"Man kann den Menschen nicht Sport, Musik und Kultur dauerhaft vorenthalten. Und deswegen muss man sagen, wenn Leute nach dem Massentest der Regierung wieder in die Arbeit dürfen, dann sollte man auch Stadionbesucher mit Antikörpern in kleinen Zahlen und mit dem dann möglichen Abstand zwischen den Menschen ins Stadion lassen", sagte Sörgel dem SID.
"Warum sollten Menschen mit durchgemachter Infektion und Antikörpern nicht in kleinerer Anzahl ins Stadion gehen können?", fragte der 69-Jährige und benutzte das Beispiel "seines" Klubs 1. FC Nürnberg: "In unser Max-Morlock-Stadion könnten zum Beispiel 5000 bis 6000 Besucher gehen, dann wäre auf jeden Fall eine Minimalkulisse vorhanden. Und dann könnte man beim nächsten Heimspiel 5000 bis 6000 andere Zuschauer mit positiven Antikörpertests zulassen, und dann hätte man nach vier Heimspielen schon rund 25.000 Fans zufriedengemacht."
Sörgel hatte zuvor in einem Interview mit der Bild-Zeitung eine gezielte Untersuchung von Besuchern des bislang letzten Bundesliga-Spieltags gefordert, mit der die Virus-Ausbreitung in Deutschland genauer untersucht werden könnte. "Die Lage ist sehr, sehr ernst, und uns läuft immer mehr die Zeit davon. Die Klubs haben massenhaft Daten ihrer Anhänger. Sie könnten die Fans per Email anschreiben und zu einem Anti-Körper-Test aufrufen", sagte Sörgel der Bild.
Die Feststellung von gebildeten Immunitäten nach einer unwissentlichen Infizierung soll Rückschlüsse auf den Verbreitungsgrad des Virus ermöglichen. Der Vergleich von Stichproben bei 500 bis 1000 Fans pro Verein mit den Daten der Gesamtbevölkerung könnte demnach Erkenntnisse über die Dunkelziffer bei der Zahl der Infektionen liefern.
Sörgel: "Jetzt läuft die Zeit davon"
Im SID-Gespräch präzisierte der Wissenschaftler seine Forderung. "Dazu brauchen wir sofort die Daten aus den letzten beiden Spielen zwischen Mönchengladbach und Dortmund in der Bundesliga sowie Leipzig gegen Tottenham in der Champions League. Mir ist nicht klar, warum Chance um Chance vertan wurde. Man hätte schon vor zwei Wochen mit den Vorbereitungen beginnen können. Jetzt läuft die Zeit davon", sagte Sörgel.
Wenn man noch weiter warte, "werden die Besucher des letzten Bundesligaspieltages sich so mit dem Rest der Bevölkerung statistisch 'vermischt' haben, dass es schwierig wird, es in den Rechenmodellen herauszufiltern. Das wird von Woche zu Woche schwieriger. In sechs Wochen ist die Wahrscheinlichkeit, dass man nachweisen kann, dass es im Stadion passierte, gering. Aber genau das wollen wir ja wissen, wenn man den Betrieb wieder starten will".