Das laufende Jahr ist zwar noch nicht beendet, doch auch 2022 ist nicht mehr allzu weit entfernt. Daran wird man auch bei Borussia Dortmund schon Gedanken verschwendet haben. Zumindest, wenn in der hektischen Kurzfristigkeit, die ein Trainerwechsel mit sich bringt, einmal Zeit für einen etwas weiteren Blick in die Zukunft sein sollte.
Mitte 2022 laufen die kürzlich erst verlängerten Verträge von Sportdirektor Michael Zorc, seinem wahrscheinlichen Nachfolger und aktuellen Lizenzspielerchef Sebastian Kehl sowie am Jahresende der von Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke aus. Auch die Amtszeit von Präsident Reinhard Rauball endet dann. Bis dahin muss der BVB also noch einige Weichenstellungen vornehmen, um den Klub langfristig auf ein fruchtbares Fundament zu stellen, das auch unabhängig von den derzeit Verantwortlichen funktioniert.
Sehr helfen würde dabei, wenn es auf der innerhalb eines Profiklubs wohl wichtigsten Position funktioniert - der des Trainers. Die Suche nach einem neuen Chefcoach, auf der sich die Borussia nach der Entlassung von Lucien Favre befindet, verknüpft ja immer Gegenwart und Zukunft - in diesem Fall eben auch über den Sommer 2021 hinaus, wenn nach momentanem Stand der Neue in Dortmund aufschlagen soll.
Diese Personalie wird stark mitentscheidend dafür sein, ob sich der BVB aus der selbst eingebrockten Malaise der vergangenen Jahre befreien kann. Trotz der sportlich freilich ordentlichen Ausbeute mit einem DFB-Pokalsieg und drei Vizemeisterschaften seit dem Ende der Ära Jürgen Klopp vor fünf Jahren ist es der Vereinsführung nicht gelungen, dessen Erbe nachhaltig zu regeln und dem Verein ein neues Gesicht, eine neue Identität zu geben.
BVB: Reihenfolge bei der Trainersuche muss stimmen
Die Borussia sollte nun zeigen, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit die richtigen Ableitungen getroffen hat. Es gibt genügend Klubs, die bei der Auswahl des Trainers eine falsche Reihenfolge wählen. Diese muss aber grundsätzlich zwingend stimmen.
Der BVB sollte sich jetzt sehr klar darüber werden, für welchen Fußball er künftig stehen möchte, welche Werte damit transportiert werden sollen und wie die Persönlichkeit des Trainers beschaffen sein muss, um dies zu vermitteln. Er muss in der Lage sein, für Disziplin zu sorgen und eine neue Begeisterung bei der Mannschaft sowie einem zuletzt immer kritischeren, teils lethargischen Umfeld zu wecken.
Erst wenn diese Leitlinien deutlich definiert sind, müsste man sich mit möglichen Trainerprofilen beschäftigen. Mittlerweile fünf Chefcoaches seit 2015 beweisen, dass hier zuletzt einiges im Argen lag. Dazu passt auch die Tatsache, dass Dortmund Favre bereits 2017 holen wollte, sich letztlich aber für Peter Bosz entschied - obwohl beide sehr unterschiedliche Philosophien vertreten.
Die Amtszeit von Favre verdeutlichte zudem, dass ein abwartend-kontrollierter Fußball in Kombination mit einer zurückhaltenden Trainerpersönlichkeit in Dortmund nicht gewollt ist. Ein polarisierender Klub wie der BVB benötigt vielmehr eine Prise Heavy Metal, positive Aggressivität und reichlich Emotion.
Längst beschlossenes Favre-Aus als Vorteil für den BVB?
Das klingt gewiss nach Klopp, doch es wäre utopisch, einer Kopie von ihm nachzueifern. Einen Trainer zu finden, der eine ähnliche Mixtur wie Klopp, dennoch seine eigene Herangehensweise anbietet, könnte allerdings helfen, das mittlerweile verblasste BVB-Gefühl vom Beginn der 2010er-Jahre wiederaufleben zu lassen.
Es erstaunt daher nicht, dass Zorc am Montag bei der Vorstellung von Interimscoach Edin Terzic betonte, dieser lege "die nötige Emotionalität an den Tag, die es bei Borussia Dortmund natürlich auch immer braucht". Auch eine Aussage von Terzic ließ klare Unterschiede zu Favres Philosophie erkennen: "Ich bin dafür, dass wir bereit dafür sind, ein Tor mehr zu schießen als der Gegner."
Als Vorteil für die BVB-Verantwortlichen könnte sich herausstellen, dass das Aus von Favre zum Saisonende intern schon lange beschlossen war. Der auslaufende Vertrag mit dem Schweizer wäre trotz öffentlich anderslautender Kommunikation nicht verlängert worden. Daher verging bereits einige Zeit, in der sich die Dortmunder Gedanken über die Nachfolge machen konnten.
BVB-Gerüchte um Marco Rose passen ins Bild
Die sofort aufkommenden Gerüchte um Marco Rose passen dabei ins Bild. Der Trainer von Borussia Mönchengladbach könne sich die Aufgabe bei der anderen Borussia vorstellen, heißt es.
Der 44-Jährige verfolgt eine klare Idee vom Fußball, die von einer großen Konsequenz im Spiel mit und gegen den Ball geprägt ist. Roses Konzept vereint Einflüsse von Klopp, Ex-BVB-Coach Thomas Tuchel sowie der Red-Bull-Philosophie von Ralf Rangnick: aggressiv, laufstark, entschlossen, nach vorne gerichtet. Sein Spielstil ist ein emotionaler, aber kein starrer, er kann auch anpassungsfähig und variabel sein.
Roses Erfolge der vergangenen Jahre sprechen für sich, Gladbach führte er kürzlich erstmals seit 1977 ins Achtelfinale der Champions League. Er ist zudem ein eloquenter, auf dem Platz wiederum leidenschaftlicher Typ, der sich und seine Inhalte gut verkaufen kann.
Darum muss Dortmunds nächster Schuss sitzen
Das Gesamtpaket Rose käme den skizzierten Anforderungen jedenfalls schon recht nahe - sollte man sich beim BVB für solche Eigenschaften entscheiden. Klar ist: Dortmunds nächster Schuss auf der Trainerposition muss sitzen.
Mit RB Leipzig kristallisiert sich immer mehr ein Klub heraus, der Dortmunds Anspruch, die Nummer zwei in Deutschland und erster Jäger des FC Bayern zu sein, nachhaltig streitig macht. Noch stärker als momentan in Leipzig gehört es zum Geschäftsmodell der Borussia, regelmäßig junge und in Europa begehrte Ausnahmetalente für sich zu gewinnen.
Dies lässt sich aber nur aufrecht erhalten, solange eine beständige Teilnahme an der Champions League und die Konkurrenzfähigkeit im Kampf um nationale Titel garantiert ist. Es geht also um weit mehr als darum, dass Watzke und Zorc eines Tages sorgenfreier abtreten können. Es geht darum, wie Borussia Dortmund seine über Jahre erarbeitete Position im In- und Ausland verteidigen kann.
BVB: Die Spiele bis zum Jahresende im Überblick
Datum | Uhrzeit | Wettbewerb | Gegner | Ort |
15.12.2020 | 20.30 Uhr | Bundesliga | Werder Bremen | Auswärts |
18.12.2020 | 20.30 Uhr | Bundesliga | Union Berlin | Auswärts |
22.12.2020 | 20.00 Uhr | DFB-Pokal | Eintracht Braunschweig | Auswärts |