"In Frankreich darfst du leben, wie du willst - hier nicht. Als ich kam, war ich eine Persönlichkeit, hatte Temperament und lachte gerne. Das alles wollte man zerstören, um mich den anderen gleichzumachen. Sie brachen meinen Stolz." Mit diesen gleichermaßen harschen wie vorwurfsvollen Worten rechnete Victor Ikpeba 2001 in einem Interview mit der L'Equipe mit dem BVB ab. Dem Verein, bei dem er zum damaligen Zeitpunkt wohlgemerkt noch unter Vertrag stand.
Michael Meier, seinerzeit Geschäftsführer bei den Westfalen, weist die Anfeindungen des Nigerianers Jahre später im Gespräch mit SPOX und Goal rigoros zurück: "Das ist völlig substanzlos. Er wurde genauso menschlich behandelt, wie es für alle Spieler bei Borussia Dortmund galt."
Eine Zukunft bei den Schwarz-Gelben hatte der erst zwei Jahre zuvor als Königstransfer von der AS Monaco präsentierte Stürmer folglich keine mehr. Ohnehin war Ikpebas Zeit in Dortmund von skandalösen Auftritten geprägt. Dabei wussten die Verantwortlichen von Anfang an, worauf sie sich einließen. Doch der Reihe nach.
1993 war es, da holte Arsene Wenger, damals noch in Diensten der Monegassen, den aufstrebenden Ikpeba vom belgischen Erstligisten RFC Lüttich ins Fürstentum. Der zu diesem Zeitpunkt 20-Jährige galt als Sturm-Talent mit großem Potenzial und war gerade erst zum besten afrikanischen Spieler der belgischen Liga gekürt worden.
Victor Ikpeba bei der AS Monaco: Getragen von der französischen Fußballelite
Bei den Franzosen entwickelte sich Ikpeba zu einem international anerkannten Torjäger, umgeben von Weltstars wie Thierry Henry, Emmanuel Petit, Fabian Barthez oder David Trezeguet. Mit der nigerianischen Nationalmannschaft gewann er bei den Olympischen Spielen 1994 die Goldmedaille und krönte sich 1996 zum Afrikameister.
Auch auf Vereins- und persönlicher Ebene war Ikpeba erfolgreich: 1997 steuerte er 13 Treffer zum Gewinn der französischen Meisterschaft bei, im selben Jahr durfte er sich Afrikas Fußballer des Jahres nennen. Ikpeba fühlte sich wohl, sportlich wie privat. Ob teure Sportwagen, pompöse Partys oder feinste Markenmode - er genoss das Leben im Glamour in vollen Zügen.
Ende der Neunziger war von Ikpebas sportlichem Glanz allerdings nahezu nichts mehr übrig, vielmehr sorgte er abseits des Platzes für Schlagzeilen. So beschimpfte er Wenger-Nachfolger Jean Tigana, bei dem er unlängst in Ungnade gefallen war, als Rassisten. Der Vorwurf: Tigana ziehe ihm Henry und Trezeguet nur aufgrund des Weltmeistertitels mit Frankreich vor. Auch in der Nationalmannschaft eckte Ikpeba an, warf den Verantwortlichen vor, ihn wegen seiner Stammeszugehörigkeit auszugrenzen. Zudem behauptete er, die Super Eagles seien in Mafiageschäfte verwickelt und wurde daraufhin suspendiert.
BVB holt Ikpeba und schickt Kampfansage an Bayern
Ein Verbleib im Fürstentum war im Sommer 1999 quasi ausgeschlossen. In Dortmund hielt man zeitgleich Ausschau nach einem neuen Torjäger, wurde Wunschkandidat Paulo Sergio von der AS Rom den Borussen doch ausgerechnet von Erzrivale FC Bayern München vor der Nase weggeschnappt. Ein Ereignis, das man nicht auf sich sitzen lassen wollte - das wiederum spielte Ikpeba in die Karten. Also präsentierte der BVB den Nigerianer schon bald als neuen Mann. Für die Dienste des 26-Jährigen griffen die Verantwortlichen für damalige Verhältnisse tief in die Tasche. Rund zwölf Millionen Mark überwiesen die Schwarz-Gelben an die Cote d'Azur.
Im Ruhrpott war man sich seinerzeit sicher, mit Ikpeba einen der größten Namen auf dem Markt verpflichtet zu haben und schickte prompt eine Kampfansage in die bayrische Landeshauptstadt. "Wollen wir doch mal sehen, wer den besseren Stürmer geholt hat", frohlockte Vereinspräsident Gerd Niebaum bei der Vorstellung des neuen Hoffnungsträgers.
Ikpebas Wechsel zum BVB: Fortsetzung folgt
Auch die jüngsten Vorfälle in Monaco schreckten die BVB-Bosse nicht ab. Vielmehr bekräftigten sie, sich mit solchen Verhaltensweisen auszukennen.
Es sollte nur wenige Wochen dauern, ehe man sich eines Besseren belehrt sah. Zur Vorbereitung erschien Ikpeba in einer körperlich schlechten Verfassung. Nachdem er in den ersten Spielen der Saison 1999/2000 nicht überzeugte, strich ihn Cheftrainer Michael Skibbe aus der Startelf. Das nahm der Profi zum Anlass, zu einer Trainerschelte auszuholen. "Ich habe das Gefühl, dass sie mich reingelegt haben", tobte Ikpeba im Gespräch mit dem damaligen Sportsender DSF: "Vielleicht hat der Trainer ja keine Verwendung für mich. Dann sollte er mir das sagen. Dann kann ich versuchen, woanders hinzugehen."
Während Ikpeba nach eigener Aussage in Monaco wie ein "kleiner Gott" verehrt worden war, sei er in Dortmund "ein Niemand" ohne Vertrauen seitens des Klubs. Der Unmutsbekundung folgte eine Strafe über 15.000 Mark sowie die Verbannung auf die Tribüne für die Partie gegen Eintracht Frankfurt.
Zwar zeigte Ikpeba eine Reaktion und traf in der Folgewoche gegen Hansa Rostock gleich doppelt, doch wer meinte, er hätte aus seinen Fehlern gelernt, wurde schnell von der Realität eingeholt. Auf eine verbale Auseinandersetzung mit Andreas Möller in der Halbzeitpause des Spiels gegen Arminia Bielefeld folgte eine körperliche im Training mit Sead Kapetanovic. Auch mit dem Gesetz geriet Ikpeba aneinander, wurde wegen Beamtenbeleidigung angezeigt, nachdem er bei einer Polizeikontrolle angeblich Rassismusvorwürfe äußerte. "Sie haben mich wie einen Hooligan behandelt. Ich weiß nicht, ob sie das mit einem Weißen auch getan hätten", wetterte Ikpeba hinterher öffentlich.