spricht Knäbel über die Jugendarbeit und das Scouting bei den Knappen und erklärt, was Trainer-Guru Norbert Elgert so einzigartig macht. Außerdem blickt der 53-Jährige auf seine Zeit beim Hamburger SV zurück, bei dem er von 2014 bis 2016 angestellt war.
Herr Knäbel, als Kind wohnten Sie mit Ihren Eltern in einem Haus in Blickweite zum Westfalenstadion, zudem verbrachten Sie zwischen 1974 und 1979 fünf Jahre als Jugendspieler beim BVB. Wie wird man vom Dortmunder zum Schalker?
Peter Knäbel: Wahrscheinlich hat mir der VfL Bochum, der geographisch dazwischen liegt und bei dem ich viele schöne Jahre als Profi verbringen durfte, dabei geholfen. Mit Schalke 04 bin ich durch meinen Ex-Trainer Helmut Schulte schon vor meiner aktuellen Tätigkeit näher in Berührung gekommen, als ich im Rahmen meiner UEFA Pro Lizenz bei Huub Stevens hospitieren durfte. Heute wohne ich in Essen und besuche auch dort gerne die Spiele der Regionalliga. Ich bin ein waschechter Ruhrpottjunge, der diese wunderbare Region liebt. Feindbilder habe ich nicht.
Seit April 2018 sind Sie wieder in Deutschland, nachdem Sie einen Großteil Ihrer beruflichen Laufbahn in der Schweiz verbracht haben. Was hat sich für Sie geändert?
Knäbel: Nicht viel. Ich habe mich schnell wieder an das Leben im Ruhrpott und an Schalke gewöhnt. Die Schweiz ist nach 20 Jahren aber auch ein großes Stück Heimat mit vielen Freundschaften und Beziehungen, die ich nicht missen möchte. Sprachlich zeigt sich das, wenn ich auf Schalke typisch schweizerische Begriffe wie "Dislozieren" (den Ort wechseln, Anm. d. Red.) benutze. Und wenn ich mit Freunden in der Schweiz spreche, bekomme ich oft zu hören: "Peter, warum sagst auf einmal so viel dat und wat?"
imago imagesPeter Knäbel: "Der HSV ist ein wunderbarer Verein"
Mit welchen beruflichen Gefühlen kamen Sie drei Jahre nach Ihrer weniger erfolgreichen Etappe beim Hamburger SV zurück nach Deutschland?
Knäbel: Ausschließlich mit positiven. Der HSV ist ein wunderbarer Verein aus einer wunderbaren Stadt, die ich vorher ja auch schon mal als Spieler bei St. Pauli genießen durfte. Was ich aus der Zeit mitnehme, sind 41 Punkte und Tabellenplatz zehn. Bei all den Herausforderungen, die wir damals hatten, standen wir kein einziges Mal auf einem direkten Abstiegsplatz. Durch die aktuelle personelle Konstellation mit Jonas Boldt als Sportdirektor und Dieter Hecking als Trainer bin ich noch mehr Fan als ohnehin schon.
"Technischer Direktor Knappenschmiede und Entwicklung" nennt sich Ihr Posten auf Schalke. Was kann man sich darunter vorstellen?
Knäbel: Eine Management-Aufgabe. Ich bin anders als beispielsweise während meiner Zeit beim FC Basel weiter weg vom Rasen. Die Leute, mit denen ich täglich zu tun habe, sind in erster Linie die Abteilungsleiter wie Matthias Schober, dem Leiter der Knappenschmiede, oder Gerald Asamoah, dem Manager der U23. Außerdem vertrete ich den Sport in unserem großen Infrastrukturprojekt Berger Feld und in der Entwicklung der Internationalisierung. Beides ist wahnsinnig interessant und inspirierend, weil man sich strategisch einbringen kann und hautnah mitbekommt, wie sich der Fußball beispielsweise in den USA oder China entwickelt.
FC Schalke 04Peter Knäbel: "Die eigene Region ist der wichtigste Markt"
Sind die USA und China Märkte, die Schalke in Sachen Scouting intensiv verfolgt?
Knäbel: Weston McKennie ist ja das perfekte Beispiel dafür, dass es in Übersee-Märkten spannende Spieler gibt. Die eigene Region, der sogenannte "Kreis 12" in Gelsenkirchen und Gladbeck, ist für uns aber der wichtigste Markt, von dem wir in den vergangenen Jahren sehr profitiert haben. Hier direkt vor der Haustür gibt es sehr viele talentierte Kinder und Jugendliche, denen wir eine Chance geben müssen. Wir brauchen diese starke Homebase schon bei den Kleinsten. Danach weiten wir unsere Sichtungskreise sukzessive aus, scouten im benachbarten Ausland und später auch auf anderen Kontinenten.
Wie sichert sich Schalke die besten Talente aus dem "Kreis 12"?
Knäbel: Wir suchen den Kontakt und die Mitarbeit im Kreis 12, weil es unsere Heimat ist. Die Talente aus unserem unmittelbaren Umkreis sollen über unsere Aktivitäten ab der U8 einen natürlichen Weg zum FC Schalke 04 finden. Zusätzlich pflegen wir aktuell die Kooperation mit elf weiteren Partnervereinen. Diese Vereine haben nicht nur aktuell gute Trainer in ihren Reihen, sondern auch über mehrere Jahre hinweg unter Beweis gestellt, dass sie Nachwuchsleistungszentren mit guten Spielern versorgen können. Zum Beispiel der FC Iserlohn, von dem Nassim Boujellab zu uns kam, als er 15 war. Wir wollen kontinuierlich und langfristig auf diese Partnerschaften setzen.
Gibt es solche Partnervereine auch im Ausland?
Knäbel: Nein, dazu stünden Aufwand und Ertrag in keinem sinnvollen Verhältnis. Wir treten im Ausland bislang in beratender Funktion auf und helfen Vereinen, ihre Nachwuchsarbeit zu entwickeln. Internationales Scouting im Jugendbereich macht ohnehin nur Sinn, wenn wir das Scoutingteam der Profimannschaft im Boot haben. Wenn wir schon einen Spieler von einem anderen Kontinent oder aus dem Ausland holen, dann mit dem klaren Ziel, ihn mittel- bis langfristig bei den Profis zu etablieren.
Kaum ein Verein in Deutschland schafft es so gut, Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu Profis zu machen. Was ist das Erfolgsgeheimnis der Knappenschmiede?
Knäbel: Das hat nicht allein, aber zu einem großen Teil mit Norbert Elgert und seiner Arbeit zu tun. Es ist schön, wenn man über zwei Jahrzehnte einen Experten wie ihn in seinen Reihen hat, der es wie kaum ein Zweiter versteht, junge Spieler besser zu machen. Neben dem Vertrauen, das wir unseren jungen Spielern geben, gehört aber auch die Notwendigkeit dazu, sie einzusetzen. Schauen Sie sich den FC Chelsea an, der wird wegen einer Transfersperre aktuell zu seinem Glück gezwungen, weil er viele Spieler aus der eigenen Jugend einsetzen muss und die es gar nicht so schlecht machen, wie viele vielleicht dachten. Bei uns ist es so, dass wir nicht über die ganz großen finanziellen Möglichkeiten verfügen, um uns Jahr für Jahr Spieler für mehrere Millionen Euro zu leisten. Umso wichtiger ist es, daran zu glauben, dass der eigene Nachwuchs Wesentliches zum Erfolg der Profis beitragen kann. Dieser Glaube ist bei uns vorhanden. Allein in der schwierigen vergangenen Saison haben fünf Spieler aus der Knappenschmiede ihr Debüt bei den Profis gefeiert. Ahmed Kutucu kam aus der U19, Nassim Boujellab, Jonas Carls, Haji Wright und George Timotheou aus der U23.
Von diesen Spielern ist aktuell aber niemand in der ersten Profi-Elf gesetzt.
Knäbel: Man kann nicht jedes Jahr einen neuen Leroy Sane herausbringen, der sofort Stammspieler und Leistungsträger wird und dir ein paar Jahre später 30, 40 oder 50 Millionen Euro einbringt. Auch ein Thilo Kehrer ist nicht direkt durchgestartet. Höhen und Tiefen sind bei jungen Spielern in diesem hoch kompetitiven Markt normal. Wichtig ist, dass wir die jungen Spieler, die ab und zu auch mal wieder in der U23 ranmüssen, auffangen und ihnen sagen: "Da ist eine Tür, ihr habt den Fuß drin, aber reingehen müsst ihr selbst. Wir schenken euch nichts, aber ihr könnt euch sicher sein, dass wir euch vertrauen."
gettyPeter Knäbel: "Norbert Elgert ist ein Glücksfall für den Verein"
Da Sie den Namen Norbert Elgert nannten: Ist er der Inbegriff für Empathie?
Knäbel: Das ist eine seiner großen Stärken. Norbert sieht in erster Linie den Menschen, der vor ihm steht und nicht nur den Fußballer. Für ihn endet die Arbeit auch nicht auf dem Platz oder in der Kabine, er interessiert sich auch für die Herkunft und das Umfeld seiner Spieler, er kennt ihre Familien. Warum? Weil er der Meinung ist, dass ein Fußballer in den Übergangsjahren vom Junioren- in den Profibereich nicht nur sportliche Herausforderungen meistern muss. Diese Meinung teile ich zu hundert Prozent.
Wie groß ist Elgerts Mitspracherecht in der Knappenschmiede?
Knäbel: Seine Meinung ist natürlich immer gefragt, wenn es darum geht, Positionen von Trainern zu besetzen. Einige Ex-Spieler von ihm werden ja auch Trainer und haben viel von ihm gelernt. Man kann ihm nur vertrauen und ihn zum Vorbild nehmen. Er ist ein Glücksfall für den Verein.
Peter Knäbel: U23-Abschaffung bei Schalke 04 kein Thema
Zur Knappenschmiede zählt auch die U23. Der DFB kritisierte zuletzt die Bundesliga-Vereine, die Ihre U23-Teams abschafften. Gab es eine solche Diskussion auch einmal auf Schalke?
Knäbel: Da der DFB die Abschaffung der U23-Mannschaften zulässt, kann er sich auch nicht beschweren, dass davon Gebrauch gemacht wird. Auch wir haben schon über dieses Thema diskutiert, aus unserer Sicht ist der Wert der U23 aber unverändert hoch. Wir haben das Glück, dass wir mittlerweile in der richtigen Liga spielen. Die Regionalliga West bietet attraktive Duelle von hoher sportlicher Qualität, die auch für einen Spieler, der von der ersten Mannschaft kommt, um Spielpraxis zu sammeln, intensiver ist als jede Trainingseinheit. Wir sind aber auch der Meinung, dass da noch mehr geht.
Das heißt, Sie peilen den Aufstieg in die 3. Liga an?
Knäbel: Nein, die jetzige Konstellation unter den gegebenen Rahmenbedingungen ist genau richtig. Für einen ruhigen Talentaufbau ohne den totalen Existenzdruck ist die Regionalliga West Gold wert. Wir können uns aber spielerisch noch entwickeln und wollen uns in dieser für uns neuen Liga weiter etablieren. In dieser Saison zählt erst einmal der Klassenerhalt.
Die Profi-Stationen von Peter Knäbel
Verein | Zeitraum |
VfL Bochum | 1984-1988 |
FC St. Pauli | 1988-1993 |
FC Saarbrücken | 1993-1994 |
TSV 1860 München | 1994-1995 |
FC St. Gallen | 1995 |
1. FC Nürnberg | 1995-1998 |
FC Winterthur | 1998-2003 |