Mats Hummels führt verbesserte BVB-Defensive an: Brenzlig soll's im Juni werden

Mats Hummels kam zu Beginn der laufenden Saison vom FC Bayern zurück zum BVB.
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Aufgrund der irrlichternden Defensive von Borussia Dortmund trat Mats Hummels im Laufe dieser Saison immer wieder als Mahner und Kritiker auf. In den letzten Wochen hat sich die Verteidigungshaltung des BVB stark verbessert - und Hummels selbst hat mit reihenweise guten Leistungen entscheidend zum "neuen Spirit" beigetragen.

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Man musste weder Lippenleser sein, noch eine besondere Interpretationsgabe in Sachen Mimik und Gestik mitbringen. Sah man bei Mats Hummels während oder nach nicht erfolgreichen Spielen von Borussia Dortmund genauer hin, war leicht zu erkennen, dass es den Innenverteidiger wahnsinnig machte, wie leichtfertig diese Partien teilweise abgegeben wurden.

Und es gab ja einige nicht erfolgreiche Spiele beim BVB in dieser Saison. Vor allem Phasen, in denen bis zu drei Pflichtspiele in Folge kein Sieg gelang. Das Hauptproblem dabei ist lang bekannt wie hinreichend thematisiert worden: Dortmunds irrlichternde Defensive. Im November setzte es gegen Bayern, Paderborn und Barcelona beispielsweise zehn Gegentore in Folge.

Es ist nicht möglich, Hummels bei der Fehlerhaftigkeit der BVB-Abwehrarbeit aus der Verantwortung zu nehmen. Er ist es schließlich, der die Defensive anführt. Auch dem 31-Jährigen unterliefen im Saisonverlauf individuelle Patzer, es haperte am Stellungsspiel und er verlor Zweikämpfe zu leicht.

Mats Hummels ist beständigster BVB-Abwehrspieler

Doch, und das ist die andere Seite der Wahrheit: Hummels war und ist mit Abstand Dortmunds beständigster Abwehrspieler in dieser Saison. Das konnte man vom teuersten Neuzugang der Vereinshistorie freilich auch erwarten. Es sind mittlerweile aber eine ganze Reihe an Spielen in dieser Saison zusammengekommen, in denen es die Borussia wohl deutlich schlimmer erwischt hätte, wäre Hummels nicht so konstant und konsequent aufgetreten.

Genau das ist es, was ihn ganz offensichtlich immer wieder zum Brodeln brachte: Konstanz und Konsequenz gehen den Westfalen schon seit längerer Zeit unter Trainer Lucien Favre immer wieder ab. Das betrifft nicht primär die Ergebnisse, Dortmund hat im Laufe der Spielzeit bereits acht Pflichtspiele in Folge nicht verloren. Aktuell steht man bei fünf Siegen am Stück, was die beste Serie der gesamten Saison bedeutet.

Es betrifft vor allem die Leistung der einzelnen Akteure, die mannschaftliche Geschlossenheit bei der Arbeit gegen den Ball sowie die Gier dafür, über 90 Minuten Dominanz auszustrahlen - mit und ohne Ballbesitz. Deshalb gab es bereits so einige Episoden, in denen ein innerlich angefressener Hummels vor die Mikrofone trat und - immerhin so diplomatisch es ihm möglich war - seine bekannte Rolle als Mahner und Kritiker ausfüllte.

Hummels hatte mit erhobenem Zeigefinger Recht

Das hörte sich dann unter anderem so an: "Teile von uns müssen im Spiel manchmal ein bisschen geweckt werden, das lässt sich leider nicht von der Hand weisen. Wir gehen manchmal in die Spiele und schauen erst einmal, wie es läuft. Wir legen manchmal den Schalter erst um, wenn es nicht mehr anders geht." Oder: "Es ist bei uns schon ein Thema in der Mannschaft, dass wir manchmal ein bisschen ruhig sind."

Solche klaren Aussagen befeuern besonders bei den eigenen, emotionalen Anhängern natürlich den Reflex, zu sagen: Der soll erst einmal bei sich selbst anfangen. Doch nüchtern betrachtet hatte Hummels mit dem erhobenen Zeigefinger eigentlich immer Recht. Er sprach damit häufig das an, was man weitläufig und vorschnell als Mentalitätsproblem bezeichnet.

Den Begriff "Mentalität" sind sie in Dortmund längst leid. Zu lange gibt es schon Debatten darüber, ob der Kader des BVB diese Eigenschaft besitzt oder nicht. Umso besser also, wenn es Hummels selbst ist, der dieselbe Thematik mit einen anderen Ausdruck umschreibt.

"Ganz neuer Spirit" beim BVB

Von einem "ganz neuen Spirit" berichtete Hummels am Wochenende im Anschluss an den wichtigen 2:1-Auswärtssieg bei Borussia Mönchengladbach. Es ist unumgänglich, Hummels auch hier zuzustimmen. Dieser Geist, um weg vom Anglizismus zu kommen, hat sich aber nicht automatisch durch die Systemumstellung auf 3-4-3 Ende November ergeben.

Er rührt daher, dass der gesamte BVB derzeit augenscheinlich eine ganz andere Konzentration an den Tag legt, was sich neben einer erhöhten Ballsicherheit vor allem in einer stark verbesserten Verteidigungshaltung äußert. Lediglich zwei Gegentore setzte es in den vergangenen 450 Pflichtspielminuten.

Hummels sagte in Gladbach, man habe sich dies im Training erarbeitet. "Wir haben einfach eine andere Herangehensweise. Wir haben den Fight angenommen, wir sind in die Zweikämpfe gegangen und haben uns nichts gefallen lassen. Das hätte vor ein paar Wochen sicher noch ganz anders ausgesehen." Einen "ganz, ganz großen Teil, mit ihrer Art, Fußball zu spielen" würden dazu die beiden Winter-Einkäufe Emre Can und Erling Haaland beitragen.

Hummels zuletzt mit reihenweise guten Leistungen

Die Kampfstärke und Entschlossenheit von Can und Haaland sind in der Tat Bestandteile, die Dortmunds Mannschaft zuvor zu regelmäßig abgingen, sie nun jedoch anzustecken scheinen. Das gilt gleichermaßen für den erfahrenen Hummels, der in seiner zentralen Position in der Dreierkette zuletzt reihenweise gute Leistungen ablieferte.

Die Rolle des 70-fachen deutschen Nationalspielers ist dabei nicht wie einst dadurch gekennzeichnet, dass er im Spielaufbau aus der ersten Reihe heraus andribbelt und mit präzisen Flugbällen oder Flachpässen das Mittelfeld zu überbrücken versucht. Hummels überzeugt nun mit Stärken gegen den Ball, die ihn seit jeher auszeichnen.

Seine Zweikampfführung ist resolut und konsequent, die Antizipation bärenstark - gerade beim frühzeitigen Erkennen von Spielsituationen und der richtigen Positionierung, um gegnerische Bälle in seine Richtung dann auch abfangen zu können, erreicht Hummels seit Jahren schon internationales Top-Niveau. Die vielen brenzligen Situationen, in die sich die BVB-Defensive im Laufe des Jahres brachte, haben Hummels und seine Mitspieler nun immerhin seit rund einem Monat auf ein verträgliches Niveau reduziert.

Hummels, Löw und ein DFB-Comeback zur EM?

Geht es nach Hummels, soll es erst im Juni wieder brenzlig werden - und zwar für Joachim Löw. Der Bundestrainer muss am 2. Juni die 23 Spieler bekanntgeben, die im finalen DFB-Kader für die EM 2020 stehen. Hummels, der laut eigener Aussage von seinem Aus in der Nationalmannschaft im März 2019 nicht überrascht wurde, "weil mein letztes Länderspiel davor vier Monate zurücklag", hat sich zu diesem Thema ein Schweigegelübde auferlegt.

Auch Löw mauerte dazu bislang bei jeder Gelegenheit und beschwor lieber seinen eingeschlagenen Verjüngungskurs. Es ist wahrlich keine steile These zu behaupten, dass Hummels in der Form, die er größtenteils in dieser Saison an den Tag legte, problemlos ein wichtiger Bestandteil des Kaders sein könnte - mindestens. Dem Vernehmen nach würde er eine entsprechende Bitte von Löw auch nicht ablehnen.

Erfolgt sie nicht, bräuchte es angesichts seines Ehrgeizes als Profisportler wahrscheinlich ebenfalls kaum Talent, um sich in Hummels' Gedanken hineinversetzen zu können.

Hummels: Leistungsdaten beim BVB in der Saison 2019/20

WettbewerbSpieleToreVorlagenMinuten
Bundesliga23131908
DFB-Pokal2--180
Champions League7--630
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