Justin Kluivert von RB Leipzig im Interview: Nouris Zusammenbruch war "der schlimmste Moment meines Lebens"

Von Dennis Melzer
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© IMAGO / Pro Shots
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Justin Kluivert schwärmt von de Ligt und de Jong: "Vor diesem Willen ziehe ich meinen Hut"

Wen würden Sie als talentiertesten aller Mitspieler aus Ihrer Ajax-Zeit hervorheben?

Kluivert: Hier fallen mir direkt zwei Jungs ein. Einer davon ist Matthijs de Ligt, mit dem ich jahrelang gemeinsam in der Jugend gespielt habe. Er ist einer der außergewöhnlichsten Spieler weltweit und in seiner Altersgruppe einer der besten Verteidiger überhaupt. Der andere Mitspieler ist Frenkie de Jong.

Was hat die beiden so besonders gemacht?

Kluivert: Matthijs' Einstellung war unglaublich. Er ist jeden Tag ins Fitnessstudio gegangen, hatte sogar Spaß dabei. Er hat sein Ziel immer im Blick gehabt und wie verrückt daran gearbeitet, dieses Ziel zu erreichen. Vor diesem Willen ziehe ich meinen Hut. Bei Frenkie hat mich einfach sein angeborenes Talent begeistert. Wenn er den Ball am Fuß hatte, konnte man als Zuschauer nur noch staunen. Eine phänomenale Technik.

Einen anderen Mitspieler ereilte ein schlimmes Schicksal. Sie waren dabei, als Abdelhak Nouri auf dem Spielfeld zusammenbrach. Wie haben Sie diese Situation damals wahrgenommen?

Kluivert: Das war der schlimmste Moment meines Lebens. Ich stand einfach nur unter Schock, konnte es gar nicht glauben. In der einen Sekunde stehst Du noch mit ihm auf dem Platz und machst Späße und in der nächsten Sekunde ist alles anders. Es ging so unglaublich schnell.

Abdelhak Nouri war im Juli 2017 bei einem Testspiel zwischen Ajax Amsterdam und Werder Bremen zusammengebrochen.
© getty
Abdelhak Nouri war im Juli 2017 bei einem Testspiel zwischen Ajax Amsterdam und Werder Bremen zusammengebrochen.

Justin Kluivert über Nouri: "Habe auf eine neue Art gelernt, dass man das Leben wertschätzen muss"

Wie haben Sie das Erlebte im Anschluss verarbeitet?

Kluivert: Ich wollte alleine sein. Ich bin ein Mensch, der solch emotionale Geschehnisse mit sich selbst ausmacht. Ich habe viel nachgedacht, mich immer wieder an die vielen schönen, gemeinsamen Momente mit ihm erinnert. Ich habe noch einmal auf eine neue Art und Weise gelernt, dass man das Leben wertschätzen muss, weil es sich von einem auf den anderen Moment ändern kann.

Mit diesem schlimmen Erlebnis im Hinterkopf: Was macht Ihnen Angst?

Kluivert: Angst ist kein guter Begleiter. Das wichtigste für mich ist, dass ich später eine intakte, glückliche Familie habe - eine liebenswerte Frau und gesunde Kinder. Mehr wünsche ich mir nicht. Vielleicht ist es in gewisser Weise eine Angst, sich zu fragen, wie ich damit umgehen würde, wenn dieser Fall nicht eintreten würde.

Sie haben zu Nouris Ehren nach Ihrem Wechsel zur Roma die Rückennummer 34 gewählt, nach einem Jahr aber gegen die 99 getauscht. Was war der Hintergrund?

Kluivert: Als ich bei der Roma ankam, wollte ich mit dieser Geste meine Liebe und meine Unterstützung für meinen Freund Appie ausdrücken. Es war geplant, dass ich die Nummer 34 in meiner ersten Saison trage und danach auf die Nummer 11 umsteige. Die trug aber noch Kolarov. Dann habe ich mich für mein Geburtsjahr entschieden und die 99 genommen. Das hat auch gut gepasst.

Ihr Vater war anfangs nicht von Ihrem Wechsel nach Rom begeistert. Was ließ ihn zweifeln?

Kluivert: Im Endeffekt wollte mein Vater nur das Beste für mich. Das seiner Meinung nach Beste für mich wäre vielleicht gewesen, noch ein weiteres Jahr bei Ajax zu bleiben. Es ist wichtig, sich anzuhören, was die Eltern denken. Aber es ist auch wichtig, dass man auf sich selbst hört. Ich hatte meine Entscheidung getroffen und dabei blieb ich. Für mich hat sich der Wechsel als richtiger Schritt angefühlt.

Justin Kluivert über Zeit bei der Roma: "Das kannte ich bis dahin überhaupt nicht"

Wie würden Sie Ihren Wechsel rückblickend betrachten?

Kluivert: Es geht im Leben nicht nur darum, Entscheidungen zu treffen. Man muss danach auch zu seiner Entscheidung stehen. Aus meiner Sicht war der Wechsel sehr hilfreich. Ich habe viele tolle Momente bei der Roma erlebt, musste aber sicherlich auch das eine oder andere Tal durchschreiten. Das kannte ich bis dahin überhaupt nicht, ich hatte bei Ajax über Jahre hinweg fast immer nur positive Erfahrungen gemacht. Erstmals mit Unebenheiten konfrontiert zu werden, hat mich reifen lassen. Es war gut zu merken, dass es in einer Karriere nicht immer nur steil nach oben geht, sondern auch Tiefen gibt. Niemand schaut sich gerne einen Film an, in dem alles die ganze Zeit nur perfekt läuft.

Sie hatten sich das RB-Gelände bereits vor Ihrem Roma-Engagement angeschaut. Warum wurde 2018 noch nichts aus einem Wechsel nach Leipzig?

Kluivert: Ja, ich war tatsächlich vor zwei Jahren hier und habe mir die Trainingsanlage angesehen. Warum ich nicht damals schon herkam, kann ich nicht sagen. Umso glücklicher bin ich aber, dass ich nun bei RB spiele. Das Niveau ist sehr, sehr hoch, wir spielen in der Champions League und spielen in der Bundesliga ganz oben mit. Das sind die perfekten Bedingungen für junge Spieler wie mich.

Ihr Trainer Julian Nagelsmann ist bekannt dafür, Talente besonders zu fördern. In welchen Bereichen hat er Sie besser gemacht?

Kluivert: Ich würde sagen, in puncto Flexibilität. Er lässt mich mal auf den Flügeln spielen, mal als Zehner oder sogar als Stürmer. Das kommt mir sehr entgegen, weil ich gerne mit hohem Tempo spiele. Das Tempo kann ich auf jeder dieser Positionen nutzen. In der Bundesliga gibt es dafür noch einmal mehr Räume als in der Serie A. Der Trainer sieht sofort, dass dies ein Faktor sein kann und setzt mich entsprechend ein. Er ist so gut in seinem Job, weil er große Freude daran hat. Das merkt man ihm tagtäglich an.

Justin Kluivert: Leipzig-Verbleib? "Kann ich mir aktuell definitiv vorstellen"

Nach etwas mehr als einer halben Saison: Wie fällt Ihr persönliches Zwischenfazit aus?

Kluivert: Ich bin zufrieden. Ich weiß aber auch, dass ich in der Lage bin, noch mehr zu leisten. Nach meiner Verletzung möchte ich der Mannschaft für den Rest der Saison so gut es geht helfen. Vielleicht ja auch sogar darüber hinaus.

Hört sich ganz so an, als könnten Sie sich einen längerfristigen Verbleib vorstellen.

Kluivert: Ja, das kann ich mir aktuell definitiv vorstellen. Aber die Entscheidung liegt am Ende nicht bei mir alleine. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

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