Ron Merz ist lebenslanges VfB-Mitglied, betreibt den VfB-Podcast "Nachspielzeit" und ist 1. Vorstand des VfB-Fanclubs "OFC1893". Im Interview mit SPOX und Goal spricht Merz über den Clash zwischen Präsident Claus Vogt und dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger.
Außerdem erklärt Merz, was er mit seinem Satzungsänderungsantrag erreichen will und was er sich für die Zukunft des Vereins wünschen würde.
Herr Merz, sportlich hat eine VfB-Mannschaft seit langem nicht mehr so viel Spaß gemacht, vereinspolitisch gibt der VfB dagegen ein desaströses Bild ab. Wie würden Sie aktuell Ihr Verhältnis zum VfB beschreiben?
Ron Merz: Der Beziehungsstatus ist kompliziert, das trifft es derzeit ganz gut. Das Verhältnis ist wirklich sehr ambivalent. Auf der einen Seite die vielzitierte junge Mannschaft, die so viel Spaß macht und uns Gefühle gibt, die man als VfB-Fan so lange nicht mehr hatte. Und auf der anderen Seite die vereinspolitischen Abgründe, die immer nur noch schlimmer werden. In dieser Woche ist wieder so viel passiert - das ist enorm anstrengend und nimmt einen auch mit.
Die neueste Bombe ist der Zwischenbericht der Ermittler von der Kanzlei Esecon in der Datenaffäre, der bestätigt, was Präsident Claus Vogt bereits sagte. Die Arbeit soll torpediert worden sein, der VfB soll versucht haben, zu vertuschen. Inklusive Thomas Hitzlsperger, der immer betont hatte, sehr wohl eine umfassende Aufklärung anzustreben. Was sagt dieser Bericht für Sie aus und läuft es jetzt auf einen baldigen großen Knall hinaus?
Merz: Ausgehend von der Annahme, dass die aktuell bekannten Inhalte des Berichtes der Wahrheit entsprechen, wäre es für mich unumgänglich, ähnlich wie nach Bekanntwerden der Datenaffäre, entsprechende personelle Konsequenzen zu ziehen. Wenn es tatsächlich so ist, dass die im Bericht namentlich genannten Personen aktiv die Untersuchung behindert oder bei einer Verschleppung mitgewirkt haben, dann führt für mich kein Weg an einer kurzfristigen Freistellung und Entbindung von ihren Aufgaben vorbei. Hier ist der Aufsichtsrat gefordert, sich schnell mit der Sachlage vertraut zu machen und darauf basierend entsprechend zu handeln. Sollte es so weit kommen, dann hätten wir den großen Knall. Fast noch mehr mache ich mir aber aktuell Sorgen, warum die Untersuchungen so blockiert wurden. Was schlummert da noch in den Giftschränken, das auf keinen Fall in die Öffentlichkeit gelangen soll? Sind es persönliche Verfehlungen oder könnte sogar der Verein in Schwierigkeiten kommen? Stand jetzt wissen wir es nicht, aber die nun aufgedeckten Vorgänge lassen ein mehr als mulmiges Gefühl zurück.
Natürlich dreht sich aktuell alles um die Auseinandersetzung zwischen Hitzlsperger und Vogt. Aber VfB-Mitglieder müssen sich schon seit viel längerer Zeit hintergangen fühlen, wenn man vor allem an die Amtszeit von Wolfgang Dietrich zurückdenkt.
Merz: Ich weiß, dass das nicht für alle Fans und Mitglieder gilt. Es gibt natürlich diejenigen, die sich einfach nur am Sport erfreuen wollen. Das ist auch in Ordnung. Aber alle, die sich tiefer mit dem VfB und der Vereinspolitik beschäftigen, haben in den vergangenen Jahren tiefe Narben davongetragen. Wir sind gebrannte Kinder. Denken wir nur an die Kampagnen rund um die Ausgliederung zurück, oder an die Kampagnen im Vorfeld der denkwürdigen Mitgliederversammlung 2019, als durch die Presse gegen die organisierte Fanszene gehetzt wurde. Das hat bei uns niemand vergessen. Das Schlimme ist, dass wir im Jahr 2020 so froh waren, dass sich die Dinge eigentlich in eine gute Richtung entwickelt hatten. Und jetzt sind wir wieder so tief gefallen. Da kommen vor allem die Erinnerungen an die Dietrich-Zeit wieder hoch.
Inwieweit sind das aktuell auch die Nachwehen dieser Zeit?
Merz: Wir spüren definitiv die Nachwirkungen. Auch wenn ich nur von außen draufschauen kann und ich nicht den vollumfänglichen Einblick habe, gerade in die Unterlagen der AG, scheint klar, dass bei der Ausgliederung handwerkliche Fehler in der Satzung gemacht wurden. Ob mutwillig oder aus Unwissenheit, das kann ich nicht beurteilen. Das große Problem war, dass man ein Konstrukt hatte, dass nur dann funktionierte, solange der Präsident Dietrich hieß. Wenn jemand das Amt so ausführt wie er, mit dem umfassenden Anspruch, Dinge bestimmen und durchsetzen zu können, dann geht das. Aber jetzt ist Dietrich weg und die ganzen Probleme und offenen Fragen der Verzahnung zwischen Verein und AG treten zu Tage. Dazu kommt, dass wir inzwischen eine Konstellation mit einem Präsidenten und einem Vorstandsvorsitzenden in der AG haben - die gab es damals auch noch nicht. Kurzum: Es ist höchste Zeit, Zuständigkeiten genauestens zu klären. Es gibt manche Leute im Verein, die sich wohl schon darüber aufregen, wenn der Präsident einem Spieler zum Geburtstag gratuliert, weil sie es als Einmischung verstehen. So weit sind wir schon. Ich will, dass die entstandenen Defizite in der Satzung bereinigt werden, dass klare Leitplanken für die Verantwortlichkeiten gesetzt werden. Deshalb habe ich einen Satzungsänderungsantrag gestellt.
spoxMerz: "Hitzlsperger fehlt ein Stück weit die Lebenserfahrung"
Sie wollen, dass zukünftig niemand, der bereits dem Präsidium oder dem Vereinsbeirat des e. V. angehört, eine "ehrenamtliche oder bezahlte Tätigkeit oder Funktion innerhalb der VfB Stuttgart 1893 AG und deren Tochtergesellschaften ausüben" darf. Mit Ausnahme der Vertretung des e.V. im Aufsichtsrat der AG durch Mitglieder des Präsidiums. Warum haben Sie sich entschieden, den Antrag zu stellen?
Merz: Ich beschäftige mich schon seit längerer Zeit mit dem Thema Vereinspolitik, es ist eines meiner Steckenpferde. Die Bewerbung von Thomas Hitzlsperger für das Präsidentenamt war dann so was wie ein Katalysator für mich. Dazu kam, dass ich mich im vergangenen Jahr in der Arbeitsgruppe "Zukunft Profifußball" beschäftigt und mich darin viel mit dem Thema Mitgliederbeteiligung auseinandergesetzt habe. Das war eine sehr gewinnbringende Erfahrung für mich, die mir auch das Selbstbewusstsein gegeben hat, diesen Antrag zu stellen. In der Summe aller Faktoren war mir irgendwann klar, dass es mir nicht reicht, zu dem Thema einen Blog zu verfassen oder Tweets abzusetzen. Sondern dass ich im Rahmen dessen, was die Satzung Mitgliedern ermöglicht, aktiv werden will. Mitglieder haben gewisse Pflichten, sie haben aber auch gewisse Rechte. Wenn man den Bedarf sieht, diese zu nutzen, sollten wir das auch tun. Das ist hier der Fall.
Wichtig zu betonen ist, dass das unabhängig von Personen zu betrachten ist. Es fokussiert sich viel auf den Kampf Hitzlsperger vs. Vogt, aber es geht Ihnen gar nicht um die Person Hitzlsperger. Der Punkt, den Sie machen, ist: Niemand darf gleichzeitig Vorstandsvorsitzender der AG und Präsident des e.V. sein.
Merz: Genau. Jeder Verein, oder auch jedes Unternehmen, muss personenunabhängig funktionieren. Gerade im Sport wissen wir ja, wie schnelllebig da Geschäft ist. Umso mehr ist eine Ämterhäufung oder eine Vermischung abzulehnen und schädlich für den Verein. Ich habe in letzter Zeit häufiger das Argument gehört, dass es für uns Mitglieder doch super und nur gut für unseren Einfluss wäre, wenn eine Person alles in einem ausfüllt. Ich muss ehrlich sagen, dass ich diese Vorstellung für sehr idealisiert halte. Meine Erfahrung, ob mit dem VfB oder aus dem eigenen Berufsleben, lehrt mir, dass Personen im Zweifel andere Ziele verfolgen, als den Mitgliedern unbedingt zu ihrer Teilhabe zu verhelfen. Thomas Hitzlsperger ist das beste Beispiel. Bis zum 30. Dezember hatte er astronomisch hohe Sympathiewerte. Und er hat ja auch ohne Zweifel einiges für den VfB geleistet, niemand will das in Abrede stellen. Aber wir haben gesehen, wie sich die Situation selbst dann entwickeln kann. Was machen wir erst, wenn als Nächstes jemand wie Martin Kind in den Verein kommt? Plötzlich würde es niemand mehr für eine gute Idee halten, dass eine Person alles bestimmt. Deshalb versuche ich immer, die Motivation für meinen Antrag von der aktuellen Auseinandersetzung zu abstrahieren.
Dennoch stehen Hitzlsperger und Vogt natürlich im Fokus. Ein Grund für den tiefen Riss scheint eine komplett unterschiedliche Vorstellung zu sein, wie man den VfB führen will. Überspitzt formuliert trifft CEO-Manager-Denke auf den romantischen Ansatz von jemandem, der seine Präsidentschaft vor allem als Herzensangelegenheit sieht. Auch wenn beide das Beste für den VfB wollen: Weiter entfernt kann man nicht vom anderen sein, oder?
Merz: Das ist absolut ein ganz entscheidender Punkt. Dazu kommt, dass beide Anfänger in ihrer jeweiligen Rolle sind. Claus Vogt war noch nie Präsident und Thomas Hitzlsperger war vor wenigen Jahren gerade mal Berater des Vorstands. Jetzt ist er der große Boss. Beide müssen in ihrer Rolle dazulernen. Und Hitzlsperger fehlt im Gegensatz zu Vogt meinem Eindruck nach ein Stück weit die Lebenserfahrung. Er hat als Spieler vieles erlebt, aber Vorstandsvorsitzender zu sein, Umstrukturierungen anzugehen und Menschen enttäuschen zu müssen - das ist eine ganz andere Ebene. Ich glaube, dass auch dieses Anfängertum dazu führt, dass noch mehr Gerangel herrscht und jeder versucht, seinen Bereich abzustecken.
Hitzlsperger will den VfB zu einem modernen Fußballunternehmen machen und sieht Vogts Romantik offenbar eher hinderlich und nicht mehr zeitgemäß. Was würden Sie Hitzlsperger entgegen?
Merz: Ich habe mein Herz nicht an ein Unternehmen verloren. Ich habe mein Herz an einen Verein verloren. Das würde ich mir gerne erhalten. Ich weiß sehr wohl und bin Realist genug, dass sich gewisse Entwicklungen nicht mehr aufhalten werden. Es rennen auf dem Feld keine elf Freunde herum, die nach jedem Training einen Kasten Bier leeren - das war vielleicht früher mal so. Trotzdem finde ich es wichtig, dass wir dafür kämpfen, dass gewisse Grenzen gesetzt und gewisse rote Linien nicht überschritten werden. Wenn Hitzlsperger davon spricht, dass ein Traditionsverein wie der VfB mit den schwierigen Strukturen zu kämpfen hat, finde ich diese Aussage maximal bedenklich. Wenn ich ein Romantiker bin, nur weil ich das Mitspracherecht der Mitglieder für unverhandelbar halte, dann bin ich es gerne. Ich muss auch sagen, dass es von einer immensen Naivität zeugt, sollte Hitzlsperger tatsächlich davon überrascht sein, wie negativ seine Kandidatur aufgenommen wurde und wie die Strömungen unter vielen Mitgliedern so sind. Er hat die ganze Dietrich-Zeit mitbekommen. Er stand mit auf der Bühne beim WLAN-Gate und hat eine Rede gehalten. Er weiß genau, wie die Stimmung war und ist. Vielleicht hat er es aber auch einkalkuliert, ich weiß es nicht.
Wie haben Sie seine Entschuldigung aufgenommen?
Merz: Ich fand seine Entschuldigung sehr künstlich und oberflächlich. Sein Brief ist nach wie vor online. Wenn es ihm so ernst mit der Entschuldigung ist, warum wird der Brief nicht runtergenommen? Und 14 Tage für diese Entschuldigung zu brauchen, ist lächerlich. Wir wissen auch gar nicht, ob er sich überhaupt persönlich bei Claus Vogt entschuldigt hat? Er steht nach der Entschuldigung eher nochmal schlechter da als vorher, kaum jemand hat sie ihm abgenommen. Sie wirkt nicht ehrlich und ohne gleichzeitigen Rückzug der Bewerbung ist sie auch nichts wert.
Wie erklären Sie sich dann Hitzlspergers Vorgehen?
Merz: Sein ganzes Verhalten ist mir nach wie vor ein Rätsel. Er betonte bisher vehement, die Aufklärung zu wollen, gleichzeitig hat er sich so vehement für Oliver Schraft (bisheriger Direktor Kommunikation des VfB, Anm. d. Red.) eingesetzt, obwohl dieser eine der zentralen Personen in der Causa ist. Er schreibt diesen maximal scharfen und beschädigenden Brief, mit dem er ja Claus Vogt nicht nur als Präsidenten angreift, sondern auch persönlich und als Unternehmer, wenn wir an die Vorwürfe wie Budget nicht im Griff oder schlechtes Projektmanagement denken. Und dann kommt so ein lauwarmes Zurückrudern. Auch das passt nicht. Genauso wenig wie, dass so ein gewandter Kommunikationsprofi vom Gegenwind nach seinem Brief überrascht ist. Die einzige Erklärung ist und bleibt, dass Vogt zum sofortigen Rücktritt genötigt werden sollte. Das ist aber gründlich schiefgegangen.
Merz: "Das war ein wichtiger Beitrag von Mislintat"
Auch das Drohszenario, dass die Existenz des Vereins auf dem Spiel steht, scheint verpufft.
Merz: Diese Drohszenarien sind beim VfB ein oft gewähltes Mittel, aber es ist tatsächlich sehr ermüdend und ich kann das auch nicht mehr ernst nehmen. Uns wurde bei der Mitgliederversammlung auch schon gesagt, dass ohne Dietrich das Chaos ausbrechen würde. Auch das ist nicht passiert. Ich fand es in dem Zusammenhang sehr bemerkenswert, dass Sven Mislintat jetzt deutlich gemacht hat, dass er sich nicht Personen, sondern dem VfB verschrieben sieht. Das ist auch für die Diskussion um meinen Antrag sehr hilfreich, weil es allen, die Sorge haben, dass ohne Hitzlsperger auch Mislintat weg ist und alles zusammenbricht, den Wind aus den Segeln nimmt. Aus meiner Sicht war das ein extrem wichtiger Beitrag von Mislintat.
gettyWie beurteilen Sie denn die Arbeit von Vogt bis jetzt? In gewisser Weise scheint er ja seine Arbeit unfassbar gut zu machen, sonst wäre alles nicht so eskaliert. Auf der anderen Seite kann eine gewisse konstruktive Kritik ja auch angebracht sein.
Merz: Das muss man wohl so sehen, dass er seinen Job gut machen muss, sonst wäre die Lawine nicht losgetreten worden. Generell stört es mich, wenn von Vogt ein Bild des kleinen Unternehmers gezeichnet wird, der komplett neu im Fußball ist und nicht weiß, was er tut. Vogt ist alleine durch sein Engagement beim FCPlayFair gut vernetzt und war auch vorher beim VfB zum Beispiel ja schon im Mitgliederausschuss. Natürlich ist der VfB seine Herzensangelegenheit, aber da steckt schon noch ein bisschen mehr dahinter. Vogt wurde in erster Linie ja gewählt, um der Gegenentwurf von Dietrich zu sein. Das hat er bis jetzt zu hundert Prozent erfüllt.
Aber bei vielen Projekten stockt es.
Merz: Wir müssen nicht darüber sprechen, dass Corona natürlich ein großer Faktor ist, warum einige Projekte noch nicht so weit fortgeschritten sind wie erhofft, gerade die Themen Frauenfußball und Fan-/Mitgliederbeteiligung. Ich gebe aber gerne zu: Ich hätte mir auch gewünscht, dass wir an ein paar Stellen schon weiter wären, das läuft schon sehr zäh. Ich weiß aber auch nicht, inwiefern Vogt eventuell intern auf Hindernisse gestoßen ist, oder ob manche Sachen schon weiter sind, aber vom VfB nicht kommuniziert wurden. Das ist ja beim VfB auch immer denkbar. Am wichtigsten ist es, dass Vogt es - zusammen mit Hitzlsperger - geschafft hat, wieder eine Verbindung zwischen Fans und Verein herzustellen. Das ist extrem viel wert.
Sie haben vorhin Ihre Arbeit in der Arbeitsgruppe "Zukunft Profifußball" angesprochen. Da geht es ja auch um eines von Vogts zentralen Themen, nämlich mehr Mitsprache für die Mitglieder. Wie könnte "mehr Mitsprache" konkret aussehen?
Merz: Der Punkt Fan- und Mitgliederbeteiligung ist für mich im Gegensatz zu anderen Bereichen wie der Entwicklung hin von eingetragenen Vereinen zu Kapitalgesellschaften, wo der Zug abgefahren ist, wirklich noch ein Hoffnungsschimmer. Es muss das Ziel, so eine Mitgliederabteilung zu installieren und einen Vorsitzenden zu wählen, der dann auch einen Sitz im Aufsichtsrat bekommt. Auch um anderen Playern wie der DFL, dem DFB oder Vereinen auf Augenhöhe begegnen zu können. Wenn wir das schaffen, wäre das ein großer Schritt für die Stärkung der Mitgliederrechte. Und diesen Weg halte ich auch für gangbar.
Der Vereinsbeirat, der die Mitglieder vertreten soll, hat jetzt eine Personalagentur beauftragt, um noch einen anderen Präsidentschaftskandidaten zu finden. Wie haben Sie das aufgenommen?
Merz: Fassungslos. Das ist wirklich ein Desaster, was dort abgeht. Wir müssen aufpassen, den Vereinsbeirat als Ganzes zu verteufeln, dort gibt es durchaus sehr unterschiedliche Ansichten, aber ganz offensichtlich will die Mehrheit unbedingt verhindern, dass Claus Vogt Präsident bleibt. Eine andere Interpretation sehe ich nicht. Es stellen sich hier schon wieder so viele Fragen, die nicht beantwortet werden. Wie sieht denn das Anforderungsprofil aus, das an die Agentur gegeben wurde? Dieses muss ja Kompetenzen beinhalten, die keiner der aktuellen Bewerber liefern kann. Welcher Kandidat will sich diesen Verein mit dieser Situation überhaupt geben? Höchstens der Name und Geld könnten Argumente sein, aber wir wissen ja nicht mal, ob die Rolle als Ehrenamt ausgeschrieben ist? Dann frage ich mich, wie sich der Verein erst ein Rechtsgutachten und jetzt noch eine Personalagentur leisten kann, wenn er doch von der Existenz bedroht ist? Und dann stellt sich auch die Zeitfrage. In zwei Monaten soll die Mitgliederversammlung stattfinden, aber jetzt beginnt erstmal wieder die Suche nach einem Kandidaten. Die Mitglieder müssen sich vorher ja auch ein Bild von dem Kandidaten machen können. Wird dafür überhaupt genug Zeit sein?
Merz: "Sachthemen statt Grabenkämpfe: Das wäre mein Motto"
Was würde passieren, sollte Vogt nicht aufgestellt werden und die Mitglieder keine Chance bekommen, über seine Arbeit zu urteilen?
Merz: Wenn Vogt nicht aufgestellt wird, wird es auf jeden Fall Abwahlanträge hageln gegenüber des Vereinsbeirats. Wir müssen abwarten, ob die Mitgliederversammlung online stattfinden wird oder ob sie vielleicht verschoben wird und je nach Infektionsgeschehen sogar als Präsenz-Veranstaltung abgehalten werden kann. Aber eines ist klar: Sollten Mitglieder physisch anwesend sein dürfen, würde es zu Tumulten kommen. Und zwar aus gutem Grund. Vogt wurde durch nicht bewiesene oder widerlegte Vorwürfe in Misskredit gebracht. Er ist der Mann, der die Datenaffäre aufklären will. Wird er nicht zur Wahl gestellt, wäre das ein Offenbarungseid und würde sehr tief blicken lassen. Ich will keine apokalyptischen Szenarien an die Wand malen, aber wenn das passiert, werden sich alle Mitglieder und Fans, die sich den Strömungen gerade entgegenstellen, sehr genau überlegen, ob sie sich diese Spielchen immer und immer wieder geben wollen, oder ob sie Konsequenzen ziehen, weil sie einfach keinen Bock mehr darauf haben.
Wie schwer wiegt für Sie der Wortbruch, sollte der Präsident nicht mehr Aufsichtsratsvorsitzender sein, wie es immer versprochen wurde?
Merz: Da gebe ich mich mittlerweile keinen Illusionen mehr hin. Es wäre ein Wortbruch, aber beim VfB gibt es genügend Menschen, die da keine Scham und keine Skrupel hätten, es trotzdem durchzuziehen. Was mal gesagt und versprochen wurde, interessiert dann nicht mehr. Die aktuelle Situation erfordert besondere Maßnahmen, wird es heißen. Wir wissen doch, wie die Rechtfertigung klingen wird.
Um zum Abschluss doch positiv in die Zukunft blicken. Angenommen, Claus Vogt wird aufgestellt und bis 2025 wiedergewählt. Was würden Sie sich für seine erste richtige Amtszeit wünschen?
Merz: Ich würde mir wünschen, dass der Verein schnell wieder zu der Gesamtlage zurückfindet, die wir 2020 größtenteils hatten. Dass es wieder ein gesundes Verhältnis zwischen Mitgliedern und Verein gibt. Darüber hinaus würde ich mir wünschen, dass wir es bis 2025 geschafft haben, die Satzung in die Moderne zu überführen und im Sinne der Mitglieder saubere Regelungen vorliegen. Dazu wäre es schön, wenn Projekte wie der Frauenfußball und die Fan- und Mitgliederbeteiligung einen großen Schritt nach vorne gemacht haben. Gleichzeitig soll die AG, die auch noch ein recht junges Unternehmen ist, professionell geführt werden, Ideen entwickeln, ein Wertebild kreieren und ein positives Betriebsklima schaffen, nach innen wie nach außen. Und wenn dann die sportliche Entwicklung noch so positiv weitergehen würde und sich der VfB in der Bundesliga etabliert hätte, wäre ich rundum zufrieden. Lasst uns um Sachthemen kümmern, statt in Grabenkämpfen zu versinken. Das wäre mein Motto.